FYI.

This story is over 5 years old.

Photos

Fotos von den kaputten Helden der Street Parade

Unter dem Make-up der grossen Freak- und Selbstinszenierungsshow, zu der die Street Parade verkommen ist, lauert die Schönheit des Hässlichen.

Die Street Parade feierte vergangenes Wochenende ihren 25. Geburtstag. Die Veranstaltung, die 1992 von einer überschaubaren Anzahl experimentierfreudiger Freigeister als "Demonstration für Liebe, Friede, Freiheit, Grosszügigkeit und Toleranz" ins Leben gerufen wurde, war damals ein öffentliches Statement für eine liberale Gesellschaft. Circa 1.000 junge Menschen hatten sich zusammengefunden, um durch die Strassen Zürichs zu tanzen.

Anzeige

Dieser Akt an sich kann getrost als gesellschaftskritisches Statement gegen das biedere Zürich angesehen werden. In den darauffolgenden Jahren stellte die Parade jeden Sommer einen bunten Farbklecks im grauen Alltag der zwinglianischen Realität der 90er-Jahre dar. Spätestens um die Jahrtausendwende ist die Street Parade mit über einer Million Besuchern zum Massenspektakel mutiert, bei dem tanzwütige Liebhaber elektronischer Musik aus der ganzen Welt das Zürcher Seebecken belagern, es zur vibrierenden Partymeile verwandeln und dabei von Schaulustigen bestaunt werden.

Wie praktisch jede subversive Bewegung ist auch die Street Parade zum Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Das Spiel funktioniert dabei immer nach demselben Muster: Eine kleine Gruppe junger Menschen, getrieben von kreativer Energie, einer ordentlichen Portion Drogen im Blutkreislauf und dem Vorsatz, die Gesellschaft verändern zu wollen, sorgt aus subkultureller Eigeninitiative für Bewegung. Diese Bewegung zieht breite Massen der Jungen und Junggebliebenen an, die sich mitreissen lassen. Schon bald treten die Beweggründe der Initianten in den Hintergrund und werden von den Wellen des Mainstreams verschluckt.

Die "Demonstration für Liebe, Friede, Freiheit, Grosszügigkeit und Toleranz" mit ihrem jährlich ändernden Motto entlarvte sich ziemlich schnell als oberflächliches Lippenbekenntnis (1999—Motto: "More Than Words"). Die Parade wandelte sich zu einem Mekka für Schönwetterweltverbesserer (2003—"Let the sunshine in"), wo die Realitäten der Welt und das Zeitgeschehen weitgehend ausgeblendet werden (2005—"Today is tomorrow") und wo Menschen ihre Träume und Sehnsüchte nach Freude, Liebe, Nähe und Freundschaft mit einem Griff in kleine Minigrips-Beutelchen für ein paar Stunden wahr werden lassen (2009—"Still have a dream"). Wenn sich der Inhalt einer Bewegung als leer herausstellt, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich selbst zum Inhalt hochzustilisieren (2010—"Celebrate the Spirit of Street Parade"), um mit leeren Worthülsen an die Herzen der Menschen zu appellieren (2012—"Follow your heart"). Schon lange hat auch die Street Parade in den Kanon des konsumorientierten YOLO-Mantras eingestimmt, wo der Augenblick als stetige Spielwiese zur Zelebrierung des totalen Spasses auf ewig festzuhalten versucht wird (2015—"Magic Moments").

Anzeige

Passend zum Zeitgeist stand der 25. Geburtstag des Umzugs unter dem narzisstischen Stern der Einzigartigkeit: "Unique" war das Motto der diesjährigen Jubiläumsausgabe. Unter dem Make-up der grossen Freak- und Selbstinszenierungsshow, zu der die Street Parade verkommen ist, lauert die Schönheit des Hässlichen. Ungeschminkt und nackt. Ein Hoch auf sie. Weil sie einfach ist, was sie ist, und sich nicht hinter Hülsen zu verstecken braucht.

Alle Fotos: Dominik Meier