Bitte lächeln! Die Geschichte des Smileys, dem wichtigsten aller Rave-Symbole

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Bitte lächeln! Die Geschichte des Smileys, dem wichtigsten aller Rave-Symbole

Smileys in der elektronischen Musik sind nicht nur niedlich, sie sind auch ein Ausdruck des Trotzes und Aufruhrs.

Oft ist es ja so: Das Leben ist so dermaßen beschissen, dass die fortwährende Präsenz des Smileys in der Dance-Kultur auf fast schon perverse Art und Weise Sinn ergibt. Einfach gegen alles anlächeln. Und das nicht erst seit gestern, sondern bereits seit vielen Jahren. Kein Symbol ist mit der elektronischen Szene so eng verbunden wie das fröhliche Strichgesicht.

Manchmal ist der Smiley dabei schlicht ein Zeichen der Nostalgie—vor allem in Bezug auf die Acid-House-Welle Ende der 80er in Großbritannien, als der Smiley zum semioffiziellen Maskottchen der jungen Szene wurde. Zum Beispiel im vergangenen Frühling: Da kündigte David Vincent, der Besitzer des Sankeys auf Ibiza, eine Veranstaltungsreihe namens "Dance 88/89" an—inklusive mit Smileys übersäten Flyern und dem Who is Who der ersten Acid-House-DJs. Und im November hat UNDRGRND Sounds den They Call It Acid-Sampler veröffentlicht. Dreimal darfst du raten, was auf dem Cover zu sehen ist.

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Nostalgie wirkte sich definitiv darauf aus, wie der Londoner Club Fabric einen modifizierten Smiley als Talisman für den Kampf ums Überleben nutzte, nachdem den Betreibern im Herbst die Lizenz entzogen wurde und der Laden deswegen dicht machen musste. Als das Label Houndstooth dann die 111 Lieder starke #savefabric Benefiz-Compilation veröffentlichte, zierte ein Smiley mit dem Clublogo als rechtes Auge das Cover sowie dazugehörige T-Shirts. Diese Version des Symbols war dabei nicht nur süß. Nein, sie war aufmüpfig, trotzig und passte deswegen auch perfekt zu der Art und Weise, wie der Smiley in der Dance-Kultur anfangs eingesetzt wurde.

Der Smiley an sich geht natürlich noch weiter zurück—nämlich bis ins Jahr 1963. Damals erschuf der Grafikdesigner Harvey Ross Ball das Symbol für die State Mutual Life Assurance Company (inzwischen Hanover Insurance) in Worcester, Massachusetts. "[Ball] wurde damit beauftragt, eine Grafik zu erschaffen, die die Arbeitsmoral in dem Versicherungsunternehmen nach einer Reihe von schwierigen Fusionen und Übernahmen wieder nach oben bringen sollte", schrieb Jimmy Stamp im Smithsonian Magazine. "Ball war nach nicht mal zehn Minuten fertig und bekam für seine Arbeit 45 Dollar." Dieser erste Smiley war jedoch noch etwas anders als die Smileys, die wir heute kennen. Bei Balls Design sind die Augen enge Ovale—eins ist größer als das andere—und der Mund ist kein perfekter Bogen.

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Die perfekte Symmetrie, die wir bei Smileys inzwischen gewohnt sind, kam dann im September 1970, als die Brüder Bernard und Murray Spain, die in Philadelphia allen möglichen Kleinkram herstellten, das Symbol modifizierten und es zusammen mit dem Satz "Have a Nice Day" auf Buttons druckten. 1972 hatten sie dann schon gut 50 Millionen dieser Buttons verkauft. "Das war aber noch nicht alles", schrieb Jon Savage im Guardian. "Plötzlich gab es eine wahre Flut an Smiley-Gegenständen: Kaffeetassen, Teetabletts, Büromaterial, Ohrringe, Schlüsselanhänger, Autoaufkleber, Armbänder und so weiter. Der Smiley passte einfach perfekt zum Zeitgeist der 60er Jahre, als die Vorstellungen von Freiheit, Hedonismus und Experimentierfreudigkeit im US-amerikanischen Mainstream ankamen."

