FYI.

This story is over 5 years old.

z sides

Britney Spears hat einen Antwort-Song auf „Cry Me A River“ geschrieben, den ihr noch nie gehört habt

„Mona Lisa“ war Britneys eigentlich Antwort auf „Cry Me A River“. Eine Antwort, die ihr von ihrer Plattenfirma verboten wurde.
Ryan Bassil
London, GB

Sogar die allergrößten Weltstars haben Songs, von denen du noch nie etwas gehört hast. In unserer Serie Z-Sides kramen wir jene musikalischen Perlen heraus, von denen nur Hardcore-Fans jedes Wort kennen. Dieses Mal ist es an der Zeit für Britney, bitch!

Der temporäre Verlust von Britney Spears' Mähne war wahrscheinlich der ausschlaggebende Moment, an dem die übercleane TRL-Popszene zu sterben begann. Ihre mutige wie absurde Frisurenwahl flimmerte über TV-Bildschirme rund um die Welt und flüsterte sich über jeden Schulkorridor, irgendjemand namens Chris Crocker wurde sehr emotional und alles, woran wir bis dato geglaubt hatten, wurde einfach kahlrasiert und weggeworfen—zack, aus die Maus. Um das nicht zu vergessen, höre ich mir deshalb jedes Jahr im Februar „Everytime“ an und massiere dabei meine Kopfhaut.

Anzeige

Niemand weiß so recht, warum Britney an jenem Abend im Februar 2007 die Entscheidung traf, sich von ihren Haaren zu trennen. Vielleicht stand sie unter Drogen, vielleicht war der Druck ihres andauernden Sorgerechtsprozesses zu groß, vielleicht wollte sie auch einfach nur die Weichheit nach einem frisch getrimmten Haarschnitt spüren. Wie auch immer, jedenfalls war jene überschwängliche Berichterstattung—und die Tatsache, dass manche Leute noch Jahre später neue „Fakten“ zu diesem „Fall“ zusammentragen—Zeugnis der Bedeutsamkeit von Britney Spears als Mensch.

Das Ding ist, dass Britney wohl eine der widersprüchlichsten Personen der Popkultur ist. Erst war sie die zuckersüße Jungfrau, die Lollie leckend und an Bonbon-Halsketten lutschend durch das das Haus schwebte, während ihr ein geduldiger Justin Timberlake dabei zusah. Als sie dann plötzlich mit gefährlich tiefgezogenem Slip auf dem Cover von Esquire posierte, erklärte sie den aufgeheizten Reportern, dass sie ihnen bezüglich der männlichen Obsession von Jungfrauen nicht widerspreche, sondern einfach bisher noch keinen Gedanken daran verschwendet habe. Ihre Kahlrasur markierte optisch das Fragezeichen, das über ihrer Karriere hing—wer war Britney Spears, was repräsentierte sie und vor allem: Hatte sie sich jemals unter Kontrolle?

Foto: © Randee St. Nicholas

Sie selbst wirkt, als sei sie sich ihrer Wirkung am wenigsten bewusst, scheint gleichzeitig aber jeden Schritt zu bedenken. Schulmädchen sahen zu ihr auf, ihre Brüder schlossen sie in ihre feuchten Träume ein, ihre Lehrer dachten, sie sei alles, was mit Frauen in den Medien schief läuft, der Schuldirektor träumte von schmutzigen Nachsitz-Stunden und die schwule Studentenverbindung hielt sie für just fabulous. Je nachdem, wen man also gefragt hätte, hätte man unterschiedlichste Versionen von Britney bekommen. Aber während sie immer Alles für Jeden war, war sie jemals wirklich sie selbst? Vor zehn Jahren versuchte sie es—und wurde gnadenlos stumm geschaltet.

Anzeige

Im Dezember 2004, drei Jahre vor ihrem Frisurenwandel, brachte sie ungebeten einen

Track zu einer Radiostation

und bat darum, ihn zu spielen. Es war ihr Schritt zur Selbstverwirklichung, ein Versuch, für sich selbst zu sprechen, ohne dass ihr Recordlabel sie kontrollierte. Es war ein paar Tage vor Jahresende und der Track namens „Mona Lisa“ wurde dem Sender von einer barfüßigen Britney ohne Wissen ihres Labels vorbeigebracht. Der Sender spielte den Track live zum ersten und letzten Mal. Er wurde seitdem niemals wieder gespielt.

Der Song wurde von Britney live on air angekündigt und sollte Teil ihres Albums Original Doll werden, welches allerdings niemals veröffentlicht wurde und sich zu so etwas wie Dr. Dres Detox entwickelte—etwas für Menschen, die catchy Refrains gegenüber schwer gefestigten Compton-Beats bevorzugen.

