Die Grelle Forelle schwimmt wieder

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Rudis Brille

Die Grelle Forelle schwimmt wieder

Der ursprünglich einmal angekündigte Umbau wurde auf Eis gelegt, der Club blieb in seiner Größe bestehen, er wurde aber sanft gerelauncht.

Auf kaum eine Wiedereröffnung hatte die Wiener Szene so inbrünstig gewartet, wie auf die der Grellen Forelle. Als der Club im Juli für drei Monate geschlossen hat, hinterließ er ein großes Loch, das die anderen Locations nicht annähernd zu schließen wussten. Ja, die Zeiten haben sich geändert in Wien: Die Goldgräberstimmung im Clubbusiness ist vorbei und vorbei ist auch der Zuzug der deutschen Studenten—ja, sogar vom Ende des "Wienhypes" ist in der kleiner werdenden deutschen Community zu hören. Dazu kommen teilweise horrend exorbitante Gagen der internationalen DJ Elite im Bereich Techno/Techhouse. Da braucht es einen Club, eine Homebase, die die kleiner werdende Community quasi eint—wie das Flex damals​ in seinen besten Tagen.

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Foto von Stefanie Katzinger

Das kann man derzeit von der Forelle getrost behaupten. Sicher, der Club steht wahrscheinlich von allen finanziell am unabhängigsten da, doch irgendwann muss sich das Projekt in der Spittelau auch wirtschaftlich rechnen. Dass dies nun nach der renovierungsbedingten Sommerpause​ gelingen wird, kann und sollte angenommen werden.

Der ursprünglich einmal angekündigte Umbau wurde jedenfalls auf Eis gelegt, der Club blieb in seiner Größe bestehen. Er wurde aber sanft gerelauncht: Dem kalten Estrich wich ein schicker, dunkler Parkett—Mut zum Risiko. Mal sehen, wie stabil er dem Partywahnsinn trotzt. Schön anzusehen ist er in jedem Fall. Auch soundtechnisch soll er besser ins Konzept passen und den Sound der wuchtigen Anlage​ besser hörbar machen. Die Toiletten wurden mehr und runderneuert. Eine Maßnahme, die man einigen Läden der Stadt dringlichst raten würde. Unverwüstlicher Nirosta dürfte nun dem Zahn und den Ausscheidungen der Zeit besser Widerstand leisten als die alten Modelle.

Im großen Raum befinden sich neue stylische Abstellflächen, im Vorraum eine kleine Cocktailbar,​ aber ansonsten blieb die Forelle die Forelle. An Sound und Licht wurde weiter in Richtung Perfektionismus gefeilt—auch hier steht der Fisch aber ohnehin schon längst ganz oben.

Ganz oben steht er auch schon seit einiger Zeit beim Booking. Starke Eigenformate und ambitionierte Fremdveranstalter, die aber stets auch angehalten werden, innovativ zu sein, machen das Erfolgsrezept aus. Sicher, der Schwerpunkt liegt auf Techno, aber auch starke Psytrance​ und Drum'n'Bass-Schienen finden statt—nicht zu vergessen ist auch die immer höher werdende Konzertschlagzahl.

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Die Linie des Clubs stimmt. Auch die politische Ausrichtung ist klar​—man ist auf der Seite der Menschlichkeit, der Offenheit—was auch der immer wiederkehrende Hashtag #bussi untermauern soll. Man artikuliert seine Meinung, man ist nicht angepasst—ein äußerst mutiger Schritt—diverse Shitstorms​ der letzten Jahre geben davon Ausdruck.

Foto vom Autor

Ja, und dann war ja noch die Geschichte mit der Heute. Eine sagenhaft uninformierte—ich behaupte sogar gefährlich faule—"Journalistin" schrieb eine Meldung​​, in der so ziemlich nichts stimmte. Man erfand einen 18-jährigen Asylanten und ein Konzert, das nie in der Forelle—weil geschlossen—stattfand. Fertig war die Retourkutsche des Jahrhunderts an sensationsgeilen Boulevardjounalismus. Das Posting ​hat heute schon Kultstatus. Fast 20.000 Likes gegen hetzerisch falsche Berichterstattung und seine verbreiteten Inhalte zeigen, dass es doch noch so etwas gibt, wie eine wachsame Zivilgesellschaft, die nebst Feiern auch bewusst Falschinformationen ablehnt.

Das Feiervolk verblödet einem doch noch nicht unter der Hand. Trotz Instagram und Snapchat und all den anderen textlosen Bilderlawinen—​es denkt noch ein wenig mit. Eine Tatsache, die sich die Verbreiterin des fälschesten Artikels seit es Heute gibt, vielleicht als Kalenderspruch auf ihren Tisch stellen sollte, wenn sie denn noch weiter ihre Ergüsse preisgeben darf. Ich hätte dazu ja eine Privatmeinung. Eine bessere Promotion hätte es aber wohl kaum für das Eröffnungswochenende geben können, auch wenn das niemand vom Forelle-Team so gewollt hatte. Schon um 23:00 Uhr wuchs die Schlange vor der Tür an, um halb 12 war sie beim Hinterausgang des Werk​ angekommen, das sich sicher auch freute, dass der große Bruder wieder aufsperrte. Man fühlte sich sonst doch etwas alleine da oben in der windigen Spittelau.

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Es winken gute Zeiten für die Grelle Forelle. Das Booking im Oktober​ lässt Technofreunde dahinschmelzen: Âme, Seth Troxler, Technasia oder Dubfire sind nur einige Namen. Dazu viele Konzerte (Mykki Blanco!) und kein Ende in Sicht für die nächsten Monate. Fast ein wenig unter im nebulosen Gedächtnis ging dabei der Auftritt von Recondite, zu viele Hände mussten geschüttelt, zu viele Wangen gebusselt werden, "viel los" war noch ein Kosewort.

In der Grellen Forelle darf man keine Fotos machen. Das ist ein Symbolbild von VICE Media

Bleibt zu hoffen, dass die Garderobe und die Lüftung dem Ansturm standhalten und dass auch die Sommermonate das Partyvolk anlocken. Die Toleranzgrenze der Spittelauer Nachbarn​ ist ja doch noch ausbaufähig. Und dann mag man auch augenzwinkernd darüber hinwegsehen, dass man im Wiener Zeitungs-Interview​ generös erklärt, man solle als Club in Wien besser keine Förderungen beantragen, das Steuergeld sollte sinnvoller genutzt werden, man müsse es auch ohne schaffen. Jo eh, wenn's immer so einfach wäre. Abgesehen davon, dass es ohnehin die wenigsten tun, weil es eh nichts mehr gibt. Aber bekanntlich gibt es ja ab 2017 keine Vergnügungssteuer mehr​, das wird sicher jedem zugute kommen.

Die Forelle jedenfalls wird sicher—​sollte die eigene vorgegebene Niveaugrenze nicht verlassen werden—​noch für einige Zeit weiter in Wien die Art vorgeben, wie moderne Undergroundclubkultur aussehen sollte. Die Erinnerungen an jene Kultur sollten wir jedenfalls stets im Kopf behalten, dort sind sie sowieso besser aufgehoben als auf einem unerwünschten Foto,​ auf dem man eh nichts sieht.

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