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Eine Typologie der Wiener Studentenfestl

„Auf allen Studentenfesten spielt es schlechte Musik und es wird wie gestört gesoffen?" Stimmt vermutlich. Wir lieben sie trotzdem.

Foto: David Bogner

Ein kluger Mensch hat einmal zu mir gesagt: „Auf allen Studentenfesten spielt es schlechte Musik. Und es wird wie gestört gesoffen." Als ich begann, mein Wissen über Studentenpartys zusammenzutragen, um diesen Artikel zu schreiben, war ich der festen Überzeugung, dass ich diese Aussage ganz fundiert widerlegen könnte. Um es vorweg zu nehmen: Ich bin kläglich gescheitert. Aber wisst ihr was, das ist auch gar nicht weiter schlimm, denn seien wir doch ehrlich: Weder der Sauf-Aspekt noch der Scheiß-Musik-Aspekt dieser Aussage bedeutet, dass man auf Studentenfest nicht eine ganz besondere, perfide Art des Spaßes erleben wird.

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Im Zuge meiner hochgradig investigativ-journalistischen Recherche konnte ich zudem durchaus feststellen, dass sich die Wiener Studentenfestl der verschiedenen Studienrichtungen, abgesehen vom Ur-Instinkt-artigen Grundgedanken, stark voneinander unterscheiden. Hier nun also mein geballtes, leicht subjektives Wissen über einige Studienrichtungen und die dazu gehörenden Studentenfeste:

Medizin und Jus

Keine Ahnung woran es liegt, aber aus irgendeinem Grund haben sich speziell die Partys der Mediziner und Juristen in Wien zu einer Art Pseudo-Miami-Festln entwickelt, bei denen V-Ausschnitt tragenden Bros gerne Mini-Kleidchen tragenden Mädchen mit Champagner duschen. Oder zumindest vorgeben, so was manchmal zu tun. Gut, vielleicht war das auch schon immer die Stärke dieser beiden Studienrichtungen. Aber aktuell scheint es tatsächlich so, als könnten die Mediziner/Juristen den Wirtschaftler womöglich tatsächlich ihre Prolo-Party-Krone streitig machen.

Ich fühle beim Anblick dieser Med&Law-Exzesse auch immer dazu gezwungen, mir vor Augen zu führen, dass der Kerl, der da drüben gerade auf dem Tisch steht und einen Korken durch den Raum schießt, in einigen Jahren womöglich der Chirurg sein wird, der an meinen Organen herumschnipselt. Und das Mädchen, dass am anderen Ende des Raumes gerade ihre halb-blanken Backen vor die Linse des Partyfotografen hält, vielleicht irgendwann Oberstaatsanwältin sein wird. Und ich weiß nie so wirklich, ob mich dieser Gedanke zum Lachen oder zum Weinen bringen soll.

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Kunst

Überlegen wir mal, wie man in Filmen klassischerweise Feiern auf Kunstuniversitäten darstellt: Baskenmützen tragende Pseudointellektuelle, die Wein saufen und zeitgenössischer klassischer Musik oder Freejazz-Platten lauschen. Denen von euch, die in der Realität leben, muss ich vermutlich gar nicht erklären, dass die Stereotype in diesem Fall ziemlicher Bullshit sind. In der echten Welt sind die Feiern, die auf Kunstunis stattfinden, wesentlich brachialer. Die Kunst-Studenten, die ich kenne, leeren viel lieber halbwarme Bierdosen als Weingläser und feiern auch ansonsten alles andere als gediegen.

Das soll aber nicht bedeuten, dass auf den Studenten-Partys nicht trotzdem pseudo-künstlerische Dinge passieren. Das letzte Mal, als ich bei einer Studentenparty auf der Uni für angewandte Kunst war, landete ich irgendwann in einem Raum, in dem—neben eine gefühlten Milliarde Bierdosen—ein paar Leute mit zwei alten Synthesizern und einem Schlagzeug standen, die wie Wahnsinnige möglichst abartige Sounds aus den Instrumenten prügelten. Es hat vielleicht fünf Minuten gedauert, dann habe auch ich ein Synthesizer-Solo gespielt. Es hat wirklich unglaublich scheiße geklungen. Trotzdem waren es vermutlich die einzigen 20 Minuten meines Erwachsenen-Daseins, in denen ich mich wie ein wahrer Künstler gefühlt habe. Später hat dann ein Kunststudent eine lebensgroße Karikatur von mir an die Wand geschmiert. Kurz gefasst: Kunst-Uni-Feste sind definitiv seltsam, aber unterhaltsam.

