Berner Kommerz-Veranstalter treibt gerade den gemeinnützigen Veranstaltungsort Brache Warmbächli in den Ruin
Foto: Tanzkarussell Ber(li)n, Facebook

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Nachtleben Bern

Berner Kommerz-Veranstalter treibt gerade den gemeinnützigen Veranstaltungsort Brache Warmbächli in den Ruin

Der Verein Brache Warmbächli lehnte eine erneute Durchführung des Sommerliebe Open Airs nach massiven Reklamationen im Vorjahr ab. Nun droht der Veranstalter mit einer Schadensersatzklage in Höhe von 40.000 Franken.

Der Verein Brache Warmbächli wandte sich vor drei Tagen mittels Communiqué, das Noisey vorliegt, an seine Mitglieder und die ansässigen Quartiervereine. Darin liess der Verein verlauten, dass er vom gewinnorientierten Veranstalter der Tanzkarussell-Partyreihe (im Fall Sommerliebe als Verein Kultur und Unterhaltung auftretend) eine anwaltlicher Abmahnung erhalten hätte. Die Forderung: Sollte der Brachenverein den Veranstaltungsvertrag für die diesjährige Ausgabe des Sommerliebe Open Airs nicht unterzeichnen, folge eine Schadensersatzklage in Höhe von 40.000 Franken. Den Vertrag hatte der Verein aufgrund der negativen Erfahrungen im letzten Jahr und nach Einberufung eines Austauschs mit den Anwohnern abgelehnt.

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Der Verein Brache Warmbächli, der nach Entstehung der Brache auf dem Areal der alten Kehrichtverbrennungsanlage KVA um eine Öffnung des Geländes für die Allgemeinheit bemüht war, erhielt entsprechend die Nutzungsrechte der Immobilien Stadt Bern. Der Verein verwaltet den öffentlichen Stadtgrund und belebt diesen mit vielfältigen kulturellen Anlässen – teils in Eigenregie, teils in Kooperation mit Externen. In Freiwilligen-Arbeit wurde ein schönes Gärtchen mit Teich angelegt, es gibt einen Spielplatz für Kleinkinder, einige Wände sind für Graffiti zur Verfügung gestellt, diverse Künstler stellen ihre Installationen aus und seit neustem findet auch eine Wohnwagensiedlung auf der Brache Platz. Eine generelle Bewilligung seitens Brachenverein für das Bespielen der Brache mit verstärkter Musik liegt nicht vor, da es sich um öffentlichen Boden im Wohnquartier handelt – einzig für den Getränkeausschank besteht eine Lizenz.

Der gemeinnützige Verein sieht sich mit dieser Klageandrohung in seiner Existenz bedroht und zieht in Betracht, "den Vertrag widerwillig zu unterzeichnen". Aktuell kläre der Verein im Rahmen seiner kaum vorhandenen finanziellen Mittel, wie er rechtlich mit der Klage umgehen soll. Die vom Anwalt des Veranstalters gesetzte Frist laufe bis am 22. Juni 2017.

Wie konnte es soweit kommen? Ich habe die Geschehnisse rund um das Sommerliebe Open Air, die seit der Erstausgabe im letzten Jahr ihren Lauf nahmen, in einer Chronologie zusammengefasst.

