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Es gibt eine ganze digitale Fremdgeh-Industrie

Ihr wollt Fremdgehen? Oder wissen ob euer Partner fremdgeht? Wir haben die Links dazu!

Foto via Flickr | icanteachyouhowtodoit | CC BY 2.0

Der ORF schrieb übers Fremdgehen. Wir haben auch schon übers Fremdgehen geschrieben. Fast jeder hat es leider schon einmal getan. Eure Lieblingsyoutuberin Bibi gibt euch Tipps eine Affäre zu verheimlichen. Beauftragt doch einen Privatdetektiv, um herauszufinden, ob euer Partner euch fremdgeht oder geht selbst fremd mit der Hilfe einer Fremdgehagentur—hier ein paar im Test. Oder ihr wollt, dass ihr nicht mehr selbst lügen müsst? Beauftragt die Alibi-Agentur—oder holt eure Antworten aus der Klatschpresse. Auch sogenannte „TreuetesterInnen“ gibt es. Das Internet ist voll mit solchen und anderen abstrus anmutenden, fremdgehbezogenen Services. Leider gibt es sie anscheinend alle.

Die grundlegendste Regel der freien Marktwirtschaft ist: Wo es eine Nachfrage gibt, kommt auch irgendwann ein Angebot. All diese Services würden wohl nicht existieren, wenn sie niemand in Anspruch nehmen würde. „Warum ich Fremdgehen hasse und es trotdzem tue“ war der Titel eines Vice-Artikels. Ich will die leidige sind Menschen wirklich Monogam-Debatte wirklich nicht mehr lostreten. Biologisch sind wir definitiv nicht monogam, durch Sozialisierung vielleicht—kommt jedoch auf den Kulturkreis an. Warum gibt es also diese, durch eine konstant vorhandene Doppelmoral durchgefütterte, Industrie? Für 29 Euro kann man seinen Partner per SMS auf dessen Fremdgeh-Neigungen testen lassen. Auf der Seite von Die Treuetester bekommt man eine kostenlose Erstberatung (sic!) und kann seinen Partner per SMS oder Telefon ganz anonym darauf abklopfen, ob er oder sie auch wirklich ergeben ist. Würde es dir nicht wirklich eine innere Ruhe geben, wenn dein Partner nicht sofort mit einer SMS ins Bett springen will?

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Bild: Screenshot die-treuetester.eu

Dabei stellen sich sofort zwei Fragen: 1. Wer fällt darauf herein, wenn ein(e) komplett Unbekannte(r) sich per SMS zum Fremdgehen meldet? Das klingt eher nach nigerianischem Spam-Prinz, als einem möglichen Seitensprung. 2. Welcher Mensch findet eine Agentur zu beauftragen, um die Partnertreue zu prüfen, ist ein sozial akzeptables Verhalten? Ziemlich sicher dieselbe Sorte Mensch, die sich auf einen Seitensprung mit einer nur per SMS bekannten Person einlassen würden. Falls das Ziel des SMS-Test die reine Zustimmung zu einem Treffen ist, geht es wohl nicht um einen Treuetest, sondern um die Bestätigung der eigenen Hintergedanken. Topf trifft Deckel. Die Treuetester werben sowohl mit 100% Diskretion, als auch damit, dass die gesamte österreichische Presse bereits über ihr Angebot geschrieben hat. Spätestens hier sollte jedem mit zumindest einem Hauptschulabschluss auffallen, wie sehr das Ganze zum Scheitern verurteilt ist.

VICE: Warum ich fremdgehen hasse und es trotzdem tue

Aber hier sind wir wohl angekommen im Jahre 2016. Beziehungen müssen nicht mehr durch gute Zeiten wie schlechte Zeiten bestehen, sondern durch die zehn SMS des beauftragten Treuetesters. Es wird nicht versucht die eigene, vielleicht nur momentane, Unsicherheiten zu kontrollieren und darüber zu sprechen, sondern eine Agentur damit beauftragt, Gewissheit zu schaffen. Das Alles passiert natürlich nicht ohne Konsequenzen. Vor wenigen Monaten wurde die bekannteste „Fremdgeh-Seite“ Ashley Madison gehackt und alle Userdaten veröffentlicht. Darunter auch massenweise vermeindlich redliche Menschen wie Pastoren und politisch engagierte Familienväter. Der Leak hat sogar zu einem Suizid geführt.

All diese Services, außer das Treffen als Ultima Ratio, bestehen aus rein digitaler Kommunikation. Das sollte einem schon einen Denkanstoß in die Richtung geben, dass die Menschheit wohl von der digitalen Revolution überrollt wurde und das ungelöste Problem der Treue einfach direkt in die digitale Welt übernommen hat. Eine computerunterstützte Lösung für ein Echtweltproblem. Funktioniert in der Wirtschaft besser, als in der Soziologie. Die Gesellschaft steckt wohl immer noch in derselben Doppelmoral fest und sucht händeringend nach einer Lösung. Treuetester sind nur keine besonders gute Lösung. Manche versuchen auch das Problem der Treue von Anfang an wegzudefinieren und eine offene Beziehung zu führen, in der beide Seiten akzeptieren, dass der Mensch einfach nicht für die Monogamie gebaut ist. Der Mensch ist jedoch sehr wohl für die Eifersucht gebaut. Respekt an Menschen, die diese Beziehungsform wirklich führen können und sich nicht nur aus missverstandener Liebe dazu drängen lassen, ihrem Partner alles durchgehen zu lassen.

Was lernen wir daraus? Der nigerianischen Fremdgehprinzessin nicht gleich auf den Leim zu gehen—und vielleicht seine Beziehung überdenken, wenn man wirklich von einem Treuetester geprüft wird. Denn zum Fremdgehen muss man normalerweise zumindest vor die Türe gehen.

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