"Beyoncé hat mein Bild geteilt und ich habe geweint"– Das fabelhafte Leben einer Konzertfotografin
Raven B. Varona

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Interview

"Beyoncé hat mein Bild geteilt und ich habe geweint"– Das fabelhafte Leben einer Konzertfotografin

Ravie B. schießt Fotos, die uns vor Neid erblassen lassen. Wir haben sie gefragt, wie das so mit Kanye, Drake und Co. läuft, was gute Konzertfotos ausmacht und wie sie sich in einer männerdominierten Branche Respekt verdient hat.

Einer der großen Vorteile am Beruf des Musikjournalisten ist unangefochten die Möglichkeit, ständig auf alle möglichen Konzerte gehen zu können – und das auch noch in den meisten Fällen gratis. Als Mensch, der sich diesen Beruf also aus offensichtlichen Gründen ausgesucht hat, schaffte es Raven B. Varona, kurz Ravie B. dennoch, mir leuchtende Augen der Bewunderung und des Neids ins Gesicht zu zaubern, als ich das erste Mal ein Bild von ihr sah.

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Wie hat man sich dieses Leben vorzustellen? Man wird von seinen Idolen auf jedes Konzert eingeladen, hängt noch vor der ersten Reihe im Konzertgraben ab und wird dafür bezahlt, die besten Momente seines Lebens auf einen Film zu bannen, sodass Leute wie ich die anschließend auf Instagram sehen und sich denken: "Verdammt! Wo war ich da?"

Ravie B.

Noisey: Eines deiner Bilder ist mein Screensaver. Kannst du mir die Geschichte hinter diesem Bild erzählen?

Alle Fotos von Raven B. Varona

Ravie B: Ohhhh danke! Das habe ich dieses Jahr bei der Hot 97 Summer Jam geschossen während des G.O.O.D. Music Sets. Im Original war es natürlich in Farbe, wie die meisten meiner Fotos – vor allem Konzertfotos – aber dieses habe ich schwarz-weiß gemacht. Die Summer Jam ist ja wie eine Art Festival, was bedeutet, dass das Bühnenbild nicht wahnsinnig ausgefallen ist, weil so viele Künstler auftreten. Farbig fand ich das Bild deswegen ein bisschen langweilig. Mir gefiel aber das Schattenspiel auf seiner Haut. Also habe ich es in schwarz-weiß bearbeitet, was ihm viel mehr Intensität verliehen hat und eben richtig porträtiert hat, wie Kanye ist. Es ist düster, sehr "yeezus". Eine tolle Show.

Fangen wir also beim Anfang an: Wie kam es dazu, dass du Konzertfotografin geworden bist?
Ich habe Fotografie schon immer geliebt, schon als ich ganz klein war. Meine Mutter hat wirklich von ALLEM Fotos gemacht. Sie war diese Art Mensch, die immer eine Einwegkamera dabei hatte und jeden Moment festgehalten hat. Diese "Hey, lass den Film entwickeln und uns die Fotos anschauen"-Tradition begleitete mich meine Kindheit hindurch. In der Highschool belegte ich zwar einen Fotografiekurs, aber so richtig sicher, dass ich Fotografin werden will, war ich mir damals noch nicht. Aber ich wusste, dass es eine Sache ist, die ich immer tun möchte. Zur Konzertfotografie: Wenn man in New York lebt, hat man die Möglichkeit, auf viele Konzerte zu gehen. So hat sich das eine mit dem anderen verbunden. Ich habe auf Konzerten immer fotografiert und merkte, dass ich irgendwie das Auge dafür habe und je mehr ich fotografierte, desto mehr wurde mir bewusst, dass ich nur noch das machen will.

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Fotografierst du nur Konzerte?
Nein. Es ist zwar mein Fokus im Moment und ich glaube, die meisten Menschen kennen mich auch von meinen Konzertfotos, aber eigentlich ist das nicht meine "Nische". Ich habe eine große Bandbreite an Motiven, die ich gerne fotografiere und möchte das auch weiter ausbauen, sei es Editorial- oder Studiofotografie. Dass ich bei Konzertfotografie gestartet habe, liegt daran, dass ich Musik liebe und den Show-Aspekt. Ich liebe das Erlebnis einer Liveshow, die Lichter, der Nebel, die visuellen Effekte kombiniert mit der Musik und dem Künstler … Genau dieses sinnesübergreifende Erlebnis möchte ich mit meinen Fotos spiegeln. Ich freue mich am meisten, wenn Leute auf mich zukommen und sagen "Oh mein Gott, ich muss zu diesem Konzert gehen!" und nicht "Oh das ist ein schönes Foto".