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6. August 2016: Auf dem Areal der Brache Warmbächli findet zum ersten Mal die Veranstaltung Sommerliebe statt. Die Veranstaltung ist sehr gut besucht; rund 2.000 Gäste feiern auf dem alten KVA-Gelände. Das grundsätzlich immer frei zugängliche Gelände der Brache wurde vom Veranstalter abgezäunt. Nur Personen, die bis zu rund 30 Franken Eintritt bezahlen, kriegen Zutritt zum Gelände. Dies gilt auch für Vereinsmitglieder und Personen, die bereits seit Monaten aktiv auf dem Gelände der Brache Freiwilligenarbeit verrichtet haben. Generell wurde der grosse Teil der Anwohnerschaft gar nicht benachrichtigt, obgleich sich der Veranstalter in einem Promo-Artikel der Berner Zeitung damit brüstet, dass das Gelände für Vereinsmitglieder und Anwohnende frei zugänglich sein werde. Gemäss einem Post auf Facebook wurden Personen mit N-Ausweis (der Ausweis für Asylsuchende) ebenfalls nicht zur Veranstaltung zugelassen – dies dementierte der Veranstalter allerdings via Kommentar auf den Post. Weiter sei Tanzkarussell laut Brachenverein-Präsident Christian Walti unsachgemäss mit der Bepflanzung auf der Brache umgegangen. Die Veranstaltung, die bis 23:00 Uhr bewilligt war, verursachte beim Verein Brache Warmbächli und der örtlichen Gewerbepolizei massive Reklamationen. Insgesamt vernahm ich damals aus Behördenumfeld und vom Verein der Brache, dass die Anzahl der eingegangenen Reklamationen insgesamt im dreistelligen Bereich gelegen haben. Intern sei bei der Gewerbepolizei gemäss Aussage von Marc Heeb, Leiter des Polizeiinspektorats, gegenüber Noisey "das Rad am Drehen gewesen" und "es gab in der Tat wirklich sehr viele Reklamationen, aber genau gezählt werde nicht".

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August 2016: Mit Verweis auf die negativen Erfahrungen beim Sommerliebe Open Air, das im Warmbächli – also mitten im Wohngebiet – stattfand, kürzt die Orts- und Gewerbepolizei Bern die Veranstaltungsdauer der bereits bewilligten Veranstaltung Stadtoasen. Diese war unabhängig von Tanzkarussell, ausserhalb der Wohnzone und ohne Eintritt und Konsumzwang, geplant.

Februar 2017: Der Veranstalter Tanzkarussell nimmt an der Mitgliederversammlung des Vereins Brache Warmbächli teil und informiert, dass er dieses Jahr erneut das Sommerliebe Open Air auf dem Areal der Brache ausrichten möchte. Der Verein nimmt dies zur Kenntnis und hält fest, dass eine Durchführung nur mit hohen Auflagen möglich sei: freier Zutritt zum Gelände, Einbezug der Brache-Organisationen und das Vorliegen einer behördlichen Bewilligung. Der Vereinspräsident Pfarrer Christian Walti lässt gegenüber Noisey verlauten, dass der Verein Brache Warmbächli grundsätzlich nicht dogmatisch vorgehe und Veranstaltung abblocke - deswegen wurden hohe Auflagen gemacht. Nicht zuletzt hätte man sich auch auf die Behörden verlassen, von denen in keinem Fall zu erwarten war, dass diese Veranstaltung erneut eine Bewilligung erhält. Im Nachhinein räumt der Präsident ein, dass dies ein Fehler war: "Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sich ein grosser Veranstalter, der einen Ruf zu verlieren hat, erlauben kann, so zu agieren". Den erhobenen Vorwurf seitens Anwalt der Veranstalter weist er klar zurück.

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April 2017: Ein Vereinsmitglied erhält die Information, dass die Veranstaltung seitens der Orts- und Gewerbepolizei nicht bewilligt wurde. Die Gewerbepolizei bestätigt dies auf Anfrage von Noisey.

10. Mai 2017: Oliver Amonn, Veranstalter von Tanzkarussell, schickt dem Brachenverein eine Mitteilung, die Noisey vorliegt, und lässt verlauten, dass das Erteilen der behördlichen Bewilligung voraussichtlich klappen wird, da sie einen Kontakt in der Politik hätten, der sich für die Veranstaltung einsetze.

