Es gibt eine amerikanische Musical-Serie über Techno-Berlin—und sie ist fiktiver als 'Game of Thrones'

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Es gibt eine amerikanische Musical-Serie über Techno-Berlin—und sie ist fiktiver als 'Game of Thrones'

Berlin mag nicht so geil sein, wie alle behaupten, aber "Lost Generation" ist schlimmer.

Links Phil mit seinem Geweih, rechts Kasha, die mit einem angesagten DJ zusammen ist. Foto: Screenshot aus dem Youtube-Video "Lost Generation ft. Katie Findlay | Episode 1 | Watch Only On GO90 " von Newform

Clubszenen in Filmen oder Serien haben oft etwas Befremdliches. Meistens sind sie meilenweit von realen Erfahrungen entfernt und gleichen einem Stereotyp. Ein anschauliches Beispiel dafür liefert jetzt Lost Generation, eine neue Musical-Serie aus den USA, die in Berlin und vor allem den dortigen Clubs spielt. Vergangene Woche lief die erste Episode der Serie. Sie dreht sich um Hannah Cooper, eine junge Amerikanerin, die für ein paar Tage nach Berlin kommt, um ihren seit ein paar Wochen vermissten Freund Russell zu suchen. Sie wohnt in seiner WG, zusammen mit Amir und Phil, die offenbar nichts anderes machen, als in Clubs zu gehen. Im weiteren Verlauf offenbaren sich eigenwillige Ansichten über Berlin und das hiesige Nachtleben.

Die coolen Clubs liegen in bisher unerschlossenen Stadtteilen

Kurz nach ihrer Ankunft wird die Protagonistin Hannah von Russels Mitbewohner Amir mit in einen Club genommen. Zuvor muss der aber noch sein One-Night-Stand abservieren, eine blonde, unempathische Russin namens Luna, mit entsprechenden Akzent und Wodka-Flasche in der Hand.

Amir lässt die stereotype Osteuropäerin lässig mit den Worten "Daraus wird sowieso nichts" links liegen und verlässt gemeinsam mit Hannah die riesige Wohnung, die von Außen aber mehr nach Idylle in Südfrankreich als nach Berlin aussieht. Sie gehen anschließend durch einen Stadtteil, der nur schwer zu erkennen ist. In einer Szene erkennt man ein Straßenschild: Hirschgartenstraße. Die liegt in Berlin-Friedrichshagen. Friedrichshagen? Sind da nicht die coolen Berliner Clubs wie Berghain, Renate und about:blank? Ach nein, das war Friedrichshain.

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Vor dem Club sieht man einige hippe junge Leute, der Türsteher öffnet sofort die Tür und zack, sind die beiden in einem Laden, der wie die Wilde Renate aussieht—die wirklich in Berlin-Friedrichshain beheimatet ist.

Berliner DJs verhalten sich wie EDM-Stars

Auf der Tanzfläche—von welchem Club auch immer—ist unsere Protagonistin von den zahlreichen Reizen überfordert. Überall Lichter und dazu Electro-Pop-Musik, die zumindest nicht zum gängigen Berliner Club-Sound gehört, denn der ist Tech-House. Als die Kamera auf den DJ fällt, hebt dieser seine Hände. Nicht auf eine sympathische Art, sondern auf diese "Ich bin ein geiler Macker"-Art.

Berliner Clubbesucher tragen Hirschgeweihe

Arschgeweihe sind in Berliner Clubs hin und wieder zu finden, aber Hirschgeweihe sind doch eher selten. Ein solches trägt aber Phil, als Hannah und Amir ihn antreffen. Er ist natürlich voll zua, wie seine platonische Freundin Kasha, die den coolen DJ von eben liebt, erzählt. Eine Szene später ist Phil völlig klar und fokussiert. Sie reden über ihren verschwundenen Freund Russell. Es folgen einige platte philosophische Ausführungen darüber, dass Berlin aktuell wie Paris in den 20er Jahren oder Prag in den 90ern sei. Deshalb will Phil Hannah überreden länger zu bleiben. Ob sie es machen wird, verrät die erste Folge nicht, aber es ist davon auszugehen, sonst wäre die Serie schon nach einer Episode vorbei. Wobei das eigentlich nicht schlecht wäre.

Mit 8.000 Euro pro Jahr kannst du in Berlin ein Lotterleben führen

Als Phil Hannah wegen ihrer spießigen Angewohnheit, regelmäßig zu arbeiten, anklagt, erwähnt er, dass Phil lediglich 8.000 Euro im Jahr brauche, um dieses geile Party-Leben zu führen. Für ihn nebensächlich ist dabei, dass er keine Miete bezahlt. Aber auch fernab davon ist es reichlich absurd, dass ein Vollzeit-Partymacher mit derartig wenig Geld auskommt. Allein das Geweih muss doch schon ein Vermögen gekostet haben!

Wer zu viel feiert, verschwindet vielleicht eines Tages

Direkt zu Beginn der Folge sieht man den vermissten Russell, wie er auf der Tanzfläche eines Clubs steht, in die Kamera blickt und winselt: "Help Me". Seine Feier-WG hat ihn offenbar ins Verderben gestürzt, so dass er verloren gegangen ist. Die Macher der Serie offenbaren damit ein sehr wörtliches Verständnis des durchaus zu beobachtenden Umstandes, dass viele Menschen in Berlin "lost gehen". In der Regel bedeutet es einfach, dass viele in die Hauptstadt kommen und die Kontrolle verlieren. Sie verschwinden dann nicht, sondern landen in beschissenen Jobs und wohnen ewig in WGs. Auch nicht schön aber immer noch besser als  Lost Generation. Unten kannst du dir die erste Folge in komplette Länge ansehen. Oder es sein lassen.

Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP erschienen.

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