Anfang der 80er bekam der Smiley dank des erstmaligen Gebrauchs als Emoticon dann eine neue Bedeutung. In der Computer-Abteilung der Carnegie Mellon University von Cleveland gab es eine Art digitales schwarzes Brett. Am 19. September 1982 schrieb Scott E. Fahlman, ein Mitglied der Fakultät, auf eben dieses Brett eine Nachricht an den Rest des Teams: "Ich schlage vor, die folgende Zeichenfolge zur Markierung von Witzen zu verwenden: :-). Neigt euren Kopf. Derzeit ist es jedoch wohl sinnvoller, Dinge zu markieren, die KEINE Witze sind. Dafür nehmt ihr :-(."

1998 entwickelte sich das Emoticon dank des Japaners Shigetaka Kurita dann zum Emoji. "Kurita hatte die Idee, Nachrichten mit kleinen Cartoon-Bildern zu versehen, um das Ganze für Teenager attraktiv zu machen", schrieb Adam Sternbergh im New York-Magazine. "Er kam dann mit 176 einfachen Motiven daher—von Smileys bis hin zu Musiknoten."

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Der Smiley bekam aber bereits im November 1987 wieder eine andere Bedeutung, als Danny Rampling eine neue Veranstaltungsreihe in einem Südlondoner Fitnessstudio etablierte. Dabei waren Fitnessstudios damals quasi noch eine Art Niemandsland für die Clubbing-Elite der englischen Hauptstadt. Eines Abends wollte sich die Journalistin Louise Gray den neuen "Club" mal ansehen. "Ich befand mich gerade in einem Gespräch, als plötzlich eine junge Frau auftauchte, sich auf meinen Schoß setzte, meine Mundwinkel berührte und diese dann für ein Lächeln nach oben zog", erzählte Gray dem Autoren Simon Reynolds für dessen Buch Energy Flash. "Sie sagte noch schnell: 'Sei glücklich!', und schon war sie wieder weg."

Diese Art der Freude und Lebenslust war ansteckend. Danny Rampling hatte "Shoom" ins Leben gerufen, nachdem er im vorangegangenen September mit einigen anderen britischen DJs mit Fokus auf Funk und HipHop Urlaub auf Ibiza gemacht hatte. Dort feierten sie Paul Oakenfolds Geburtstag und schauten in der Open-Air-Bar Amnesia vorbei, wo sie zu entspannten Tunes des Clubbesitzers und Haus-DJs Alfredo auf MDMA unterm Sternenhimmel tanzten. "Shoom" war Ramplings Versuch, genau diese Stimmung von Ibiza zu rekonstruieren—und das mit einem bewussten Schwerpunkt auf den neuen House und Techno aus den USA. Der Smiley wurde dabei zum Maskottchen von "Shoom".

"Ich kam durch einen Modedesigner namens Barnsley mit dem Smiley-Logo in Berührung", erzählte Rampling gegenüber Luke Bainbridge, dem Autoren von Acid House: The True Story. "Ich traf ihn eines Abends, als er mit diesen Smiley-Buttons übersät war, und dachte mir: 'Wow! Bingo! Der Smiley fängt genau das ein, worum es bei dieser Bewegung geht—nämlich Lächeln und eine positive Einstellung.' Ich glaube, dass wir das Symbol dann zum ersten Mal beim Flyer für die dritte "Shoom"-Party verwendeten. Und es kam voll an." Reynolds fügte außerdem hinzu, dass der "Shoom"-Newsletter zusätzlich noch "ganz primitiv gezeichnete Cartoons wie etwa 'The Smileys' enthielt. Dabei handelte es sich um ein Strichmännchen-Pärchen, das durch London spaziert und gute Stimmung verbreitet."

