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Die guten und schlechten Überraschungen des gestrigen Trailerpark-Konzerts

Ich war gestern am Trailerpark-Konzert in Wien und war verblüfft wie cool alles war. Außer einer Sache.

Ich bin schon seit gut drei Jahren Trailerpark-Fan, habe sie aber noch nie live gesehen. Das liegt unter anderem daran, dass ich Menschenmengen meide und mir meine Dosis Asozialität per Kopfhörer vollkommen ausreichend ist—meistens. Wer Trailerpark nicht kennt: Sie haben richtig asoziale, politisch unkorrekte Texte und schaffen es trotzdem (zumindest in manchen Tracks) intelligent zu wirken. Eine meiner besten Freundinnen hat mir zu Weihnachten zwei Tickets für die „Sexualethisch Desorientiert“ Tour geschenkt. Also eigentlich wollte sie zum Konzert und hat einfach Begleitung gebraucht. Ich war dem Konzert gegenüber eher negativ eingestellt weil: 1) Ich finde das neue Album Crackstreet Boys 3 so lala, heißt, bis auf drei Tracks gefällt es mir nicht. 2) Nach dem Alligatoah so Mainstream geworden ist, dass ein Track von ihm ein Robin Schulz Bootleg wurde, hatte ich Angst vor kreischenden 14-jährigen Mädchen. Und davor, dass die Band untergeht und Alligatoah in den Vordergrund gestellt wird. Aber gut, Opportunist wie ich einer bin, haben wir einfach mit einem Wein Marke „Grad-nicht-Tetra Pak“ den Abend gestartet. Und das neue Album auf maximal Volume mitgegröhlt.

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Dort angekommen gab es die ersten Überraschungen. Es gab eine riesige Schlange (ich habe die Fanschaft von Trailerpark in Österreich auf ganze 79 Menschen geschätzt), das Alter belief sich von 12 bis 40 und der Mann/Frau Anteil war sagen wir, 65 zu 35. Und die Mädls die da waren? Keine Alligatoah-Kreischtussis. Das waren Trailerpark-Fans, also eh wie meine Freundin und ich. Eine inhomogene Gruppe an Alter, Geschlecht, Schicht und Bildungsstand. In der Schlange haben wir uns mit einem Jus- und einem Physiotherapie-Studenten, die an die 25 waren, unterhalten. Sie haben, genau wie wir, auch auf alte Schmankerl von den Jungs gehofft und weniger auf das neue Album. Und es hat mich geflasht. Keine Schulabbrecher? Keine verkommenen Gestalten? Das erste Mal ist mir ein Licht aufgegangen: Ich weiß ja gar nicht, wer außer uns Trailerpark so hört. Welche Art von Mensch findet diese Band gut und witzig? Von anderen Rap Konzerten war ich eher so „Brudas“ und „Kollegas“ gewohnt, aber das hier, das war anders. Ein Querbeet an Menschen die ihr Ventil, wie wir, in Trailerpark fanden.

Als Vorband fungierten, ganz ökonomisch wie die Jungs sind, zwei Mitglieder von Trailerpark. Sudden, der mit Anzug rappte und Battleboi Basti, der irgendwie immer Vorband ist wenn Alligatoah auch nur hustet ( Weil ich darauf aufmerksam gemacht worden bin: Battleboi Basti ist kein Mitglied von Trailerpark, ist aber sehr oft bei den Jungs dabei). Von Sudden habe ich kein Foto, weil ich ihn gierig angaffen musste—sorry Anzüge und Rap sind meine Todesmischung. Nächste Überraschung des Abends? An jedem Ausgang stand ein Bulle. Das hat sich irgendwie auf unsere angesoffene Stimmung ausgewirkt, und man hat gesehen, dass der Saal an sich unrund war. Kein süßlicher Geruch schon zur Vorbandzeit—fast untypisch für Rap Konzerte. Ob sie also wegen dem Cannabis da standen, oder weil Trailerpark Konzerte für das blutige Pogen, sich auf die Fresse schlagen und sich asozial bis zur Besinnungslosigkeit zu machen berühmt sind—man kann nur raten. Jedenfalls gab es schon zur Vorbandzeit an die vier kotzenden Leichen, die auf der Seite des Saals gelegen sind.

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Drei Dinge verbanden die bunt durchgewürfelten Fans: Erstens, alle, und mit alle meine ich alle, waren auf die eine oder andere Art zu. Zweitens, waren offensichtlich alle da um den mehr oder minder versteckten Asozialen in sich rauszulassen. Und drittens: DAYUM waren alle gut aussehend! Die Jungs und die Mädls. Ganz ehrlich, ich hätte das nie gedacht, aber die Menschen waren schön. Und in Flirtlaune. Schöne Menschen mit Trailerpark-Humor? Come to Momma.

