Eine Typologie von Menschen, die Videos auf Konzerten machen

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Eine Typologie von Menschen, die Videos auf Konzerten machen

So erkennt ihr die unterschiedlichen Typen und macht ihnen das Leben zur Hölle.

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Warum machen Menschen Videos auf Konzerten? Das ist tatsächlich eine Frage, die wir uns als Menschheit stellen müssen. Warum kauft man sich Konzertkarten, also Erfahrungsgüter, nur um das Erlebnis dann durch die Kamera zu erfahren? Welchen Sinn macht es, ein Video von einem Auftritt zu haben, von dem es ziemlich sicher eine professionell aufgenommene Tour-DVD oder zumindest YouTube-Videos (ja, irgendjemand muss die machen, aber warum können wir uns nicht auf einen Menschen einigen?) gibt oder geben wird? Wir könnten annehmen, dass es etwas aus der Jäger-Sammler-Ecke ist, aber ich glaube, wir müssen mehr in die Tiefenpsychologie gehen, um eine brauchbare Antwort zu bekommen. In die Marianengraben-Psychologie, um genau zu sein.

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Aber der Hohn über diese Menschen wurde schon oft niedergeschrieben, jetzt wird es an der Zeit, zu kategorisieren. Und wer ist ausgebildeter als ich? Ja, wahrscheinlich wirkliche Psychologen. Aber: Ich habe auch Freunde. Mit denen gehe ich manchmal auf Konzerte. Somit habe ich genug Erfahrungswerte, um schön zu analysieren, was Personen dazu bringt, auf einem Konzert zu filmen, anstatt zu tanzen.

Der berauschte Typ

So erkennst du ihn: Dieser Mensch lallt, wankt und steht auf einem Konzert meistens direkt neben dir. Er gibt komische Laute von sich – und zwar in Form von Mitsingen oder eines "Wuhu"-Lautes. Wenn der Künstler fragt, was in Wien so geht, hat er oder sie eine Antwort: "WOAAHHHHHRG." Er holt sein Handy meistens raus, weil es eines der wenigen Dinge ist, an denen er sich noch festhalten kann. Am nächsten Tag merkt er, dass seine Aufnahmen scheiße sind und löscht alles wieder, um sich nicht weiter schämen zu müssen und Speicherplatz für wichtigere WhatsApp-Screenshots zu haben.

Das denkt er: Gott, ist das geil. Ja, oh mein Gott, ich habe so lange auf dieses Konzert gewartet. Das ist das beste Konzert überhaupt. Oh wow, das ist mein absolutes Lieblingslied. Das muss ich aufnehmen und allen zeigen. Wahnsinn.

Das denkst du: Haha, so war ich auch mal drauf. Letztes Wochenende zum Beispiel.

So bekämpfst du seine Videos: Gar nicht. Der Berauschte kann maximal sein Bier auf deine Kleidung verschütten und dir schrecklich auf die Nerven gehen.Aber seine Aufnahmen werden sowieso so wacklig und scheiße sein, dass er sie am darauffolgenden Tag löscht und wirklich niemanden damit quält. Hoch lebe der berauschte Mensch!

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Der penetrante Typ

So erkennst du ihn: Dieser Mensch steht meistens ein paar Reihen direkt vor dir, deshalb kannst du live miterleben, wie er jeden einzelnen Track des Konzerts bis zur Hälfte aufnimmt. Er humpelt ein bisschen bei Liedern, die ihm taugen, aber so richtig hüpfen und wild tanzen wirst du ihn nicht sehen. Er braucht Bewegungen und Geräusche quasi als special effects für die Videos, damit auch wirklich rauskommt, dass das gerade ein geiler Track ist. Und vor allem hört der Penetrante damit nicht auf: Er zeigt dann all diese Videos, die eine wirklich schreckliche Audio-Qualität haben, stolz seinen Liebsten und sagt so Dinge wie: "Es war megageil". Er ist davon überzeugt, dass seine Aufnahmen alle interessieren.

Das denkt er: Das muss ich aufnehmen. Und das. Oh Gott, den Track kenne ich. Verdammt, was macht der Typ vor mir, er verdeckt mir die Kamera. Uh, geile Stelle, nice, die habe ich drauf.

Das denkst du: Warum kauft er sich nicht einfach eine Tour-DVD? Warum vertraut er seinem Gedächtnis nicht? WARUM?

So bekämpfst du seine Videos: Da er sich eh kaum bewegt oder Spaß hat, ist er nicht unbedingt ein akuter Störfaktor. Dafür ein akuter Nerv-Faktor. Entweder, du vertraust auf die Akkudauer der neuen Smartphones (nicht lange) oder du startest einen Moshpit. In Eigenregie. Wenn du mit Videos schlechter Qualität eines Konzerts belagert wirst, dann spiel den Psychodoktor: "Und wie großen Spaß hattest du wirklich?" Oder gehe in die Offensive und frage so Dinge wie: "He, glaubst du nicht, wenn es mich interessieren würde, dass ich dann selbst vor Ort gewesen wäre? Oder mir die Tour-DVD angeschaut hätte? Wollen wir all diese Tracks nicht in einer guten Qualität hören? Bitte?"

