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You Need to Hear This

Bitte verschont uns mit euren sinnlosen Zugaben

Es gibt etwas, das jedes Konzert ruiniert: eine Zugabe. Ohne sie wären wir alle besser dran.

Foto: Aljoscha Redenius.

Es ist vollkommen egal, ob ein Konzert so gut ist, dass du dir wünschtest, es höre nie auf, oder ob es so langweilig ist, dass du am liebsten auf der Stelle einschlafen möchtest—es gibt etwas, das jede Show ruiniert: eine Zugabe. Da die meisten Leute auf Konzerten eine Zugabe einfordern und zu Tode beleidigt sind, wenn die Band keine spielt, könnte man natürlich dem Eindruck unterliegen, dass nicht alle Leute so denken wie ich. Ich glaube aber, dass die meisten einfach noch nie darüber nachgedacht haben und sie Zugaben einzig und allein so penetrant einfordern, weil sie eben Norm sind. Das Publikum fände es unhöflich, keine zu bekommen, und der Künstler hält es für anständig, eine zu spielen. Eigentlich wären aber beide Seiten besser ohne eine Zugabe dran.

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Die Basisidee von Zugaben ist durchaus eine noble. Etwas besseres kann einer Live-Show nicht passieren, als dass ein Künstler auf die Stimmung des Publikums eingeht und gegebenenfalls noch ein paar Lieder an das Set anhängt, weil es eben dieser eine Moment ist, in dem alle in Trance sind und wirklich kein einziger nach Hause gehen will. Die Sache ist nur, dass Zugaben inzwischen so gut wie nie aus diesen noblen Beweggründen gegeben werden, sondern einfach nur weil sie dazugehören. Die extremen seltenen Momente, in denen ehrlich eine zweite, dritte oder vierte Zugabe von Herzen gespielt wird, weil die Leute sie so vehement fordern, sind deswegen umso besonderer. Aber sie sind eben selten. Und wenn es nicht gerade diese eine Ausnahme ist, die leider so selten vorkommt, geht es nur um das bekannte Spielchen. Dieses „Ich gehe mal von der Bühne und warte dann drei Minuten direkt dahinter" versus „Hey, ich schreie und klatsche jetzt mal ein bisschen rum, obwohl ich weiß, dass er sowieso wiederkommt, egal welche Laute ich von mir gebe"-Getue ist so aufgesetzt und prätentiös, dass sich beide Seiten total benutzt und schmutzig vorkommen müssten.

Ich jedenfalls fühle mich bei Zugaben verarscht. Alle Beteiligten wissen schon, dass der Künstler wiederkommt und seine aktuelle Single zum Besten geben wird, also warum bleibt er nicht einfach da und spielt sie gleich—ohne das ganze Trara. Wenn es tatsächlich keine Zugaben geben würde, bedeutet das ja nicht, dass das Publikum weniger von der Band hat, die Show wird genau die gleiche bleiben. Es bedeutet nur, dass diese aufgesetzte Prozedur wegfällt.

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Abgesehen davon, wie ich mich fühle, müssen Zugaben auch Musiker vor ein großes Problem bei der Set-Planung stellen. Wie kann jemand ein Set klug durchplanen, wenn er einbauen muss, dass er von der Bühne geht, um so zu tun, als wäre es vorbei? Das bedeutet, er muss zwei Sets erstellen, die beide in sich selbst Sinn ergeben und sich dazu noch ergänzen. Das scheint eine sehr schwierige Aufgabe zu sein, die nur sehr selten elegant gelöst wird. Dass sich alle Beteiligten sehr viel Mühe geben, es so aussehen zu lassen, als wäre die Zugabe echt, ist dabei noch das Mindeste.

Das Problem einer geplanten Zugabe zu lösen, scheint auch beinahe unmöglich. Wird als Highlight vor der Zugabe nicht die Single oder der größte Song gespielt, wird jeder wissen, dass es noch ein Extra geben wird. (Nicht dass das nicht sowieso klar wäre, aber man kann ja wie gesagt wenigstens so tun, wenn man sich schon den Stress mit dem Geklatsche und von der Bühne gehen gibt.) Spielt man in der Zugabe dagegen einen unbekannten Song, damit all das etwas überraschender wirkt, werden bei den meisten Konzerten wahrscheinlich 50 Prozent der Fans enttäuscht nach Hause gehen. Besonders kompliziert wird es vor allem, wenn eine Band noch keine tausend Klassiker in der Hinterhand hat und so in der Abfolge variieren kann. Eine der schlimmsten Arten, die Zugabe zu gestalten, ist definitiv, einen Song bzw. den Hit in der Zugabe nochmal zu spielen. Einfallsloser geht es kaum. Viel einfacher wäre es doch, ein einziges Set zu planen und die Zugabe ohne das ganze Hin und Her regulär an das Set anzuhängen. Mit Sicherheit würde das auch der Stimmung des Musikers und des Publikums kein Abbruch tun, schließlich gibt es doch keinen größeren Stimmungskiller als Pausen und unangenehme Situationen, eventuell sogar Stille.

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Warum also spielen alle Bands Zugaben? Es gibt zwar einige wenige Ausnahmen (zum Beispiel MS MR), die auf die Zugabe scheißen und sich so in große Gefahr begeben, alle Fans zu verlieren, doch die meisten pochen nach wie vor auf ihre Zugaben, auch wenn keine davon ehrlich gemeint ist.

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