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Es dauerte nicht lange und der Smiley etablierte sich als Symbol für Acid House. In den USA bezog sich Acid House nur auf den von verzerrten Roland-TB-303-Klängen geprägten Musikstil. Im Großbritannien der späten 80er Jahre benutzte man den Ausdruck allerdings als Namen für eine ganze Szene—vor allem nachdem im Mai 1988 sowohl in The Face als auch bei i-D über "Shoom" sowie dazugehörige Clubs berichtet wurde.

Auch andere Promoter begannen damit, den Smiley zu nutzen. Bei Hyperreals Rave Flyers Gallery lässt sich zum Beispiel ein Flugblatt für die Partyreihe Discotheque vom Februar 1988 finden. Darauf zu sehen: ein halber Smiley. Im August des gleichen Jahres folgte mit Grin dann eine als "Acid Allnighter" beworbene Veranstaltung—illustriert mit einem grinsenden Mund.

Ein "Acid Fever"-Flyer aus den 90ern. Foto vom Autor

Gegen Ende des Sommers brachte der Unternehmer und "Shoom"-Stammgast Tony Colston-Hayter den Acid House von den Clubs zu größeren Veranstaltungen auf Feldern und in Filmstudios. Damit verwandelte er den Ibiza-Geheimtipp innerhalb von nicht mal einem Jahr in eine Massenbewegung.

In Acid House: The True Story erzählt der Londoner DJ Mr. C, dass Colston-Hayters "Sunrise"-Partys zum Spitznamen "Tony Cost-Inflator" führten, weil der Unternehmer den Vibe dreist kopierte, riesige Raves veranstaltete und dabei natürlich ordentlich die Preise anzog. Das Logo dieser Party-Reihe war eine grinsende Sonne mit aufgerissenen Augen. Quasi eine Art erweiterter Smiley. Und als Acid House in den Mainstream schwappte, war der Smiley plötzlich allgegenwärtig: Mitte des Jahres 1988 zierte er T-Shirts, Schnürsenkel und sogar Pfeifen. Selbst das Londoner Revolverblatt The Sun verkaufte "Acid House"-Shirts (jedoch ohne Smiley).

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Nach einer Reihe von mit Ecstasy zusammenhängenden Todesfällen brach gegen Ende des Jahres 1988 jedoch eine nationale Welle der moralischen Entrüstung aus. So schreibt Sean Bidder in Pump Up the Volume auch, dass Top of the Pops in diesem Oktober jegliche Platte mit dem Wort "Acid" im Titel verbannte, während TopShop keine Shirts mit aufgedruckten Smileys mehr verkaufte. Gleiches galt bei Burton Menswear. Und am 2. November brachte die Sun nicht mal drei Wochen nach dem Verkauf der Acid House-Shirts einen Cartoon, in dem die Szene mit einem "Trip durch die Hölle" verglichen wird.

Zur gleichen Zeit gerieten die Partys ins Visier der Polizei. So ist auf dem oben abgebildeten Cover vom NME auch ein "Polizist" (eigentlich nur der NME-Art-Editor Justin Langlands mit einer Polizeimütze aus Plastik) zu sehen, der über der Schlagzeile "Acid Crackdown" einen Smiley in zwei Hälften reißt. Der dazugehörige Artikel macht sich dann über die Berichterstattung der Boulevardzeitungen lustig:

"In The People handelt es sich bei dem Typen, der laut ihnen der 'Evil Emperor of Ecstasy' ist, um einen Dealer mit Babyface, der fast das gesamte Monopol über die Londoner Szene besitzt. Hoffen wir mal, dass er nicht auf den Ex-Boxer trifft, der der Sun zufolge der echte 'Mr. Big of Acid' ist. Oder auf den Veranstalter vom Greenwich Warehouse Bash, dem laut News of the World tatsächlichen 'King of Acid'. Was haben die Dealer gemacht, bevor sie sich dem Acid House zugewandt haben? Für Oxfam sind sie sicher nicht tätig gewesen. Nein, sie haben wahrscheinlich eher die riesigen Mengen an Koks geliefert, die die Stadt am Laufen halten (schon komisch, wie wenige Razzien in den 'Schnupfhöhlen' der Börsenmakler durchgeführt werden)."