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Der Cloudrap-Hörer/Snapchatter/Teenie

So erkennst du ihn: Er ist jung und das Handy ist schon irgendwie automatisch in der Hand. Mit dem Handy wird das Ticket gelöst, Bier bestellt und die Jacke abgegeben. Das Handy sieht aus als würde es zu seinem Körper gehören. Hiermit auch ein s/o an alle Cloudrap-Hörer, exzessiven Snapchatter und Teenies: Ich weiß nicht, wie ihr das koordinativ macht, aber es scheint wirklich so, als könntet ihr euer gesamtes Leben einhändig bestreiten, was für mich unter positive menschliche Evolution fällt. Ihr seid LIT, Kinder.

Das denkt er: LIT! Feuer-Emoji, Hunderter-Emoji und Tanz-Emoji.

Das denkst du: In meiner Generation haben sie sich geritzt. Alles cool.
In meiner Generation haben sie sich geritzt. Alles cool.
In meiner Generation haben sie sich geritzt. Alles cool.

Habe ich eigentlich am Sonntag Gummis verwendet?

So bekämpfst du seine Videos: Gar nicht. Alles an Bildmaterial verschwindet binnen 24 Stunden und Teenies werden irgendwann auch gebrochene Bürohengste, somit sind das nur temporäre Probleme.

Der Uploader/Selbstdarsteller

So erkennst du ihn: Dieser Mensch steht auf Konzerten hinter dir und macht Videos und Fotos von sich, mit der Crowd im Hintergrund. Im Gegensatz zum Berauschten und zum Penetranten, lädt dieser Mensch diese Videos und Selfies auch tatsächlich hoch. Es ist eigentlich egal, wer auf der Bühne steht, aber zwecks Selbstdarstellung sollte es jemand sein, der cool ist. Der Künstler wird dann auch obligatorisch markiert, mit so was wie: "Thank You RiRi, I loved your Vienna-Gig", weil man sich dadurch immer noch mehr Aufmerksamkeit erhoffen kann. Wenn es ein nationaler Künstler oder das Konzert kleiner ist, dann versucht der Selbstdarsteller auf jeden Fall, ein Foto mit dem Künstler zu erhaschen und nicht von dem Künstler. Stellt euch nur die Likes vor – katching. Die Musik, das Konzert und alles andere ist unwichtig, es geht mehr um Likes und das Herzeigen. Darum, dass man auch ohne Ex-Partner ein gesellschaftliches und abwechslungsreiches Leben führt. Auch ein beliebtes Motiv: Licht- und Feuer-Shows auf der Bühne.

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Das denkt er: Nice, warte noch ein bisschen, weiter rauf, dann schaut mein Gesicht nicht so fett aus. Oh mein Gott, warum können meine Freunde nicht einfach herkommen und posieren, das wäre noch cooler. Ich wünschte, ich hätte normale Freunde. Freunde, die mich bei allen möglichen Gelegenheiten fotografieren und aufnehmen. Es ist so hart, alles alleine zu machen. Verdammt, jetzt macht er ein Foto von mir und das ist verschwommen? Wer macht 2017 nur ein Foto, wenn man um ein Foto fragt? Geht's noch? Danke für nichts, du Pisser.

Das denkst du: Sucht der Vogel hinter mir Empfang oder was ist los?

So bekämpfst du seine Videos: Foto- und Videobomben. Und zwar nicht klassisch-grinsend, sondern angepisst. Schaue böse, strahle "kein Spaß" aus, schaue ihn vor der Kamera mit dem "WTF"-Blick an. So wird er das Video bestimmt nicht verwenden, denn darauf wäre nicht purer Spaß und #beste #Zeit zu sehen. Nichts ist einem Selbstdarsteller fremder als Sachen, die seine Selbstvorstellung stören würden.WTF-Blicke tun das.

Der stille Profi

So erkennst du ihn: Das ist der Mensch, der genau vor dir steht. Er ist die Weiterentwicklung des penetranten Menschen und auch irgendwie der Endgegner. Er nimmt wirklich jeden Track bis zum Schluss auf, bewegt sich kaum und singt auch nicht mit. Er nimmt seine Video-Aufgabe, die ihm kein Mensch gegeben hat, todernst. Er wackelt nicht, ändert nicht die Höhe und schaut sonst auch, dass seine Aufnahmen in Handyqualität so gut sind, wie es nur geht. Warum er das macht, weiß niemand so wirklich.

Das denkt er: ?!

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Das denkst du: ?!

So bekämpfst du seine Videos: Stoße ihn "unabsichtlich" ganz leicht oder fange an, ihn anzugraben beziehungsweise anzusprechen. Nichts ärgert stille Profis so sehr, wie besoffenes Gequatsche in ihren "perfekten" Handyaufnahmen. Außerdem haben sie wahrscheinlich weniger Sex, als der Rest auf dem Konzert. Du kannst das Gespräch so eröffnen: "Tour-DVD & Chill?!"

Fredi auf Twitter: @schla_wienerin

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