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Urlaub in Wien – Eine Nacht in der Balkandisco

Ich war noch nie auf der Ottakringer Straße fort. Diesmal habe ich mich getraut.

Ja, ich weiß: Es war lustig mich, in ins B72 zu schicken und in meine alte Heimat Ride Club auch. Lustig im Sinne von: Ich leide, ihr lacht. Als die Idee auf den Tisch kam, mich das erste Mal in meinem Leben in eine Balkandisco zu entsenden, spürte ich so etwas wie eine winzige Vorfreude. Ich bin selber Slawin, zwar nicht aus einem der Balkanländer, aber Slawin. Der Wunsch, mal mit meinen Nachbar-Bratkos und Nachbar-Sekicas fortzugehen, schlummert eh seit Ewigkeiten in mir drinnen.

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Meine erste Vermutung war, dass mich wahrscheinlich keiner meiner Freunde dorthin begleiten wird. Nachgefragt habe ich trotzdem, meine Freunde hören ja auch Moneyboy und tun auch sonst lauter komische Dinge. Eine Zusage bekomme ich von einem Kumpel aus Bayern, und dazu folgenden Kommentar: "Kruzifix, jo klor, slawische Madln beim Fortgehen." Außerdem dabei: eine österreichische Freundin die mal in der Nähe der Ottakringer Straße gewohnt hat und dabei tatsächlich gefragt hat, wie so eine Balkanparty eigentlich ist. Reingetraut hat sie sich aber nie. Das ist auch diejenige, die mit mir im Ride Club und Loco war, deshalb an dieser Stelle mal ein Danke, Gloria. Gut, dass es dich gibt.

Diese Nacht entpuppt sich als eine voller Lektionen. Die erste: Es ist nicht wirklich notwendig, für eine Balkanparty vorzuglühen. Da wir aber in unbekannte Gewässer Schwimmen gehen, wissen wir das nicht und kippen eine Flasche selbstgebrannten Sliwowitz in uns hinein. Dresscode? Knapp und eng und nackt. Wenn wir schon mit Klischees spielen á la Sliwowitz, dann bitte auch allumfassend. Zumindest scheint die Idee gegen 23 Uhr wahnsinnig toll und ironisch-witzig. Außerdem bin ich regelmäßig in Bratislava fort und weiß, dass wir Slawinnen teilweise an einer Kleidungsallergie leiden. Sexy ist im Osten halt Tara-SNF-sexy.

Um 23 Uhr kommen wir darauf, dass die Ortsangabe "Irgendwo auf der Ottakringer Straße halt" eventuell zu unklar sein könnte. Also googlen wir "Balkanparty Wien" und klicken die biber-Reviews an. Weil wer, wenn nicht biber, weiß besser als wir, wohin man für eine Migrantenparty in Wien gehen muss. In ihrem Lokalcheck verlieben wir uns sofort in "Club Diamond", der unter anderem so beschrieben wird: "Das neue, abgespacte Ambiente kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Publikum das alte ist: aufgestylt, bis die Augen wehtun und nur geil auf Turbofolk." Dieser Ort klingt genau nach dem, was wir suchen.

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Besoffen und erlebnishungrig verlassen wir den Vorglühort und machen uns auf die Suche nach Club Diamond. Wir finden ihn auch nach 20 Minuten nicht, dafür fünf Würstelbuden mit Bier und Lösungsmittelwodkashots – leider. Meine Freundin trägt ein knappes Kleid (noch immer zu hochgeschlossen, meiner slawischen Meinung nach) und ich trage etwas, bei dem man nicht genau bestimmen kann ob ich es im Tally Wejl oder im Sexshop gekauft habe. Aus der Ride Club-Zeit habe ich ein paar kleidungstechnische Gustostückerl. Mein bayrischer Kumpel trägt eine Bauchtasche. Wir waren definitiv die peinlichsten Gestalten auf der Ottakringer Straße und sowas von gar nicht "lustig-ironisch".

Wir und unsere neuen Hawis. Wir sind die mit dem Ottakringer-Bier.

