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Ein Interview mit Johannes Laminat, dem Booker der Grellen Forelle

Wir haben mit Johannes Piller aka Laminat über Konkurrenz mit anderen Clubs, Blockbuster-Booking und Bareinnahmen geredet.

Johannes Piller aka Laminat ist DJ, Produzent, Veranstalter, Journalist und noch einiges mehr. Seit Sommer ist er Booker bei der Grellen Forelle, die am Wochenende ihren dritten Geburtstag feiert. Wir werden dazu in den nächsten Tagen noch ein paar Worte finden, hier könnt ihr euch schon mal das Programm anschauen. Zum Start haben wir uns erstmal mit Johannes getroffen und mit ihm über die Konkurrenz, Blockbuster-Booking und Bareinnahmen geredet.

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Noisey: Was ist deine Jobbezeichnung?
Johannes: Ich bin zuständig für das Booking, das ich gemeinsam mit Stephan Maurer mache. Stephan kümmert sich hauptsächlich um die Turbo-Veranstaltungen, ich um die anderen Eigenveranstaltungen. Daneben koordiniere ich die Fremdveranstaltungen, mache die Koordination mit befreundeten Clubs wie der Pratersauna, kümmere mich um die Abwicklung der Flüge und Hotels, briefe die Grafiker, koordiniere das Street Team und die Flyerverteiler und mache die Pressearbeit. Man könnte es also unter Booking und Eventmanagement zusammenfassen.

Mit welchen Clubs koordiniert ihr euch aktuell?
Wir tauschen uns vor allem mit der Pratersauna und der Auslage aus. Wir alle wissen, dass der Kuchen in Wien zwar stetig ein bisschen größer wird, aber anders als in Berlin, London oder Paris keineswegs endlos ist.

Wie reagiert ihr darauf, wenn die Mitbewerber wirklich gute Acts haben? Macht man dann ein „Gegenbooking“? Schreibt man den Tag ab, um möglichst wenig Minus zu machen?
Weder noch. Man schaut einfach, dass nicht am selben Freitag Theo Parrish in der Sauna und Moodymann bei uns spielt. Dann würden sich alle ärgern—das Publikum, aber natürlich auch die beiden halbleeren Clubs. Ich kann dann schon einen starken Act buchen, werde aber nicht in dieselbe Kerbe schlagen. Wir versuchen immer, unseren Club vollzumachen. Einen Tag, an dem keine anderen Partys in Wien sind, gibt es nicht.

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Tut euch die Kantine weh?
Von weh tun würde ich nicht sprechen. Natürlich merkt jeder Clubbetreiber auf der Welt, wenn ein neuer Club in der Stadt aufmacht. Da möchten dann erstmal alle hingehen, sich den Club anschauen, die Stimmung spüren. Das ist ganz normal, das war bei uns nicht anders. Das pendelt sich aber irgendwann wieder ein.

Wie oft muss die Forelle eigentlich richtig voll sein, damit es sich ausgeht? Und macht ihr dafür „Blockbuster“-Booking?
Unser Ziel für 2015 ist, dass wir ein bis zwei Mal im Monat so ein „Blockbuster“-Booking, wie du es nennst, in den Club zu bringen. Natürlich versteht der House-Mensch darunter etwas anderes als der Techno-Liebhaber—aber wir versuchen schon, regelmäßig Namen bei uns zu haben, bei denen wir mit einem vollen Club rechnen können.

Ist die Forelle an solchen Tagen eine Cashcow?
Das hängt sehr von dem Booking ab. Bei sehr teuen Bookings muss man den Eintritt anpassen, das geht dann aber eben in Produktion und die Gage.

Trotzdem verdient ihr bei voll besetztem Club und zwei offenen Bars an so einem Abend ordentlich, oder?
Ja, natürlich sind solche Abende gut. Mann muss aber auch sehen, dass diese Abende viele andere, etwas schwächer besuchte refinanzieren.

Merkt man die Bookings eigentlich an den Bareinnahmen, also über die absoluten Zahlen hinaus? Trinken Menschen bei bestimmten Acts/Musikrichtungen mehr?
Ich formuliere es mal so: Bei „richtigen“ Techno-Veranstaltungen ist der Pro-Kopf-Umsatz deutlich geringer als bei populären, gerade gehypten Acts. Warum, lass ich mal dahingestellt.

