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Sorry, Deutschland aber du bist das Seniorenheim für ehemalige Weltstars

Es hat sich offenbar herumgesprochen, dass man in Deutschland noch ein paar CDs verkaufen kann, wenn der Erfolg vorbei ist.

Kennt ihr noch Caught in the Act? Das ist diese Boyband, die im Gegensatz zu Take That wirklich scheiße war. Eigentlich hat ja fast jeder früher vorgetäuscht, die tanzenden Hampelmänner von *NSYNC bis zu den Backstreet Boys komplett abzulehnen. In Wirklichkeit jedoch ist man zu dem ein oder anderen Song durch sein Zimmer gehüpft und hat den Part von Toni Cottura mitgerappt („Boom bomm boom, its the Fun Factory!“). So war das. „Bye Bye Bye“ zum Beispiel ist immer noch ein Garant für gute Stimmung, zumindest nach dem vierten Sangria-Eimer. Und manchmal erinnert man sich sogar wehmütig an die Zeit zurück, als Justin Timberlake noch eine Frisur hatte, die an chinesische Trockennudeln erinnerte.

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Nicht so bei den vier Holländern, die man in der Grundschule auch gern „Kotz in die Ecke“ nannte und sich dann köstlich amüsierte. „Love Is Everywhere“ ist definitiv—auch exakt 20 Jahre später—einer der grusligsten Songs der Musikgeschichte. Und nun also diese Schreckensmeldung: Drei der vier ehemaligen Teenie-Stars wagen ein Comeback. An Silvester. In Berlin. Vor dem Brandenburger Tor.

Eigentlich eine logische Entscheidung, schließlich spielen dort meist Künstler, die danach nur noch von Autohäusern gebucht werden. Aber genug rumgehackt auf den armen Jungs, die eigentliche Frage ist doch: Warum wir? Warum immer Deutschland? Es hat sich offenbar herumgesprochen, dass man in Deutschland auch noch ein paar CDs verkaufen kann, wenn der Rest der Welt längst vom Ableben des Künstlers überzeugt ist. Katie Melua etwa darf andauernd in deutschen TV-Shows ihr Lied von den fünf Millionen Fahrrädern trällern und nie werden die Moderatoren müde sie als „Megastar“ anzupreisen. Naja, letztes Jahr wurde immerhin ein Asteroid nach ihr benannt. Insofern ist es nur konsequent, wenn ehemalige Popstars sich in Deutschland ein paar Euros dazu verdienen. Menschen wie Cliff Richards oder SNAP! touren (gefühlt) ununterbrochen durch das Hinterland. David Hasselhoff wurde jüngst eingeflogen, um die letzten Reste der Berliner Mauer zu retten und torkelte kurz darauf durch eine National Geographic-Doku über den Mauerfall. Dort erklärt er Amerikanern, wie das damals so war. In Berlin. Als er die Mauer zum Einstürzen brachte. Danke dafür.

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Comebacks an sich sind ja keine schlechte Sache. Nur leider werden die wirklich ersehnten Rücktritte vom Rücktritt meist nichts. Das durften die deutschen Fans dieses Jahr am eigenen Leib erleben. Die Comeback-Tournee des Wu-Tang Clans etwa war mit ziemlicher Sicherheit eine der größten Frechheiten des Konzertjahres. Bis auf die Hersteller von Hennessy hat einfach niemand von diesem Desaster profitiert.

Andere, bereits geplante Comebacks, kamen erst gar nicht zustande. Wobei nicht immer klar ist ob zum Vor- oder Nachteil der Fans. So hatten sich für 2015 etwa die Spice Girls, WHAM! und Blur angekündigt. Keine Angst, nicht gemeinsam. Für eine Europa-Tournee reicht es da sicherlich noch und die Spice Girls dürfen auch bestimmt bei Oliver Geissens großer Chart-Show auftreten. Trotzdem wartet man bisher vergebens. Auch Boyzone und die Black Eyed Peas wollen es demnächst angeblich nochmal miteinander versuchen. Immer hereinspaziert in die gute Stube. Markus Lanz, ich hör' dir trapsen.

Und dann gibt es noch die Acts, die jedes Jahr ein Comeback feiern. Die No Angels etwa. Kim Frank von ECHT. Oder unser Lieblings-Crackhead DMX. Und wir alle können uns sicher sein: Wenn sie kommen, kommen sie zuerst nach Deutschland, dem Seniorenheim für Ex-Stars. Hier wird bereitwillig jeder aufgenommen, der irgendwann mal außerhalb Deutschlands ein wenig Erfolg hatte oder einen goldenen BRAVO-Otto sein Eigen nennt. Denn der Deutsche hat nichts lieber als angebliche Weltstars, die in gebrochenem Deutsch davon erzählen, dass sie sehr gerne Würste essen und eine Oma haben, die im 19. Jahrhundert mal in Reutlingen war.

Und wenn Sandra Bullock darauf keinen Bock mehr hat und sogar Diane Kruger sich verweigert, dann holen wir uns eben den Typ, der früher in Dallas mitgespielt hat. Das Rad muss sich weiter drehen, irgendwann merkt schließlich auch die letzte ZDF-Oma, dass Katie Melua extrem öde ist. Also lasst uns die Arme öffnen und sie alle bereitwillig aufnehmen. Eine Willkommenskultur für gescheiterte Künstler, das ist es, was dieses Land auszeichnet. An dieser Stelle auch noch mal eine dicke Entschuldigung an Caught in the Act, auch ihr habt es verdient zu leben. Alles halb so schlimm. Ich freu mich schon darauf, wenn Lady Gaga 2018 zur Verleihung der Goldenen Henne kommt.

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