Es hört sich an, als ob du den besten Job der Welt hättest.
Also eine Sache möchte ich betonen: Viele der Fotos, die ich auf Konzerten geschossen habe, habe ich in meiner Freizeit gemacht. Das sind nicht alles Aufträge, wofür mich jemand bezahlt hat. Also das passiert auch, aber nicht nur. Wie ich sagte: Ich wohne in New York City. Ich gehe zu vielen Konzerten, weil ich sie von mir aus auch ansehen möchte, besorge mir einen Fotopass und mache dann dort Bilder. Aber natürlich ist es ein Traumjob und eine traumhafte Erfahrung. Aber in erster Linie, weil ich es liebe, Kultur zu dokumentieren und die Zeit oder einen glücklichen Moment festzuhalten und nicht, weil ich die ganze Zeit auf Konzerten und mit Künstlern rumhängen möchte.

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Wann und wie ging das dann los, dass du tatsächlich bezahlte Aufträge erhalten hast? Gab es ein besonderes Bild, das den Durchbruch brachte?
Also der erste Künstler, der mich "entdeckt" und gefördert hat, war Rick Ross, der auch immer wieder meine Fotos gepostet und mir Credit gegeben hat. Ich würde sagen, das war der Anfang, wie ich dann in die HipHop-Konzert-Fotografie reinkam und auch Beachtung bekommen habe. Ich bin dann später zum Beispiel mit Future auf Tour gegangen, was dann ein Auftrag war. Aber nach wie vor mache ich viel in meiner Freizeit.

Was macht denn ein gutes Konzertbild für dich aus?
Für mich hauptsächlich, wie wirklichkeitsgetreu das Bild den Moment reproduziert. Es muss so realistisch wie möglich sein. Ich will ein Bild ansehen und mich dabei fühlen als sei ich dabei. Fotos müssen in einem Gefühle hervorrufen. Und natürlich, dass der Künstler gut aussieht, heißt: kein Auge irgendwie hängt oder der Mund abartig zu einer Grimasse verzerrt ist. Ich will immer, dass die Künstler gut auf meinen Bildern aussehen.

Hast du ein Lieblingsfoto von dir?
Das ist schwer, weil es sich ständig ändert. Ich mag das Foto sehr gern, das ich bei der Summer Jam während des G.O.O.D. Music Sets von Desiigner gemacht habe, wo er so in die Luft springt. Ich finde, man kann genau die Emotionen von jedem einzelnen erkennen: Kanye, Pusha T, Travis Scott und eben Desiigner. Es war so ein Highlight-Moment. Aber ich liebe auch das Bild von Chance the Rapper vor dem roten Hintergrund. Oh nein warte. Das, was ich von Kanye West bei der "Saint Pablo"-Tour geschossen habe mit den roten Lasern. Beyoncé hat es auf ihrem Instagram gepostet und ich habe geweint [lacht].

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Gibt es denn ein Traumkonzert, das du gerne einmal shooten möchtest?
[Wie aus der Pistole geschossen] Beyoncé! Abseits davon, dass ich als Frau natürlich Beyoncé und alles, was sie macht, vergöttere, sind ihre Shows so aufwendig und ausgefeilt. Es ist einfach ein wunderschönes Spektakel. Sie sind ein Traum für jeden Fotografen, besonders für einen Konzertfotografen. Je mehr visuelle Produktionen und Bühnendesign man hat, desto besser sehen die Fotos aus. Wenn man also an "Show" denkt, ist Beyoncé einfach an aller erster Stelle. Ich würde alles stehen und liegen lassen, um mit Beyoncé zu touren.*