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Ein "Evolution"-Flyer aus dem Jahr 1993. Foto vom Autoren

In den 90ern wurden Raves dann sogar noch häufiger hochgenommen. So wurde am 13. Juli 1990 auch eine einstweilige Verfügung gegen den Hacienda DJ Mike Pickering erlassen, durch die es ihm nicht mehr möglich war, zu einem Rave zu fahren. Das schreibt Dave Haslam in Adventures on the Wheels of Steel: The Rise of the Superstar DJs.

Und als Rob Tissera, ein anderer DJ, bei einer Lagerhallen-Party in der Nähe von Leeds auflegte, stürmte eine Hundertschaft der Polizei die Veranstaltung. Tissera schnappte sich daraufhin ein Mikrofon und rief: "Wenn die Party hier weitergehen soll, dann müssen wir die Türen verbarrikadieren und dürfen diese Arschlöcher nicht reinlassen!" Der DJ sowie 836 weitere Personen wurden verhaftet und er bekam eine dreimonatige Gefängnisstrafe aufgebrummt.

In den USA ging es mit den Raves damals jedoch erst so richtig los—und der Smiley wurde zum Wappen für die gesamte Szene. Im San Francisco der frühen 90er Jahre konnte man sogar Schwarzlicht-Smiley-Halsketten in der Rave-Boutique Ameba kaufen. Richie Hawtin meinte gegenüber RBMA: "Ich besaß damals Hosen mit unzähligen aufgedruckten Smileys. Echt schlimm."

Gegen Mitte des Jahrzehnts stand der Smiley dann nicht mehr sinnbildlich für die gesamte Rave-Kultur, sondern eher nur noch für zwei spezifische Musikstile: zum einen für den vom 303 geprägten Acid-Sound, zum anderen für Happy Hardcore. Anfang 1997 ging—angeführt von DJ Anabolic Frolic—Moonshines erfolgreiche Happy 2B Hardcore-Compilation an den Start. Bei jeder neuen Ausgabe hatte die am Computer geschaffene Smiley-Anordnung auf dem Cover eine neue Farbe: Gelb bei der ersten, Rot bei der zweiten und so weiter. Und DJ DBs Dance-Ableger für Profile Records wurde auf den Namen Sm:)e Communications getauft.

Heutzutage ist der Smiley eher ein Relikt aus den alten Tagen der Dance-Musik.

2001, während Inner Citys Performance bei der zweiten Ausgabe des Detroit Electronic Music Festivals (inzwischen Movement), blitze auf einem riesigen Bildschirm ein Smiley zusammen mit den Worten "Remember 1989?" auf. Und der kurze "Nu Rave"-Trend Mitte der 2000er veranlasste die damalige XLR8R-Chefredakteurin Vivian Host dazu, in einem Leitartikel der Januar/Februar-2007-Ausgabe zu schreiben, dass die neue Musik bei ihr "Visionen von tanzenden Smileys" hervorruft.

Jeder, der in letzter Zeit tanzen gegangen ist, wird wohl die gleichen Visionen haben. Und trotz des Rechtsstreits, der an die Acid-House-Panik Ende der 80er Jahre erinnert, steht der modifizierte Smiley der #savefabric-Bewegung weniger für die Wut gegenüber den Behörden, sondern eher für die Nostalgie und den Gedanken an eine unbekümmertere Zeit. Zwar war diese Zeit jetzt nicht zwangsläufig besser, aber es fühlte sich alles noch etwas "unschuldiger" an. Im Anbetracht dessen, was uns 2017 bevorsteht, können wir jegliche Euphorie aber trotzdem gut gebrauchen.

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