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Wie ist das Verhältnis zwischen Acts, die ihr anfragt, und Acts, die euch angeboten werden?
Das genaue Verhältnis kann ich gerade nicht sagen. Wenn ich alles annehmen würde, was mir angeboten wird, müsste ich den Club acht Tage die Woche offen halten. Aber die Booker und Agencys merken natürlich schnell, in welche Richtung man mit seinen Eigenformaten will. Bei Kanal Royal schauen wir zum Beispiel, dass wir relativ reinen Techno buchen. Mit den Acts wollen wir dabei weit vorne und die ersten und einzigen sein, die das in Wien anbieten.

Booker spielen ja gerne verschiedene Veranstalter gegeneinander aus. Merkt man das?
Natürlich, da hat man gewisse Erfahrungswerte. Man kriegt dann öfter mal ein Mail, in dem steht, dass der Act aus Wien für den und den Club angefragt wurde, sie ihn aber eigentlich aufgrund der guten Erfahrungen lieber exklusiv bei uns sehen würden. DJs reden ja auch nach den Auftritten mit ihren Bookern. Das ist natürlich schön zu merken, dass sich die Arbeit der letzten drei Jahre auszahlt.

Lass uns über die Konzertschiene reden. Wie läuft die an?
Langsam, aber stetig. Aktuell sind wir in den Köpfen der Wienerinnen und Wiener noch als Techno/House-Club von Donnerstag bis Samstag verankert. Nachdem der Club aber nunmal auch an den anderen Abenden da ist, müssen und wollen wir ihn da individuell nutzen und vermehrt Konzerte anbieten.

Ist es für euch billiger den Raum leer stehen zu lassen oder schwach besucht zu sein?
Eine gute Frage. Finanziell kann die nur unser Controller beantworten. Ganz persönlich tut mir aber jeder Tag weh, an dem dieser wunderschöne Raum leer steht. Denn er kann ja für verschiedene Settings genutzt werden—ob das jetzt eine Kinovorführung, ein Flohmarkt oder eine Pressekonferenz ist. Jeder, der das hier liest, kann sich gerne mit Ideen.

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Ihr habt mit Konzerten der elektronischen Schiene angefangen, habt jetzt aber öfter ein richtiges Band-Setting.
Genau, und das wollen wir auch ausbauen. Wir stehen schon mit einigen Veranstaltern und Agenturen in Kontakt. So viele Räumlichkeiten in Wien für Konzerte 150+ gibt es ja dann doch nicht. Es muss ja auch alles drumherum passen: Anlage, artist care, ideologische Vorstellungen, Backstageraum.

Das Problem, das ich sehe, ist die relativ geringe Bühnenhöhe. Es werden immer Clubgigs bleiben.
Ja und nein. Bohren und der Club of Gore war ein Sitzkonzert, bei Fennberg am 19.12. wird es auch Sitzplätze geben. Aber ja: Unsere Bühne ist maximal 60cm hoch, mehr geht bei unserer Raumhöhe nicht.

Man hört bzgl. der Forelle ja immer wieder die wildesten Gerüchte. Nervt das?
Ich veranstalte schon lang genug in Wien, um mir ein dickes Fell zugelegt zu haben. Erst letztens habe ich gehört, einer unserer Gesellschafter habe im Lotto gewonnen und deshalb den Club gebaut. Oder dass einer unserer Gesellschafter ein WU-Student sei, dem sein Papa die Forelle zur Sponsion hingestellt habe. Es bleibt immer unterhaltsam. 90% dieser Gerüchte haben nicht mal einen wahren Kern. Man muss es wahrscheinlich so sehen: Man bleibt zumindest im Gespräch.

