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„Ecstasy ist das Beste, was Linz je passieren konnte“—Ages zeigen uns ihre Stadt

Wenn über eine Stadt gesagt wird, dass eine Messerstecherei wichtig für ihre Entwicklung war, dann hat man sich die Stadt von Ages zeigen lassen.

In Linz gibt es das Ars Electronica Festival, das Crossing Europe Festival und was eigentlich noch? Ages wohnen jetzt wieder alle in Linz und das habe ich zum Anlass genommen, mir die Stadt mal aus ihrer Sicht zeigen zu lassen. OK und vielleicht passt der Release ihres Debüt-Albums Roots auch ganz gut rein. Markus, Roland und Jürgen haben als A.G.-Trio und ihren DJ-Projekten die Verwandlung von der Industriestadt zu dem was Linz heute ist schon seit den 90ern miterlebt. Wir sind dazu durch die Stadt gewandert und haben dabei ein wenig über Hooligans auf Ecstasy, Messerstechereien in der Altstadt und gute Musik geredet.

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Solaris

Markus: Was elektronische Musik betrifft gibt es hier mit Sicherheit das gleichbleibend qualitativste Programm. Hier gibt es jeden Freitag und Samstag DJs, von denen ich weiß, dass sie gut sind. Ich leg selber aber nur mehr sporadisch auf.
Roland: Im Sommer ist auch vorm Solaris viel los. Das Turn Table Tennis war hier zum Beispiel mal.
Jürgen: Ich kann mich noch erinnern, dass sie mal den Cousin von Didi Bruckmayr rausgeworfen haben, weil der so rumgestänkert hat.
Roland: Hier im Solaris haben wir mit dem A.G. Trio eines der ersten Konzerte gespielt. Da war's so voll, dass ich nur Platz auf einem Sessel hatte und die Leute bis an die gegenüberliegende Rückwand standen.
Jürgen: Wir waren auch die ersten, die eine fette Anlage angeschleppt haben damals.

Remembar

Jürgen: Wenn man weitergeht vom Solaris kommt man zur nächsten wichtigen Location, der Remembar. Natürlich nur ein Schmäh, aber ich hab eine gute Geschichte dazu. Ich bin hier mal am Weg zum Solaris vorbeigegangen und der Türsteher hatte das Bedürfnis mir mitzuteilen, dass ich hier sowieso nicht reinkomme, obwohl ich gar nicht rein wollte. Das witzige an der Geschichte ist, dass sie gerade eine Nummer von mir gespielt haben. Also hier muss man nicht unbedingt hin.

Elysium

Jürgen: Das Elysium war so ein Gothik-Schuppen, das war da neben dem Leberkas Pepi. Ich wär da nie hingegangen, aber einer vom Backlab (das Künstlerkollektiv, dem Ages auch angehören, Anm.), der jetzt beim Bundesdenkmalamt arbeitet, hat uns da mal mitgeschleppt. Dort bin ich auf die komischste Art und Weise aller Zeiten angegraben worden. Da hat mich so eine halbnackte, volltattoowierte Frau mit zerrissener Strumpfhose gefragt, ob ich ihre Handschellen wo gesehen hab.
Markus: Der Barkeeper hat dir dort dein Bier auch gerne mit dem Schwert aufgemacht, wenn du ihn gefragt hast, habe ich gehört. Ich war leider nie dort.

Stadtkeller

Markus: Der Stadtkeller war glaub ich zwei Jahre lang als Club in Betrieb. Das ging von Linz09 aus. Auf jeden Fall gab es dort eben einen regelmäßigen Clubbetrieb, was in Linz ja nicht der Normalfall ist.
Jürgen: Das ist einem lässigen Club noch am nähesten gekommen. Ich hab da unten mal Fuckhead gesehen. Da ist keiner ohne Schleim, Sägespäne und Mehl am Körper rausgekommen. War super. Minigolf hat man da unten auch spielen können.
Markus: Ja, das ist ja riesig dort unten. Das sind alte Luftschutzbunker, die teilweise auch bis zum Hauptplatz reichen.
Jürgen: Ewig schade um die Location. Es war zwar alles nur provisorisch zusammengezimmert, aber genau so muss das sein.
Roland: Akustisch war es halt eine Katastrophe. Das Problem ist ja einfach, dass man nicht einfach zum Luger (dem Bürgermeister, Anm.) oder zum Pühringer gehen kann und sagen, dass man jetzt einen Club aufmachen will. Die sagen dann: „So Bum-Bum-Bum, das haben wir eh woanders auch schon." Die kennen keinen Unterschied zwischen Großraumdiskos und Subkultur.