30. Mai 2017: Claudio Maestretti, ebenfalls Veranstalter von Tanzkarussell, nimmt an der Mitgliederversammlung des Brachenvereins teil und soll den Anwesenden das angepasste Veranstaltungskonzept vorstellen. Er sei gemäss Aussage des Vereinspräsidenten Christian Walti gegenüber Noisey unvorbereitet gewesen, hätte keine Dokumente und Notizen dabei gehabt und hätte verlauten lassen, dass ihm nichts über die Probleme vom Vorjahr bekannt sei. Lediglich Mario Bernhard, der für das Dossier seitens Vereinsvorstand delegiert wurde, erhielt kurz vor der Sitzung einige wenige Unterlagen. Zwei Tage vor der Sitzung erfuhr der Brachenverein – wiederum von einem Vereinsmitglied und nicht von der Bewilligungsinstanz oder dem Veranstalter selbst – dass mittlerweile eine Bewilligung für den Event vorliege.

1. Juni 2017: Ohne vorherige Rücksprache mit dem Verein wird ein Vorverkauf sowie eine Facebook-Veranstaltung für das Festival aufgeschaltet. Von freiem Einlass – eine Bedingung des Brachenvereins – also keine Spur. Zusätzlich habe der Veranstalter via Mario Bernhard einen Textentwurf für eine Anwohnerinformation an den Verein zukommen lassen, der verlauten lässt, dass es sich bei besagtem Festival um die "einzige laute Veranstaltung in diesem Jahr" handle.

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Im Anschluss: Der Verein nimmt vom Vorgehen seitens Tanzkarussell Kenntnis und fühlt sich übergangen. Nach diesem Vorgehen ist für den Verein bereits klar, dass er mit einem solchen Veranstalter auf der Brache nicht weiter zusammenarbeiten will. Trotzdem beruft der Verein eine Anhörung mit den Anwohnern und den ansässigen Quartierorganisationen ein.

9. Juni 2017: Die Anhörung findet statt, das Votum der Anwesenden ist klar: Nebst dem aktuell fragwürdigen Vorgehen des Veranstalters verursachte die Erstausgabe des Festivals zu viele Probleme. Im Anschluss an die Anhörung entscheidet der Vorstand des Vereins Brache Warmbächli an einer ausserordentlichen Sitzung einstimmig, die Veranstaltung nicht durchführen zu können. Der breit abgestützte Entscheid wird dem Veranstalter umgehend eröffnet, die schriftliche Begründung am darauffolgenden Montag als Stellungnahme des Vereins publiziert und dem Veranstalter kommuniziert.

10. Juni 2017: Nach einem vorangehenden Anruf der Veranstalter an Mario Bernhard, in dem rechtliche Konsequenzen angedroht wurden, erreicht den Verein eine schriftliche Abmahnung, eines Anwalts mit Androhung einer Schadensersatzklage in Höhe von 40.000, sollte der Vertrag nicht doch noch unterzeichnet werden. Das Schreiben liegt Noisey im Wortlaut vor.

14. Juni 2017: Der Verein wendet sich an die Quartiervereine und seine Mitglieder und informiert über die drohende Klage und die rechtlichen Abklärungen, die aktuell im Gange sind. Laut Communiqué des Brachenvereins wird in Betracht gezogen, aus existenziellen Ängsten widerwillig den Vertrag zu unterzeichnen; je nach Ergebnis der rechtlichen Beratung, die für den Verein nur schwer finanzierbar ist.

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Soweit die Sachlage. Doch die ganze Geschichte, im Besonderen das Vorgehen seitens Tanzkarussell, wirft ein schlechtes Licht auf die Kulturszene der Hauptstadt und bestätigt viele Stimmen, die sich über eine Verkommerzialisierung der Veranstaltungen in Bern beklagen.
Wie ich aus dem engeren Umfeld von Tanzkarussell vernommen habe, glaubte der grosse Teil der Verantwortlichen gar nicht mehr an die Möglichkeit der Durchführung des Sommerliebe Open Airs, Oliver Amonn hingegen gab sich intern stets siegessicher. Es war auch Amonn, der den befreundeten GFL-Politiker Manuel C. Widmer anrief und somit den Ball für die Neuprüfung des Gesuchs seitens Gewerbepolizei ins Rollen brachte.

