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Interviews

Berner Rapper will den ICF revolutionieren—MC Erlöser im Interview

MC Erlöser unterwandert mit seinem Werbevideo "Chumm zum ICF" die Freikirche. Wir haben mit ihm über Gott, Gebete und Sexpartys gesprochen.
Foto: Screenshot Youtube

Auf YouTube behauptet ein Schweizer Rapper namens MC Erlöser, dass er der Messias sei und versucht mit einem Werbevideo, wie er den Clip zu seinem Song "Chumm zum ICF" selber nennt, Menschen zu bekehren. Die Organisation, die er dabei zu unterstützen vorgibt, ist das International Christian Fellowship​ (ICF)—eine christliche Organisation, die sich als neuartige Kirchgemeinde positioniert und als "überkonfessionelle Freikirche auf biblischer Grundlage" versteht, "die aus dem Traum entstanden ist, Kirche für die Menschen wieder dynamisch, lebensnah und zeitgemäss zu gestalten". Die Gottesdienste des ICF heissen Worships und finden nicht etwa in gewöhnlichen Kirchen, sondern in Konzerthallen statt, in denen gemeinsames Singen, Konzerte, Musicals und multimediale Bibellesungen als Events aufbereitet und einem jungen Publikum präsentiert werden. Das erklärte Ziel bei allen Aktivitäten des ICF sei es, "Menschen zu helfen und sie dabei zu unterstützen, eine persönliche Beziehung mit Jesus Christus aufzubauen". MC Erlöser behauptet, dies sei auch sein Ziel. Jedoch wollen ihm das die Leute des ICF trotz seines "Werbevideos" nicht so recht glauben. Wir haben MC Erlöser​ausfindig gemacht und ihm ein paar Fragen gestellt.

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Noisey: Dein Video zu "Chumm zum ICF" schlägt gerade grosse Wellen und hat es in die grossen Medien der Schweiz geschafft. Dich kennt aber keiner so wirklich—kannst du dich uns kurz vorstellen? Wer bist du und was ist deine Mission?
MC Erlöser: Ich bin MC Erlöser, meines Zeichens Entzweier der Gerechten und Geächteten und jüngstes Mitglied der Chaostruppe​ aus Bern. Meine Mission ist es, dem ICF zu noch mehr Mitgliedern zu verhelfen. Es sind harte Zeiten und man ist auf zahlungskräftige Mitglieder angewiesen. Darum habe ich mir gedacht, ich mache einen Werbespot für das ICF und versuche, ihn unter die Leute zu bringen, damit sich ganz viele Menschen ICF anschliessen. Ich verstehe nicht, dass das der ICF-Führung irgendwie nicht so gefällt. Ich wollte doch nur helfen. Jetzt habe ich mich entschlossen, das revolutionäre ICF ins Leben zu rufen. Ich will das ICF revolutionieren und es mir unter den Nagel reissen. Auch das scheint der ICF-Führung nicht wirklich zu gefallen. Sie versucht, mich mundtot zu machen.

In Bezug auf was willst du das ICF revolutionieren? Was soll sich ändern?
Ich will, dass das ICF dazu steht, was es ist: Es ist Partyservice, Partnervermittlung, Rhetorikseminar, Psychosanitäranlage und nicht zuletzt eine Geldkuh. Ich will, dass wir als RICF offen kommunizieren, dass Jesus sagt, dass man uns Geld geben soll. Ich will, dass du weisst, dass wir dir sagen, dass du giga bist, wenn du uns Geld gibst, du toller, schöner Mensch. Ist dieser ehrliche Punkt erstmal erreicht, ist alles möglich: bessere Musik (der vulgarisierte Kapitalismus hat doch schon bei 50 Cent​ funktioniert), ein rüderes und besseres Vokabular, Drogenhandel mit echten Drogen (nicht nur den körpereigenen, die beim übertriebenen Worshippen ausgeschüttet werden) und Sexpartys—schliesslich lässt sich mit der Bibel alles begründen, besonders weil man es bei ICF mit der Logik nicht so genau nimmt. Es zählt alleine die Rhetorik.

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Du sagst, die ICF-Führung versucht, dich mundtot zu machen? Wie denn?
Sie drohen mir juristisch, sperren meine Accounts auf Videoportalen und wollen verhindern, dass mein Werbevideo noch mehr Leute erreicht. Sie lassen mich in den einschlägigen Facebook-Gruppen keine Kommentare mehr schreiben und blockieren mich. Leo Bigger​, der Gründer und Führer des ICF, hat mich erst gerade von seiner Fanseite auf Facebook ausgeschlossen. Ich werde regelrecht schikaniert. Mein Minigolfabo ist nicht mehr gültig. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch mit Leo Bigger zu tun hat. Und der wichtigste Teil der Ausgrenzungspolitik seitens der ICF-Führung: Sie beten gegen mich. Das tut eigentlich am meisten weh.

Hattest du denn, abgesehen von den Gebeten, schon direkten Kontakt mit Leuten des ICF? Sie sagen doch, sie fänden dich witzig—waren sie nicht nett zu dir?
Ja, ich hatte Kontakt mit den Leuten des ICF. Sie waren schon nett und so, aber witzig finden sie mich nicht. Das sagen sie nur, weil Jesus​ es auch witzig gefunden hätte. Einige bezeichneten mich gar als Maulaffen.

