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Festival Summer

Das Electric Love ist gekommen, um zu bleiben

Das Electric Love: Wo DJs in einem Paviankopf auflegen.

Alle Fotos: Andreas Ladik​

Menschen aus Salzburg und Umgebung muss man wohl kaum daran erinnern, dass an diesem Wochenende zum mittlerweile vierten Mal das Electric Love Festival am Salzburgring Einzug gehalten hat: Erstens war ein ziemlich beachtlicher Teil der jüngeren Bevölkerung sowieso dort, und zweitens hatte das ganze Spektakel eine derartige Lautstärke, dass man es sogar über die oberösterreichische Landesgrenze in 30 Kilometern Entfernung ziemlich gut hören konnte.

Im Großen und Ganzen hat sich seit dem letzten Jahr nicht all zu viel verändert: Das Electric Love ist neben dem Lake Festival immer noch der größte österreichische EDM-Zirkus, and dem sich vier Tage lang zehntausende Leute versammeln, um sich kollektiv aus der Realität zu raven.

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Das Gelände—der Salzburgring ist mit ziemlicher Sicherheit die attraktivste Festival-Location des Landes—erinnert an diesem Wochenende am ehesten an einen komplett aus den Fugen geratenen Rummelplatz, an dem wirklich alles in allen erdenklichen Farben blinkt und leuchtet—inklusive Riesenrad und anderen, überdimensionalen karusellartigen Gerätschaften. Auch wenn es "nur" 45.000 Besucher am Tag sind, darf man sich da ein bisschen an die Tomorrowlands, Ultra Music Festivals oder Electric Daisy Carnivals dieser Welt erinnert fühlen.

Im letzten Jahr hatte man bereits eine Main Stage aufgestellt, die so derartig gigantisch war, dass man hätte meinen können, sie wäre in Sachen Größe und Lichtshow auf diesem Areal eigentlich gar nicht mehr zu übertrumpfen. Die Macher haben sich aber offensichtlich gedacht: Hey, machen wir sie trotzdem irgendwie noch ein bisschen höher—und wenn wir schon dabei sind, platzieren wir auf die beiden Rieslinge Balkone links und rechts vom DJ Pult noch jeweils einen Springbrunnen, der Wasser etwa zehn Meter in die Höhe schießt. Verantwortlich für dieses Mordstrumm von Bühne ist übrigens die niederländische Produktionsfirma, mit der Trance-Legende Armin van Buuren seine visuellen Shows entwickelt hat—kein Wunder, dass er, wie auch schon in den letzten Jahren, wieder einer der Headliner war.

Die einzige Bühne, die vermutlich für noch mehr offene Münder gesorgt hat, ist die Q-Dance-Stage—der Teil des Festivals, der sich ausschließlich dem Hardstyle und seinen Jüngern widmet, und eigentlich ein eigenes Festival im Festival ist. Hardstyle haben wir letztes Jahr ja als den Sound beschrieben, den man am ehesten in tiefer gelegten 4er-Golfs oder an der Pforten zur Hölle vermuten würde. Aber die Q-Dance Stage hat wieder einmal deutlich gemacht, wie unglaublich beliebt dieses Genre nach wie vor ist.

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Letztes Jahr sah die Bühne noch aus wie ein chinesischer Drache, dieses Mal hat die niederländische Hardstyle-Institution Q-Dance einen riesigen, bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Paviankopf mitgebracht, in dessen Maul sich die DJs befinden. Wenn Menschen aus allen Ecken und Enden von Europa anreisen, nur um ein Wochenende lang vor einem riesigem feuerspuckenden Affenkopf Hardstyle zu zelebrieren, dann spricht das Bände.

Höhepunkt des Festivals war für die meisten Besucher mit ziemlicher Sicherheit das Set Jack Ü, (noch besser bekannt als Skrillex und Diplo)—zumindest lies die Dichte an selbstgebastelten "Jack Ü"-Fahnen-, Transparenten und T-Shirts im Publikum diese Vermutung zu. In einzelnen Momenten bekam man bei der eigens für ihren Auftritt choreographierten Pyro-Show fast Angst, dass gleich alles abfackeln würde.

Die Meute schien sich von diesem Inferno aber nur noch zusätzlich zum Auszurasten lassen zu bringen, und Skrillex und Diplo selbst sind mindestens genau so übermotiviert auf ihrem DJ-Pult herumgesprungen. Die angekündigten 1 1/2 Stunden Showtime wurden letztendlich aber deutlich verkürzt, vermutlich, weil die beiden noch einen Flug nach Finnland zu erwischen hatten, um noch am selben Abend (!) auf einem Festival in Helsinki zu spielen. Keine Minute nach ihrem Set saßen die beiden schon wieder im Auto Richtung Flughafen.

Die Tatsache, dass EDM-Superhero und vormalige DJ-Mag Nr.1 Hardwell es zwischen all seinen Auftritten in allen Herren Ländern offensichtlich erst gar nicht zu seiner Show in Salzburg schaffte, dürfte für viele der Besucher die einzige wirklich große Enttäuschung des Festivals gewesen sein. Vom Sich-in-Ekstase-raven ließen sich die Massen aber am letzen Abend aber ohnehin nicht abhalten.

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Hardwells Superstar-Kollege Afrojack erklärte nach seinem Auftritt übrigens, dass das Publikum auf diesem Festival für ihn extrem verblüffend war, weil es wirklich alles gemacht hat, was man von ihm wollte. "Normalerweise sagst du den Leuten: 'Put your Hands up!' und nur die wirklichen hartgesottenen Fans machen mit. Hier sage ich dasselbe und jeder einzelne da draußen macht es—ich dachte mir nur 'Wow, Shit!'". Man kann über die Besucher des Festivals sagen, was man will: An Motivation und Begeisterung fehlt es ihnen ganz sicher nicht.

Leider kam es im Zuge des Elecric Love auch zu Übergriffen, welche die Hochstimmung des Events im Nachhinein überschattet: Eine Frau hat nach dem Electric Love eine Vergewaltigung angezeigt. Auf die Problematik "Sexuelle Belästigung und Übergriffe auf Festivals" und die Hintergründe zu dem Vorfall werden wir in einem gesonderten Artikel eingehen. Trotzdem hat das Electric Love 2016 bewiesen, dass es letztendlich doch ein bisschen mehr ist, als das 0815 EDM-Festival, als das es ganz gerne abgestempelt wird. Das Ableben des Urban Art Forms hat eine ziemlich große Lücke in der österreichischen Festival-Landschaft hinterlassen, und die Veranstalter des EL haben sehr gut erkannt, wie man diese Lücke klug nutzt und auch jene Leute lockt, die vor ein paar Jahren noch an den Schwarzlsee oder nach Wiesen gefahren wären.

Zum Beispiel mit Bühnen wie der Electronic Motion Stage, auf die man am letzen Tag des Festivals ziemlich klassische Techno-Acts geholt hatte, die man ansonsten am ehesten in der Grelle Forelle vermuten würde. Am Tag davor lockte man die Leute mit einer eigenen Stage für UK-Sound, auf der unter anderem die heimischen Drum and Bass-Helden Camo & Krooked Menschenmassen versammelten. Egal in welcher Ecke der elektronischen Musik man sich daheim fühlt, irgendwie schien für was jeden etwas dabei zu sein, für das man sich begeistern konnte. Spätestens nach diesem Jahr muss einem klar sein, dass das Electric Love nicht nur eine Nebenerscheinung des EDM-Hypes ist, das so schnell wieder gehen wird, wie es gekommen ist. Dieses Festival ist gekommen um zu bleiben.

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