Manuel C. Widmer lässt auf Anfrage von Noisey verlauten, dass er "das jetzige Vorgehen des Veranstalters in keiner Art und Weise unterstützte und nicht mehr dahinter stehen kann". Die aktuelle Situation und das Vorgehen seitens Tanzkarussell betitelt er als "tragisch" und er distanziert sich klar von der Veranstaltung. Ihm sei es bei seinen Bemühungen für Tanzkarussell darum gegangen, als Privatperson zu ermöglichen, dass in seinem Wohnquartier etwas läuft. Seine Unterstützung, in Form einer Email beim Leiter des Polizeiinspektorats, Marc Heeb, mit der Bitte, dem Veranstalter eine zweite Chance zu gegen, hätte er "jedem, der mich mit einem solchen Anliegen kontaktiert hätte, zukommen lassen". Er wollte lediglich den Dialog fördern und dafür einstehen, dass ein Veranstalter eine zweite Chance erhält. "Was aktuell passiert, ist das pure Gegenteil, von dem, was ich erreichen wollte – nämlich Dialog." Über die Veranstaltung selbst habe er sich zuvor nicht im Detail informiert.

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Oliver Amonn, Veranstalter von Tanzkarussell, nimmt zu den Geschehnissen gegenüber Noisey spontan Stellung: "Es ist nicht unser Ziel, den Verein zu verklagen, doch sie lassen uns keine andere Wahl. Wir haben alle Auflagen erfüllt und eine Bewilligung erhalten." Auf die Frage, inwiefern er die Auflagen seitens Brachenverein erfüllt sehe, meint er: "Anyway, wir haben am Montag auf Initiative von Marc Heeb einen Austausch mit allen Beteiligten. Wir wollen keinen Rechtsstreit und glauben an eine gangbare Lösung für alle."



In der Berner Kulturszene wächst indes der Widerstand gegen Organisationen wie Tanzkarussell, besonders nach dem jetzigen Vorgehen, das die rein finanziellen und wenig kulturellen Interessen der Veranstalter unterstreicht.

Tanzkarussell selbst bewirbt ihr Festival wie im Jahr zuvor in Hippie-Manier à la Love, Peace & Happiness und will den "Summer of Love 1967 nach Bern holen". Was vielen Aussenstehenden, darunter wohl auch Gästen der Veranstaltung dabei nicht bewusst ist: Beim Sommerliebe Open Air handelt es sich nicht um einen von Freiwilligen ermöglichten Event mit Hippie-Charakter, sondern um eine massive Geldmaschinerie einer kommerziellen Organisation. Im vergangenen Jahr sollen rund 2.000 Gäste die Veranstaltung besucht haben – so die Zahl, welche in der Szene herumgeistert – Getränke gab es nur an den vom Veranstalter betriebenen Bars zu kaufen, Food-Stände mussten hohe Standgebühren bezahlen. Rechnet man bei einem Ticketpreis von 30 Franken mit einer Konsumation von 20 Franken – was angesichts eines ganztägigen Festivals bei fast 30 Grad ohne Schatten wohl tief gegriffen ist – kommt man bereits auf einen Umsatz von CHF 100.000. Die Sponsorengelder von den grossen multinationalen Konzernen, die auf dem gebrandeten Gelände vertreten waren, nicht eingerechnet.