Kurz vor der totalen Verzweifelung finden wir uns schon damit ab, den Club Diamond zu vergessen und in eines der anderen Lokale reinzugehen. Als uns eine Gruppe junger Menschen entgegenkommt, frage ich, wo denn die gesuchte Disco sei. Unsere neuen Bratkos erklären uns, dass es den Club Diamond nicht mehr gibt. Der heißt jetzt Insomnia und sie sind am Weg dahin. Wir fragen sie, wo man in Wien so richtig balkanmäßig fortgehen kann – ihr Tipp ist ein Lokal im 21. Wir machen ihnen relativ schnell klar, dass eine Reise nach Zwölfzehn wirklich nicht mehr drinnen ist, schon alleine weil das innere GPS irgendwo im Sliwowitz ersoffen ist. Sie können uns beruhigen: Das Insomnia sei trotzdem eine der besten Discos in der Gegend. "Wenn man einmal Balkan fortgeht, geht man nie wieder anders fort, egal woher man kommt", ist die geschlossene Meinung der Gruppe. Die Frauen seien "Bombe" und alles sei "einfach gechillt". Das überrascht mich doch, und ich hake nach: "Keine Fetzerei?" Und mein neuer Brate sagt: "Doch, aber das sind Opfas. Fliegen eh raus." Das war ein klares, unangreifbares Statement.

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Ja, auch auf einer Balkanparty gibt es Backstage für die gutaussehenden Damen. Nur ist Backstage halt hinter der Bar, weil man da zu sehen ist.

Im Insomnia war zehn Euro Eintritt, weil an dem Tag ein Sänger aufgetreten ist. Eigentlich ist uns das zu teuer. Aber wir gehen doch hinein, weil die Musik verlockend klingt und die eintreffenden Frauen wie Models ausschauen. Wir bestellen drei Wodka und einen weißen Spritzer – und zahlen 17 Euro. Njet mit slawischen Getränkepreisen. Außerdem fällt uns auf, dass sonst niemand Wodkashots trinkt und wir die einzigen peinlichen Klischees im Raum sind.

Die Männer sind auftrainiert, irgendwas zwischen gebräunt und orange, tragen Hemd und aufgestellte Haare. Bisschen wie im Ride Club, nur auf nicht ur peinlich. Die Frauen? Wir sind gestorben. Damit meine ich nicht meinen bayrischen Kumpel, der auf einer Couch eingeschlafen ist, sondern wir Mädels. Sie waren so schön! Und so schlank! Und so nackt! Und sie stolzierten auf unglaublichen Hacken herum. Es hat mich total an Bratislava erinnert – die Mädels schauen wie aus dem Ei gepellt aus und sind eher nüchtern, die Jungs sitzen auf den Tischen, umringt von Wodkaflaschen und Red Bull-Dosen. Ich hab auch ganz viele Selfies in the making gesehen – wirklich ein Club, in den man geht, um sich zu Präsentieren.

Den übrigen Abend habe ich irgendwie nur noch Fotos von Ärschen gemacht.

Während unser Kumpel auf der Couch geschlafen hat, haben wir Mädels zu der Musik des Sängers getanzt. Wenig graziös wahrscheinlich, wir hatten dennoch sehr viel Spaß. Wir haben zwar kein Wort verstanden, haben uns aber von der Stimmung mitreißen lassen. Wir wurden auch angesprochen – auf Serbisch, glaub ich. Da ich ab zwei Promille eh quasi jede Sprache fließend spreche, kamen an dem Abend dann doch ein paar verwirrende Gespräche zusammen. Der Grundkonsens: Früher haben sich die verschiedenen Balkanländer gar nicht verstanden und es gab oft Streit. Heute feiern alle friedlicher und durchgemischter als noch vor fünf Jahren.

Wir hatten wirklich Spaß, wir wurden nett behandelt, der Club war voll aber es gab genügend Sitzgelegenheiten. Ob wir jemals wieder hingehen – wahrscheinlich nicht, ich brauche nicht lügen. Es sei denn, ich werde eingeladen. Aber es ist eine Erfahrung, die man als Wiener auf jeden Fall gemacht haben sollte. Also Freunde einpacken, vor allem Single-Freunde, nicht zu viel vorglühen, slawisch aufstylen und ab geht’s zum Kolo tanzen (es wird eh kein Kolo getanzt, der Satz klingt nur abschließend netter so). Weil eine andere Welt und Kultur war das schon – Urlaub ohne Wien zu verlassen, quasi. Eure männlichen Kumpels werden es mögen. Wirklich. Ich bin jetzt übrigens auf Diät.

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