Hast du mehr Geld zur Verfügung als andere Booker?
Davon gehe ich nicht aus. Viele Menschen glauben ja, dass man mit einem Club reich wird, vergessen aber die steuerliche Belastung. Es fängt mit der Vergnügungssteuer an: Wir zahlen 15% auf die Eintrittsgelder, nachdem wir schon 20% Umsatzsteuer darauf hatten. Ähnlich bei den Getränken: Da kommen nach den 20% nochmal 8% drauf. Für Acts ab einer Gage von 1000 Euro zahlen wir 35% Ausländerabgabesteuer. Dazu kommen noch Abgaben, zum Beispiel über 50.000 Euro im Jahr an die AKM. Der normale Partygänger sieht aber natürlich nur die 12 Euro Eintritt und denkt, wir würden nach der Party die Geldsäcke aus dem Club karren. Das ist natürlich überhaupt nicht so. Mein Job besteht sicher nicht daraus, mir jeden Tag 50 Sets anzuhören, den Act zu buchen den ich will und auf's Geld zu scheißen.

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Wie viel Zeit investierst du in Recherche?
Ich kann gar nicht so genau sagen, wo da mein Privatleben aufhört und mein Job beginnt. Ich bin ja auch DJ und Produzent. Meine Timeline ist voll von Labels, Artist, etc.

Ganz Wien will ja jetzt etwas von dir. Wie gehst du damit um?

Ich versuche auf jedes Mail innerhalb einer Woche zu antworten und mir mit den Leuten, die mir schreiben, etwas zu überlegen. Aber ich kann natürlich nicht jede und jede buchen, die mir schreiben, dass sie gerne bei uns spielen würden—selbst wenn ich wollte, wir haben nur plus/minus 4 Eigenveranstaltungen pro Monat. Ein weit verbreiteter Irrglaube ist auch, dass wir Crews einladen könnten, bei uns Partys zu machen und dabei die Crews und den Acts zahlen. So läuft das leider nicht. Das heißt natürlich nicht, dass ich nicht jede gute Idee unterstützen würde.

Hast du schon mal Acts nur für dich gebucht?
Nur für mich? Nein. Da würde ich mich ja vor den Club stellen, das darf ich nicht. Unsere neue Serie Ascending Waves ist auf meinem Mist gewachsen, das ist auch mein Musikgeschmack. Aber damit bin ich sicher nicht alleine in Wien. Viele Junge Leute Anfang 20 feiern das.

Umgekehrt gefragt: Hast du dich schon mal über den Geschmack des Publikums geärgert?
Ich versuche mich nicht von „Hipster-Zusagen“ auf Facebook irritieren zu lassen. Aber natürlich hat man eine gewisse Erwartungshaltung. Bei Hyroglyphic Being zum Beispiel hatte ich schon damit gerechnet, dass ein paar mehr Leute auftauchen. Der Abend war aber trotzdem eine runde Sache.

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Weil du eben von Leuten Anfang 20 geredet hast—habt ihr ein Problem mit jungem Publikum?
Nein, überhaupt nicht. Der Club soll musikalisch wie auch vom Publikum breit aufgestellt sein. An der Tür gibt es keine Selektion nach Alter, Religion oder Hautfarbe. Jeder, der am Wochenende gerne gute Musik über eine gute Anlage hören will, kann jederzeit zu uns kommen.

Hattest du das Gefühl, die musikalische Ausrichtung im letzten halben Jahr schon ein bisschen schieben zu können?

Ich habe schon das Gefühl, dass ich zu einem gewissen Grad etwas bewegen konnte. Natürlich kann ich keinem Fremdveranstalter vorschreiben, wen er zu buchen hat. Nachdem wir uns aber auch mit unseren Fremdveranstaltern hinsetzen und die Zukunft planen, glaube ich, dass der Weg in einer richtige Richtung geht. Im kommenden Jahr werden wir genau diese Schiene weiter fahren. Denn ich glaube, dass man Gäste nur durch eine gewisse Regelmäßigkeit an uns binden kann. Sie sollen wissen: Egal, was an dem Wochenende sonst noch passiert—in der Grellen Forelle findet ein Clubabend auf hohem Niveau statt.

Die Grelle Forelle feiert das gesamte Wochenende ihren dritten Geburtstag. Mit Skudge live, Gilles Peterson und einem Appolonia Showcase. Hier gibt es das gesamte Programm.

Für lahme Meinungen folgt Jonas auf Twitter: @L4ndvogt

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