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Mit der Kenntnis dieser Zahlen lässt sich der Groll von Tanzkarussell über die Ablehnung ihrer Veranstaltung zumindest aus finanzieller Sicht nachvollziehen – gleichzeitig lässt es die Absichten der Verantwortlichen erahnen: money reigns! Dass die Strippenzieher von Tanzkarussell ohne erneutes Sommerliebe Open Air am Hungertuch nagen, ist indes nicht möglich. In den letzten Jahren haben sich Oliver Amonn und Claudio Maestretti mit Marco Rosser zusammengetan und veranstalteten das mehrmals jährlich stattfindende We Love Techno Festival oder in Kürze den Weltourstop von Sven Väth – beides in der grossen Halle; dazu gehört noch das Partylabel Liebe Lust & Techno. Auf Wunsch von Marco Rosser ergänzen wir hier, dass mittlerweile lediglich Claudio Maestretti für die Veranstaltung Lohnarbeit leistet und keine Verbindungen zu Oliver Amonn mehr bestehend sind.

Erst kürzlich übernahmen einzelne Tanzkarussell-Verantwortliche die Geschäftsführung des stark angeschlagenen Betriebs Rondel Bern, gaben aber nach kurzer Zeit auf und haben sich aus der Geschäftsführung zurückgezogen. Im Rondel fand seit Ende Mai kein weiterer Event statt und die Facebook-Seite des Clubs mit über 11.000 Likes wurde erst vor wenigen Tagen in We Love Techno Switzerland umbenannt – vor 22 Stunden erneut in We Love Techno Schweiz 2. Die Geschäfte der Verantwortlichen werden über verschiedene eingetragene GmbHs abgewickelt. Zum einen gibt es die Takabé GmbH (TanzKarussellBern) und der bcd GmbH, welcher das Gleiswerk in Thun gehört. Besagte Personen sind zusätzlich Inhaber oder Gesellschafter bei weiteren Firmen. So gehört Oliver Amonn weiter die Lescher AG sowie gemeinsam mit seinem Vater die Amonn AG.

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Der weitere Verlauf der Causa Sommerliebe auf der Brache Warmbächli ist noch unklar. Es zeichnet sich aber leise ab, dass allenfalls eine Lösung gefunden wird: Marc Heeb, Leiter des Polizeiinspektorats, ist dabei, einen Austausch der Parteien zu organisieren. "Ich will einen Rechtsstreit verhindern und für das Festival allenfalls einen alternativen Austragungsort finden", sagt Heeb gegenüber Noisey. Heeb ist dafür bekannt, sich für Veranstaltende einzusetzen und Bewilligungen zu ermöglichen – jedoch macht er nach eigenen Angaben keinen Unterschied zwischen "kommerziell" und "non-profit". Die Wirtschaftsfreiheit sei ihm als "Sohn der Privatwirtschaft" wichtig.

Ähnlich wie sein Bekannter Widmer aus der Politik, verfolgte Heeb also gute Absichten mit seinem Einsatz für die Veranstaltung. Leider ohne die nötige Sorgfalt walten zu lassen und entsprechende Abklärungen zu treffen – denn warum sollte sich ein Politiker oder Beamter für eine Problemveranstaltung einsetzten, die öffentlichen Grund absperrt und mit hohen Preisen hohen fünfstelligen Reingewinn erzielt? Es kann nicht sein, dass hauptsächlich Veranstalter mit starkem finanziellem Interesse in einem aussergewöhnlichen Ausmass prominente Unterstützung kriegen, während kleinere Kulturveranstaltende, die sich um allgemeinzugängliche Events bemühen, auf der Strecke bleiben. Während das kritisierte Sommerliebe Open Air trotz den Vorkommnissen im Vorjahr tatsächlich wieder eine Bewilligung erhielt, scheint das erfolgreiche Projekt "Neustadt.lab" auf der Schützenmatt unter der neuen Regentschaft von GLP-Stapi Alec von Graffenried keine erneute finanzielle Unterstützung zu erhalten und steht vor dem Aus; die Medienberichte dazu überschlagen sich seit einem guten Monat. Ebenfalls für Aufruhr sorgte die Veranstaltung ChicChic vom alternativen Kollektiv Tiefgang am vorletzten Wochenende. Dieses bemühte sich um eine schöne Veranstaltung im zwischengenutzten Kulturkomplex Schlosserei. Die Auflagen wurden eingehalten, eine Bewilligung lag vor. Trotzdem wurde die Veranstaltung von den Behörden gegen 03:00 Uhr geräumt. Von Seiten Polizei wird von einem freiwilligen Abbruch des Fests seitens Veranstalter gesprochen, Tiefgang selbst gibt gegenüber UBWG an, dass Drohungen "mit der Kavallerie" seitens der Kantonspolizei vorausgingen und man sich deswegen gezwungen sah, die Veranstaltung aufgrund drohender Eskalation zu beenden - die Reklamationen kamen gemäss Aussage der Veranstaltenden gegenüber UBWG in Form von drei Anrufen von einer einzelnen Person.