Das sind harte Worte. Warum nimmst du das alles in kauf?
Ich habe gehört, dass die bei ICF ordentlich Geld machen und viele willige Frauen haben. Das fand ich halt geil und es waren genug Argumente, sodass ich versucht habe, mich als Aushängeschild des ICF zu verkaufen. Das erste Aushängeschild des ICF war ja, wie ihr wisst, Jesus und ich wollte in seine Fussstapfen treten. Aber das ICF will mich offenbar nicht in der Führungsriege und versucht mich nun zum Schweigen zu bringen. Aber ich lass mich nicht aufs Kreuz legen und werde die anderen Backen hinhalten. So bin ich. Ehrlich, ich will mich ja nicht selbstbeweihräuchern aber ich bringe doch alles mit, um in den Kreis der ICF-Leiter aufgenommen zu werden. Und so schwer ist diese Aufgabe doch gar nicht: Man trumpt sich beispielsweise einfach revidierbare Wahrheiten zurecht, die man auf Bibelstellen​ bezieht. So habe ich auch mit einer Stelle argumentiert, in der steht, dass, wenn Frau und Mann intim zusammenkommen, das Ebenbild Gottes entsteht. Ich habe meine Jünger in diesem Sinne beauftragt, Pornografierecherchen zu betreiben. Ich habe auch gemerkt, dass ich meine schwulen Kollegen bei ICF vor Befriedigung warnen muss.

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Wie steht das neue, revolutionäre ICF eigentlich zur Homosexualität?
Die Homosexualität war im alten ICF zwar OK, aber die gegenseitige Befriedigung unerwünscht, obwohl es eigentlich alle geil finden. Man sagt sich halt dann vor dem Nachhausegehen Dinge wie: "Hey, lassen wir das Hydranspiel für heute bleiben." Diesen Punkt überarbeiten wir im neuen, revolutionären ICF, weil es geil ist. Unsere Bibeln sind leider noch nicht fertig geschrieben, solange müssen wir uns noch an die alten Wälzer halten. Was aber zum Bruch mit ICF geführt hat, war etwas anderes.

Was war dann der echte Grund für den Bruch mit ICF?
Zwei Freunde von mir, Martin Wenger (53, männlich) und Kikini Bamalam (17, weiblich) sind eine Liebesbeziehung eingegangen. Nur hat sich die ICF-Gemeinde daran gestört. Die beiden waren nicht mehr willkommen. Klar war es etwas problematisch, dass sie seine Tochter ist, aber auch das könnte ich mit den nötigen Bibelstellen auffangen. Item: Ich kann die beiden seit Tagen nicht erreichen. Ich hoffe, die ICF-Community hat ihnen nichts angetan, sondern dass sie nach Portugal durchgebrannt sind.

Fühlst du dich von ICF missverstanden?
Wenn schon, fühlt sich Gott von ICF missverstanden. Ich hingegen werde gar nicht verstanden—sie sind noch nicht bereit für den Erlöser. Sie hatten auch das Gefühl, man sehe den Frauen im Video die Frustration an, dabei sind diese völlig glücklich und befriedigt nach Hause gegangen. Als ich mein ICF-Werbevideo veröffentlicht hatte, kommentierte einer: "Wenn Gott die Musik erfunden hat, dann hat er auch einen Musikgeschmack—überlegt euch das mal!" Ich habe mir das überlegt und bin nach der gleichen Logik auf viele interessante Gedanken gestossen, wie zum Beispiel: "Wenn Gott die Homosexualität erfunden hat, dann hat er in diesem Bereich auch seine Vorlieben." Glücklicherweise hat sich Gott dann im nächsten Kommentar gemeldet mit den Worten: "Da hast du recht mein Sohn. Rap ist okay, aber dieses Emogitarrengeschrömme müsste nicht sein. Und diese lästigen Psalmen. Wo mir wirklich einer abgeht, ist Hintergrundmusik von Pornos aus den 80ern." Damit hatte er nicht nur Stellung bezogen, sondern die Lage wieder entschärft.

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Glaubst du, Gott steht eher auf deiner Seite als auf der des "echten" ICF?
Ich arbeite eng mit Gott​ zusammen. Er hat schon öfters auf YouTube bei diesen Bibelrappern Werbung für das neue, revolutionäre ICF gemacht und bekundet, dass wir die geilere Mucke haben. Auch hat er gesagt, als ein ICF-Führungstier meinte, die Verwendung des Logos und der Klarnamen würden für uns "unschöne Konsequenzen haben", dass er das Werk in Auftrag gegeben habe und dass er seit der unschönen Sache mit seinem Sohn viele Anwälte unterhalte. Einen davon durften wir bereits benutzen, bei der Chaostruppe wird er rockigerweise Young Landmann genannt.

Wie sollte sich diese Geschichte, der Zwist zwischen dem echten ICF und dem neuen, revolutionären ICF nun entwickeln, damit du zufrieden bist?
Ich bin grundsätzlich zufrieden. Allerdings sollte es schon eine Machtverschiebung zu den neuen Werten des revolutionären ICF geben, so dass zum Beispiel am Ende des Tages vielleicht auch mal abgetrieben werden kann, ohne dass herumgejammert wird. Auch ist das Geld, das die naiven und charakterschwachen Opfer für die Anerkennung, Bestätigung und Geborgenheit bezahlen, bei uns besser aufgehoben. Heil dem neuen und revolutionären ICF.

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