Ein offener Brief an meinen heutigen Geburtstag
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Ein offener Brief an meinen heutigen Geburtstag

Es ist beschissen, an einem Tag Geburtstag zu feiern, an dem alle—wirklich alle—im Arsch sind.

Lieber 2. Jänner, lieber Geburtstag,

vor genau 23 Jahren hat mich meine Mutter am heutigen Datum zur Welt gebracht. Als ich an diesem Tag das Licht der Welt erblickte wusste ich noch nicht, was das für mich bedeutet. Ich wusste allerdings auch noch nicht, wie ich heiße oder wie mein Schließmuskel funktioniert.

Anfangs warst du für mich ein ganz gewöhnlicher Tag. Wenn man als Baby alle Hände voll mit wachsen, schlafen und Windeln füllen zu tun hat, erinnert man sich nur selten daran, was sonst noch so passiert. Vielleicht haben meine Eltern aber auch nur meine verschlafene Art ausgenutzt, um meinen Geburtstag nicht zu feiern. Ich will ihnen aber nichts Böses unterstellen, immerhin sitze ich dank ihnen jetzt hier und frage mich, wieso ich eigentlich nicht wieder ins Bett gehe. (Eigentlich weiß ich es: Ich habe vergessen, mir freizunehmen.)

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In den kommenden Jahren haben wir dann nach und nach ein sehr gutes Verhältnis zueinander aufgebaut. Schließlich habe ich jedes Jahr am selben Tag unzählige Geschenke bekommen und liebe Menschen haben für mich irgendwelche Lieder gesungen. Und das schon am zweiten Tag des neuen Jahres, besser kann ein Start in das Jahr kaum sein. Du warst immer leiwand.

Der Autor und sein Bruder zu einer Zeit in der alles noch in Ordnung war.

Auch in meiner Zeit als Kindergartenkind, Volksschüler, Gymnasiast oder HTL-Gänger (auf die ich nicht immer stolz war) warst du mir stets dann zur Seite, wenn nach Weihnachten die sentimentale Seite in mir zum Vorschein kam und du hast mich stets mit meiner Familie, Freunden und guten Partys getröstet. Alle waren immer sehr motiviert und das Beste war: Alle hatten am nächsten Tag frei. In den Weihnachtsferien besteht das Leben eines Schülers sowieso nur aus Dösen, Essen und Feiern. Umso schneller waren deshalb auch immer alle am Start, um mit mir den Tag zu feiern, an dem mich meine Mutter aus dem Bauch gedrückt hat. Auch die Zeit zu der du dich entschieden hast, meine Mama von ihren Schmerzen zu erlösen hast du sehr gut gewählt. Gegen 2:00 Uhr nachts lag ich dann endlich weinend da, was wohl auch meine Affinität zu durchgemachten Nächten erklärt.

Doch du warst nicht immer gut zu mir und das muss ich ausgerechnet heute feststellen. Ich bin jetzt Student und der Ferienbonus besteht noch immer, nur eines hast du mir bis heute verheimlicht: Wir alle werden älter und unsere Lebensenergie verhält sich umgekehrt proportional zu unserem Alter. Und je näher wir der Pension kommen, desto dringender brauchen wir diese Ruhe auch. Nach all den Jahren, in denen ich dachte, du wärst der beste Geburtstag, den es gibt, enttäuscht du mich ohne Vorwarnung so dermaßen und fällst mir mit dieser enttäuschenden Erkenntnis in den Rücken. In den letzten Jahren hat sich nämlich einiges verändert.

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Es ist scheiße, seinen Geburtstag zu feiern, obwohl man eigentlich gar keine Lust darauf hat. Tagelang hat man sich mit Raclette, Fondue und literweise Bier auf dich vorbereitet, nur damit du dann schläfrige Stimmung und Lustlosigkeit lieferst? Come on, so war das nicht ausgemacht. 
Jahr für Jahr machst du mir die Hoffnung, dass sich am internationalen Katertag eh alle gut erholen werden, nur um mir dann an meinem Geburtstag zu offenbaren, dass ein Tag voller Pizza und lauwarmen Detox-Tees nicht ausreichen, um eine Woche Weihnachtsfeiertage einschließlich Silvesterabsturz auszugleichen.

Ich muss jetzt also meine restliche Zeit mit dem Wissen leben, dass Jahr für Jahr verkaterte Gestalten zu mir nach Hause kommen, meine dramatisch niedrige Motivation bewundern und alle so tun, als hätten sie wirklich Lust irgendwas zu machen. Und auch wenn meine Freunde an Silvester klüger waren als ich und den Jahreswechsel etwas ruhiger angegangen sind, gibt es immer jemanden, der scheintot am Tisch sitzt: Das Geburtstagskind aka ich. Ich schaffe es einfach nicht, mich auf Partys zurückzuhalten und das wusstest du bereits, bevor ich das Licht der Welt erblickte. Aber was machst du? Du scheißt drauf und lässt es trotzdem geschehen. 24 Stunden nach fucking Silvester. Wie hast du dir das vorgestellt?

Soll ich jetzt meine restlichen Geburtstage wirklich damit verbringen, im Bett zu liegen und an meinem elendigen Kater zu leiden? Oder muss ich mich Jahr für Jahr wieder aus dem Bett zwingen, um meine Freunde einzuladen, damit sie mir beim Einschlafen auf dem Tisch zusehen? Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass du eine gute Antwort für mich hast.

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Symbolbild für den Autor, wie er heute seinen Geburtstag feiert.

Trotz alledem werde ich mich sehr wahrscheinlich jedes weitere Jahr wieder auf dich freuen. Du bedeutest schließlich, dass ich ein weiteres Jahr überlebt habe, was in Anbetracht meines Lebensstils nicht ganz so selbstverständlich ist. Mit Sicherheit werde ich auch in den kommenden Jahren einen Wecker stellen, um zumindest kurz die Augen zu öffnen und mich daran zu erinnern, dass ich ein weiteres Jahr auf dem Buckel habe. Und auch trotz Übelkeit und fehlender Energie werde ich dich dann wieder ausgelassen feiern, der Kater lässt sich immerhin auch auf den nächsten Tag verschieben. Bis nächstes Jahr.

In feierlicher Verbundenheit,

dein Sandro.

Sandro twittert auch an seinem Geburtstag: @voriboy

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