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Sozialwissenschaften

Ehrlich gesagt ist mein Wissen über die Studentenpartys der Sozialwissenschaftler begrenzt. Natürlich ist mir zu Ohren gekommen, dass Psychologen angeblich feiern, als würden sie eigentlich selber einen Psychologen benötigen. Ähnliches gilt auch die Soziologie-Abteilung. Worüber ich euch aber wirklich berichten kann, sind die Partys meiner eigenen Studienrichtung: Publizistik.

Ich glaube dass die „Auf Studentenfesten wird prinzipiell wie gestört zu Scheißmusik gesoffen"-These tatsächlich zu 95 Prozent auf dem Wiener Publizistik-Fest beruht. Die Party war in meiner Wahrnehmung immer ein bisschen die Dorfdisco unter den Studentenfesten. Langjähriger Austragungsort dieses Gemetzels war der Wiener Ost Club, und ich bin nicht ein einziges Mal freiwillig dort hingegangen. Trotzdem war ich immer dort.

Wenn du zu der Sorte Mensch gehörst, die mit Vorliebe 15 Barcadi-Cola und ein Dutzend Shots in sich reinschüttet, während im Hintergrund „Summer of 69", „Wonderwall" oder gar „Gasolina" läuft, dann wirst du dich am Publizistik-Fest wohlfühlen. Ich persönlich traue mich mittlerweile laut zu sagen: Ich verfluche dich, Publizistik-Fest. Dich, deine Discoparty-Musik und die beschissen lange Schlange vor deiner Tür, in der ich mir aus Gruppenzwang den Arsch abgefroren habe. Auf sehr verschobene Art und Weise bist du mir aber auch sympathisch, und vermutlich werde auch ich mich schon bald wieder in der Schlange vor deiner Türe anstellen.

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Sport

Die gute Nachricht: Sportstudenten sind prinzipiell Menschen wie du und ich. Ich habe auch noch nie erlebt, dass sie auf Partys Bierdosen an ihren Wachbrettbäuchen zerdrücken oder ähnlich klischeehaften Scheiß machen. Bevor ihr euch aber auf eine ihrer Partys wagt, solltet ihr euch einer Sache definitiv bewusst sein: Sie sind im Normalfall verdammt viel fitter als ihr.

Fitter bedeutet in vielen Fällen auch trinkfester, und das bedeutet wiederum, dass du, als gewöhnlicher, konditionsbefreiter, permanent Süßigkeiten und Chips fressender Mensch beim Feiern ab irgendeinem Grad nicht mehr mithalten wirst können. Noch schlimmer: Du wirst ab einer gewissen Uhrzeit schlicht und ergreifend untergehen. Aber wenn du es schaffst, dich nach drei Uhr morgens noch auf den Beinen zu halten, stehen deine Chancen sensationell hoch, dass du jemanden abschleppen wirst, der nackt ziemlich gut aussieht. Nun musst du selbst abwägen, ob du dieses Spiel mit dem Feuer eingehen willst.

Technische Fächer

Auch bei den Technischen Studienrichtungen gibt es einige Klischees, die ich an dieser Stelle gerne widerlegen wollte. Ich fürchte, davor muss aber noch ein paar Klischees bestätigen: Ja, auf den Festen der technischen Studiengänge sind ein Haufen Nerds zu finden. Und verdammt, auf ihren Partys läuft richtig beschissene Musik. Technik-Uni-Feste heben den Discoparty-Grundgedanken, den wir bereits vom Publiziskfest kennen, auf ein ganz neues Level.

Man muss die angehen Ingenieure, Physiker oder Informatiker aber nichts desto trotz für ihre Art zu feiern lieben. TU-Studenten gehen ans Limit. Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen noch vor zwei Uhr auf den Tischen stehen werden, liegt hier bei gut 85%—ein Wert, von dem andere Studienrichtungen nur träumen können. Ich persönlich verehre die Techniker aber primär für eines: ihre hochexpressionistischen Tanzstile. Wenn ich euch zum Schluss noch eine Sache mitgeben kann, dann: Unterschätze niemals das Dancemove-Repertoire eines Architektur-Studenten. Es ist schlichtweg unerschöpflich.

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