Original Doll wurde aufgeschoben, laut einem Buzzfeed Artikel lag die Schuld an Britneys Label Jive. Einige Monate davor war Britneys viertes Album In The Zone erschienen. Das Album enthielt die Single „Everytime“, angeblich ihre Antwort auf Timberlakes „Cry Me A River“, sowie „Toxic“ und „Me Against The Music“. Jene Tracks, die darauf nicht veröffentlich wurden, sagten aber eigentlich viel mehr über Britney aus. Jene Songs, die im Zuge der Original Doll-Sessions aufgenommen wurden, zeigen einen seltenen Einblick in das Wesen von Britney, in ihre Seele:

„Ladies and gentlemen / I’ve got a little story to tell
About Mona Lisa / and how she suddenly fell“

Anzeige

Foto: © Sony Music

Ihre Songwriterin Michelle Bell—sie war die erste, die Britney dazu ermutigte, „Everytime“ zum ersten Mal alleine auf dem Piano zu performen—erklärte in einem Interview mit Buzzfeed, dass Britney nach der Trennung von Justin Timberlake das Gefühl hatte, dass ihr niemand wirklich zuhörte. Sie wollte jemanden, der an sie glaubte, und zwar auch hinter der ganzen Pop-Maschinerie. In den folgenden Monaten, zwischen dem Release von „Everytime“ und dem unerwünschten Airing von „Mona Lisa“, fuhr Britneys Image rasant gegen eine Wand. Es war nicht nur ihr rasierter Kopf, plötzlich war sie auch für 55 Stunden mit einem Kindheitsfreund verheiratet und lieferte schlechte Performances auf ihrer The Onyx Hotel-Tour ab, die sie dann nach der Hälfte komplett absagte. Sie schien nicht nur mit sich selbst zu kämpfen, sondern auch gegen die Richtung, in die ihr Label sie pressen wollte. Schiebe deine Probleme beiseite und mach doch bitte weiter damit, ein starker schöner Popstar zu sein.

„Mona Lisa“ markierte Britneys Niedergang—die Trennung von Justin Timberlake, den Tod ihrer Tante, ihr Bestreben nach Perfektion, ihre gescheiterten Ehen—und gipfelte in dem Kopfrasur-Skandal, der ihr reines und unschuldiges Pop-Image für immer vernichten sollte. Für ein Mädchen, dessen Vater erneut die Vormundschaft übernahm, war dieser Track das freieste und ehrlichste Stück, das sie jemals aufgenommen hatte.

„Mona Lisa“, das mit seinen gregorianischen Chören nicht allzu weit von Justins „Cry Me a River“ entfernt scheint, ist Britneys selbsterschaffenes Alter Ego. „Wenn ich das Gefühl habe, gemein sein zu wollen oder Menschen herumzukommandieren, um Dinge geregelt zu kriegen, ist es einfacher, ‚Mona Lisa‘ statt ‚Britney‘ gerufen zu werden“, erklärte sie im Interview mit TRL, nachdem sie in den Credits von „Do Somethin“ als „Mona Lisa“ angeführt wurde. Mona Lisa wurde zum Charakter, der die „wahre Britney“ repräsentieren sollte. Mona Lisa sang über Freiheit, sie kämpfte an Britneys statt und verstummte schließlich als Britney zur Juicy-Couture tragenden Zielscheibe der Medien wurde. „[Die Texte] zogen nicht spurlos an uns vorüber“, erklärte Stephanie Alexander, eine Background-Tänzerin in Britneys Shows, „sie besingen einen Juwel, eine Frau, die für selbstverständlich genommen wurde und sich dadurch ultimativ selbst zerstört.“

Anzeige

„See, everyone knew her / they knew her oh so well
Now I am taking over / to release her from her spell
She’s unforgettable / She was a legend though
It’s kind of pitiful / That’s she’s gone“

Foto: Videostill aus „Everytime“

Fans sind seit Jahren von diesem Song und dem Rest der unveröffentlichten Original Doll-Sessions besessen und hoffen, daraus subtile Hinweise auf Britneys Gedanken vor dem Breakdown zusammen zu puzzlen und eine ganze Geschichte daraus machen zu können. Sie können sich niemals sicher sein, was genau geschehen ist, das kann wohl niemand, aber die einigen wenigen Hinweise scheinen bereits Aufschlüsse zuzulassen—von dem Zeitpunkt, an dem sie unter Druck gesetzt wurde, bis hin zu dem Zeitpunkt, an dem sie nicht mehr sie selbst sein konnte. Ein Sternchen, dem man es niemals zugetraut hat, für sich selbst zu sprechen und zu stehen. Eine von vielen süßen, naiven Popprinzessinen.

Jedes Jahr also, wenn es wieder Februar wird und ich mir „Everytime“ anhöre und meinen Kopf dabei massiere, seufze ich innerlich, versuche Frieden zu finden und denke an Britney. Britney Spears hat für viele Menschen sehr viel bedeutet. Für mich ist sie der lebende Beweis dafür, dass egal, wie viel Macht und Erfolg man hat, es wirklich verdammt schwer ist, als junge Frau im Scheinwerferlicht zu stehen. Dir wird gesagt, dass du ruhig sein sollst, hübsch aussehen sollst und den Job geregelt kriegen sollst. And wenn du versuchst, deine Gedanken auszusprechen, zwingt dich dein Recordlabel zu schweigen. Und dann rasierst du dir deinen Kopf.

Folgt Ryan auf Twitter: @RyanBassil

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.