Wie wichtig sind soziale Medien wie Instagram und Co. für dich?
Es ist total entscheidend für mich, auf Instagram und den sozialen Medien aktiv zu sein. Du weißt nie, wen du erreichst. Der Großteil meiner vergangenen Projekte und auch der Großteil derer, an denen ich im Moment arbeite, kam durch Kontakte via Social Media zustande. Ob ich dort nun Menschen kennenlerne, die mir neue Möglichkeiten eröffnen können oder ich direkt Jobangebote bekomme – es spielt eine riesen Rolle. Wenn man heutzutage seine eigene Marke aufbauen, Einfluss haben möchte, ist Social Media, Engagement und sich weitläufig zu connecten so, so wichtig! Es gibt einfach so viele Leute, in meinem Fall: Es gibt so viele Fotografen.

Das ist genau die Sache: Heutzutage ist ja jeder irgendwie Fotograf, der ein Smartphone und ein Instagramprofil hat. Ist es also nicht Fluch und Segen zugleich? Mehr Chancen, aber eben auch mehr Konkurrenz?
Es ist ein Segen. Da der Markt so einfach zugänglich ist, gibt es klar mehr Konkurrenz. Aber das bedeutet lange nicht, dass alle Bilder toll sind. Die meisten Bilder sind eben nicht gut oder haben nicht das gewisse Etwas. Die, die es draufhaben, stechen immer raus – egal wieviel Konkurrenz es gibt. Meine Hauptintention ist: Ich will niemals, dass ein Künstler schlecht aussieht. Und viele Leute posten Bilder von Stars, einfach nur weil sie eben Promis sind, obwohl sie grauenvoll auf dem Bild aussehen.

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Nervt es dich auch so, dass die Leute auf Konzerten mehr damit beschäftigt zu sein scheinen, verwackelte Handyfotos zu schießen, statt sich einfach die Show anzusehen?
Ja total, es erschlägt einen manchmal richtig. Deswegen bin ich auch ungern vorne in der ersten Reihe und blockiere anderen die Sicht, die gutes Geld ausgegeben haben, um diese Show zu sehen. Und darum geht es ja: Ich verstehe nicht, warum man so viel Geld für eine Show ausgibt und dann nur auf sein Handy starrt.

Was würdest du von einem Handyverbot bei Konzerten halten?
Ich kann verstehen, warum manche Leute das gut fänden, aber wir leben heute nun mal auch in einem Zeitalter, wo die Menschen an ihre Smartphones gebunden sind. Ich bin zwar kein Mensch, der alles dokumentieren muss, aber ich bin auf jeden Fall jemand, der hier und da etwas snappt, weil ich sagen will "Hey Leute schaut mal, ich bin gerade hier." Es geht einfach wie immer um die Balance.

Hast du das Gefühl, als in der HipHop-Szene arbeitende Frau anders behandelt zu werden?
Gegenfrage: Gibt es in Deutschland viele Konzertfotografinnen?

Ich würde sagen nein. Beziehungsweise gibt es im Bereich HipHop allgemein, sei das nun Fotografie, Journalismus oder eben die Musiker selbst, immer noch relativ wenige Frauen. Aber es wird mehr.
In den USA ist das dann glaube ich anders, also vor allem auch bei den Fotografen. Da gibt es recht viele Fotografinnen, sogar vor allem im HipHop. Ich finde es toll, als Frau im HipHop zu arbeiten, weil die weibliche Perspektive oft eine andere ist. In einem so männerdominierten Feld kann das ein Vorteil sein; man hebt sich eben ab und es ist interessant. Klar könnte man sich fragen: Würdest du mich pünktlich bezahlen, wenn ich ein Typ wär? Würdest du mich für das und das engagieren, wenn ich dein Bro oder einfach ein Kerl wäre? Aber ich möchte mich nicht auf diese "Nachteile" fokussieren, die es vielleicht gibt oder nicht, weil ich selbst nicht so denke. Ich will die Beste sein. Nicht die beste weibliche Fotografin – ich will eine der besten Fotografen überhaupt sein. Punkt.

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*UPDATE: 2018 hat Ravie ihren Traum verwirklicht und begleitet Beyoncé und Jay-Z auf deren "On The Run ll"-Tour.

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