Wir haben beschlossen, dass wir zu alt fürs Pogen sind und deshalb sind wir auf der Seite des doch vollen Saals geblieben. Und dann ging es los mit dem Konzert. Und es war großartig. Wirklich, wirklich großartig. Erstes Lied zum totalen Abgehen? „Falsche Band“, yo. Und dann kam „Fledermausland“—ein älteres, asoziales und wirklich superes Lied. Ich bin abgegangen—alle übrigens. Die Polizei verschwand ( Danke an die Alkoholleichen), der Saal füllte sich mit süßlichem Rauch und alles war beim Alten. Vorne und in der Mitte pogten ein paar Leute, aber das ist keinen Satz wert, viel mehr hüpften und tanzten die Menschen ausgelassen. Als dann zusammen kollektiv „DIE SOZIALE UNTERSCHICHT VOLLZIEHT DIE PAARUNG UNTER SICH“ gebrüllt worden ist, habe ich die Liebe des Saals gespürt und das kann nur ein bisschen am fünften Spritzer liegen. Übrigens finde ich die Preise im Gasometer immer aufs Neue belustigend, aber irgendwie betrinke ich mich trotzdem jedes Mal.

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Als dann „Dick Sucken“ gespielt worden ist, habe ich das Herrliche an dem Lied erst verstanden. Es ist zwar nicht gut, aber wenn an die 500 Menschen, und davon 65% Männer, „LASS MICH DOCH DICKS SUCKEN- WO IST DAS PROBLEM“ brüllen – dann ist das wundervoll für die Entwicklung des Deutschraps. So wie es uns Bass Sultan Hengzt gerade mit seinem neuen Albumcover zeigt. Alte Sachen wie „Schlechter Tag“ wurden mit neuen wie „Koks auf Hawai“ gemischt. Ich fands super. Zwischen den Liedern haben sie immer gequatscht, keiner hat sie verstanden, egal war trotzdem geil. Die Jungs waren übrigens im Anzug, denselben den man in „Bleib in der Schule“ betrachten kann. Hrrrm. So dann kam relativ schnell das obligatorische „Tschüss Wien“ und von uns das obligatorische „ZU-GA-BÄH“, wobei das total lächerlich ist, weil sie an die drei große Songs noch nicht gespielt haben und natürlich klar war, dass es nach 45 Minuten nicht vorbei ist.

Und dann kamen sie wieder, auferstanden aus dem Backstage, und sie spielten „Trostpreis“. Ich musste feststellen, dass ich nicht der einzige Fan bin, der durch „Trostpreis“ auf Trailerpark gekommen ist. Trotzdem war es unerwartet, und Grund genug ins minutenlange Kreischen zu verfallen—für mich und den ganzen Saal. Dann kam der Tiefpunkt des Abends. Ich möchte an dieser Stelle sagen: Pfui Alligatoah. Pfui Jungs. Damit meine ich nicht die frauenfeindlichen, sexistischen, drogenzentrierten Texte—nein, die sind okay—sondern „Willst du mit mir Drogen nehmen“. COME ON! Dass ist ein Trailerpark Konzert, wirklich bringe es als Vorband oder bringe es gar nicht. Ich meine, ich bin eh auch abgegangen und ich hab eh auch alles mitgerappt. Aber rein moralisch war ich als Fan schon gekränkt. Weil Trailerpark so viel mehr und so viel anders ist als Alligatoah.

Dann kamen noch so Sachen wie „Selbstbefriedigung“ und das letzte Lied war „Bleib in der Schule“—alle (Hobby-)Assozialen streckten die Brust raus, umarmten sich und sangen fast schon sakral „Wir haben in der Schule geraucht, und jetzt sieh uns an“. Super. Verabschiedet wurden die Jungs dann mit „Can’t you feel the love tonight“ und einem Meer aus Feuerzeugflammen. Es war ergreifend-romantisch. In der U-Bahn Station haben wir die Jungs von vorhin getroffen, die ein Foto machen wollten und auch zufrieden waren. Alle waren zufrieden, es hat also schon gepasst. Live sind sie wirklich solide, das neue Album ist sogar besser wenn es laut in einem Saal gegröhlt wird. Aber he, „Willst du mit mir Drogen nehmen“, nein will ich nicht Alligatoah. Es sei denn, ich bin auf deinem Konzert. Und das war ich nicht. Pfui, nochmal.

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