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Ich verstehe eure Yung Hurn-Liebe einfach nicht

Seit heute ist Yung Hurns Album '1220' draußen. Für unsere Autorin macht er Musik, die klingt wie das, was uns der Musiklehrer im Gymnasium zum besseren Verständnis des Wortes "Dissonanz" vorgespielt hat.

Und ich sag Nein. Diese Textzeile aus Yung Hurns erstem Hit "Nein" (oder ausgesprochen "Näään") beschreibt meine Haltung gegenüber österreichischem Cloudrap eigentlich ziemlich gut. Und darf man jetzt eigentlich Cloudrap dazu sagen? Sagt dazu, wie auch immer ihr wollt: Cloudrap, Rap, HipHop, schlechte Musik oder Musik, die für mich klingt wie das, was uns der Musiklehrer im Gymnasium zum besseren Verständnis des Wortes "Dissonanz" vorgespielt hat.

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Seit längerer Zeit ist der Hype auch in Österreich angekommen—angeführt von Yung Hurn, einem Menschen, den man wahrscheinlich nur lieben oder hassen kann. Der von seiner polarisierenden Art lebt und der von Kritikern für seinen angeblichen Dadaismus gefeiert wird. Und er wird auch zu Recht gefeiert, denn er ist gut in dem, was er macht. Das kann ich nicht leugnen, obwohl ich gerne würde. Wenn ich ein 19-jähriges Mädchen aus Döbling wäre, würde ich ihn wahrscheinlich auch lieben. Dennoch wird es nach einem Jahr voller Lobgesänge Zeit für ein wenig (zugegeben ziemlich subjektiver) Kritik, denn genau so, wie ziemlich viele ihn lieben, hasse und verachte ich ihn aufrichtig.

Yung Hurn kultiviert eine neue Druffi-Ästhetik, die ich nicht ertragen kann und will. Ja, das könnte vielleicht daran liegen, dass ich Koksen eklig finde und es keine Niagara-Wasserfälle (splashy nass) in meinem Höschen auslöst, wenn sich jemand alle 30 Sekunden an die Nase fasst und Pillen für mich hat. Cocobello am Tisch? Ich sag Nein.

Aber völlig losgelöst von meiner Antipathie für diesen Menschen mag ich auch seine Musik nicht. Besser gesagt: Ich verstehe sie nicht und der Reiz entzieht sich mir auf jeder denkbaren Ebene.

Die Melodien sind zum Zua-Sein gemacht. Die Texte sind zum Zua-Sein gemacht. Und Yung Hurn ist zum Zua-Sein (oder zumindest so tun) gemacht. Natürlich spielen Hurn und seine Schnauzer tragenden, Hose in die Socken steckenden Freunde genau mit diesen Attributen und der Monotonie ihrer Musik. Sie spielen mit ihren trashigen 90s-Outfits, den Kappa-Shirts und den silbernen Alien-Sonnenbrillen. Sie sind wie ein Anti-Witz, der absolut keinen Sinn macht, über den man aber trotzdem—oder genau deswegen—schallend lacht.

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Aber was daran ist so neu und revolutionär, dass ein Hype daraus geworden ist? Kann die Musik tatsächlich Mitschuld am Phänomen Yung Hurn sein? Oder ist es Yung Hurns völlig geistesabwesendes Auftreten? Ist sein Leben in Wahrheit eine tiefgründige Metapher für die Sinnlosigkeit und Vergänglichkeit unseres Lebens und ich habe sie nur nicht verstanden? Oder ist es doch nur verschwendete Zeit, wenn ich mich überhaupt mit der Frage beschäftige, warum gewisse Dinge nunmal gehypet werden? Immerhin waren Ed Hardy-Shirts und die Kelly Family auch mal in und heute weiß niemand mehr so genau, warum eigentlich.

Die für mich naheliegendste Erklärung ist wohl, dass wir endlich wieder wilde, heimische Idole brauchen und alles nehmen, was wir kriegen können. Wir brauchen jemanden, der das Rockstar-Leben führt, den wir aber auch genauso gut im Billa treffen könnten, weil er gleich ums Eck wohnt.

Der einzige annähernd Wilde, den Österreich in musikalischer Hinsicht zu bieten hat, wäre wohl Marco Wanda, der zwar gelegentlich Schnaps säuft und sexuelle (aber nicht sexy) Stoßbewegungen andeutet, aber letzten Endes auch nur ein weiterer Langweiler ist. Da kann man sich schon mal in einen kleinen Hurn verlieben. Hoffentlich hält diese Liebe nicht mehr lange.

Für mich ist die Art Musik, die Yung Hurn macht, ein bisschen wie Snapchat. Jeder will es haben, weil er cool sein will, tief in unserem Herzen wissen wir jedoch alle, dass Snapchat der größte Scheiß und nur ein weiterer Trend ist, über den wir in zehn Jahren in irgendwelchen Nostalgie-Artikeln lachen werden und uns frei nach Moneyboy fragen: Was war das für 1 Musik?

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Bleibt nur zu hoffen, dass auch Hurn und seine grenzdebile Musik die typischen Phasen eines Hypes durchlebt: Erst kommt der Auslöser, der Projektbeginn—also wahrscheinlich das "Nein"-Video. Die nächste Phase nennt sich "Gipfel der überzogenen Erwartungen", die sich durch übertriebenen Enthusiasmus auszeichnet. In dieser Phase stecken wir gerade. Der junge Hurn ist unser Messias, er ist der Coolste, Beste, das, was er macht, ist keine Musik, sondern Kunst und jeder, der was anderes sagt, lügt und quält geheim kleine Baby-Hurns.

Dass wir jedoch schon am besten Weg ins "Tal der Enttäuschungen" sind, übersehen dabei viele. Irgendwann wird alles langweilig, uncool, wiederholt sich. Wer war nochmal Tante Ceccarelli? Eine der beiden Schwestern? Aber was dann kommt, macht Menschen wie mir große Freude: der Pfad der Erleuchtung—und der Hype nimmt langsam aber doch sein lange überfälliges Ende.

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Verena auf Twitter: @verenabgnr

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