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Ein grosser Missstand – doch Unterstützung naht. Diverse namhafte Kollektive aus der alternativen Veranstalterszene Berns, formieren sich aktuell zu einer Art Dachorganisation, um der Kommerzialisierung und Verdrängung alternativer Veranstaltungen in die Peripherie oder Illegalität entgegenzuwirken. Während eines offenen Austausches Berner Kulturveranstaltenden auf Einladung der Präventionsinstitution Rave it Safe und dem stadtbekannten Kulturhaus Heitere Fahne, beschlossen die zahlreich Anwesenden spontan, unter dem Arbeitstitel Bolognese einen losen Zusammenschluss zu bilden. Dieser soll für die die Interessen der alternativen Veranstalter einstehen, Rahmenbedingungen mit den Behörden schaffen und nicht zuletzt diesen als professioneller Ansprechpartner für veranstaltungstechnische Fragen inklusive Vergabe von Bewilligungen dienen. Die Anwesenden sind sich einig, dass die raren öffentlichen Plätze, wie beispielsweise die Brache, immer öffentlich zugänglich sein sollten. Die wenigen freien Plätze sollen nicht zwecks Gewinnmaximierung privater Organisationen wie im Fall Sommerliebe kommerzialisiert werden. Besonders störend sei dabei, dass es jederzeit genug fähige und gute Veranstalter gäbe, die bereit wären, einen solchen Anlass mit Freiwilligenarbeit und ohne Eintritt durchzuführen.



Auch die in Bern aktive Bar- und Clubkommission BuCK lässt via Vorstandsmitglied Max Reichen gegenüber Noisey folgendes Statement zum Vorfall verlauten: "Über die aktuelle Sachlage sind wir zu wenig informiert. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass öffentlicher Grund öffentlich zugänglich sein soll und nicht kommerzialisiert werden darf. Wenn ein gewinnorientierter Veranstalter einen Verein mit einer Klage ruinieren will, finden wir das stossend".

Marc Heeb, Leiter des Polizeiinspektorats lässt während unseres Telefonats durchblicken, dass er sein Engagement für Veranstaltungen wohl künftig drosseln wird, da er sich wieder in der Rolle des Buhmanns sieht, obwohl er Gutes tun wollte. Anders Manuel C. Widmer; dieser will laut eigenen Aussagen weiterhin für ein lebendiges Bern sorgen. Es bleibt zu hoffen, dass beide Herren sowie die wenigen Mitunterstützer bei Behörden und in der Politik ihr grundsätzlich löbliches Engagement für Veranstaltungen beibehalten. Bei der Vergabe von Bewilligungen auf öffentlichem Raum sollten die Behörden weniger gewinnorientierte Kommerzveranstaltungen berücksichtigen, sondern sich mit in der Szene breit verankerten und abgestützten Kulturorganisationen austauschen. Ein idealer Ansprechpartner scheint sich mit der Organisation Bolognese zu formen. Es bleibt spannend im ruhigen Bern.


Dino Dragic-Dubois ist freier Autor bei Noisey Schweiz und schreibt für weitere Magazine über (elektronische) Musik und Clubkultur. Privat ist er seit mehreren Jahren im Berner Nightlife aktiv und selbst als Kulturveranstalter tätig.

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