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Tanzcafé Casablanca

Jürgen: Bunny Lake hat mal in der Stadtwerkstatt gespielt und der Christian Fuchs wollte unbedingt noch fortgehen. Wir haben uns dann das beschissenste Lokal ausgesucht und sind ins Tanzcafé Casablanca. Ihm hat's dann ziemlich gefallen dort. Ob er sich einen Haxenspreizer bestellt hat oder nicht, weiß ich leider nicht.
Markus: Das ist so ein Beisl, wo die Taxler und die Nutten in der Früh nach der Arbeit hingehen. Dort war ich öfter, muss ich gestehen.

Stadtwerkstatt

Markus: Früher hat man hier auf einer Wiese sitzen können. Jetzt steht da das Ars Electronica Center.
Jürgen: Ich kann mich noch erinnern, dass ich mit 18 hier mit einer Begleitung war und drinnen waren Flyer für eine Backlab-Veranstaltung auf der Markus und Roland aufgelegt haben, die hab ich damals noch nicht gekannt. Ich hab dann meine Begleitung gefragt, ob sie denn die DJs kennt, worauf sie meinte: „Bist deppat? So cool bin i a wieder net."
Markus: Es war aber doch recht schwer für uns in Linz als Veranstalter Fuß zu fassen. Wir sind ja ursprünglich aus Freistadt und nur durch die damalige Stadtwerkstatt-Chefin Gabi Kepplinger schafften wir das. Die wusste was wir machen und ermöglichte es uns, hier zu veranstalten. Deswegen sind wir halt eben auch so stark zur Stadtwerkstatt verbunden.
Jürgen: Und wegen dem Wuzzeltisch.

Tunnel & Cembrankeller

Jürgen: Im Tunnel hab ich den Roland zum ersten Mal live gesehen. Der hat da auf einem Tisch mitten im Publikum gespielt. Es war ein Wahnsinn dort. Als normaler Mensch ist man dort reingegangen und wenn man rausgekommen ist hat man schon zum Schimmeln angefangen.
Roland: Ja das stimmt. Es war alles feucht und nass und schimmlig.
Jürgen: Aufs Klo hat man sowieso nicht gehen können. So hohe Gummistiefel hat's gar nicht gegeben. Der Cembrankeller war von der Feuchtigkeit ähnlich. Dort waren teilweise super Konzerte, aber der Boden ging leicht bergab und nach einer Stunde hatte man vom Stehen ärgste Rückenschmerzen.
Roland: Ich war ja früher Mod mit Vespa und allem und die ganze Danube Rave Sache, die ja eigentlich total super war, fand ich extrem uncool. In den Cembrankeller ist man eigentlich nur gegangen um Drogen zu kaufen. Damals gab es auch noch Hooligans und man wurde zu 90%iger Sicherheit verdroschen, wenn man durch die Altstadt ging. Man muss auch sagen, dass durch diese Techno-Bewegung diese Hooligans in der Altstadt plötzlich durch den Einfluss von Ecstasy nur noch über Toleranz geredet haben. Insofern war Ecstasy in den 90ern das Beste, was Linz je passieren konnte.
Markus: An Linz mag ich ja am meisten, dass die Szenen nicht so hart getrennt sind wie in Wien. Alle die Musik machen, kennen sich hier und tauschen sich auch aus. Texta, die hier eh fast jeder kennt, oder Shy, die es jetzt nicht mehr gibt, haben uns immer wohlwollend unterstützt. Das hängt vielleicht eben auch damit zusammen, dass es hier nicht so viel Angebot gibt. Man schaut sich auch eher mal was an, was nicht in die eigene Schublade passt.

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Con.trust

Markus: Das Con.trust war ein Plattenladen zu einer Zeit, in der ich wirklich viel aufgelegt habe. Da haben sich halt alle DJs getroffen, da wurden Bookings vereinbart und Demos ausgetauscht. Das Con.trust hat durch seine Plattenauswahl auch einen eigenen Sound geprägt. Sie haben viel aus Frankreich angeboten, zu einer Zeit, wo sich alle an Kompakt aus Köln orientiert haben. Man hat dann auch gemerkt, wenn ein DJ aus Linz ist, weil die eben ihren eigenen Sound hatten, den damals nur das Con.trust angeboten hat. Der ehemalige Betreiber Martin Klein schreibt jetzt übrigens für Fischer Magazine.

Virgin-Store

Jürgen: Ich bin gleich hier in der Nähe zur Schule gegangen. In der Mittagspause sind wir hier in den Virgin-Store um Musik zu hören. Wir selber hatten ja keine.
Roland: Den Wurlitzer hat's gegeben im Fernsehen.
Jürgen: Der Virgin-Store war quasi der Wurlitzer in echt. Dort hat auch Uwe Walkner gearbeitet, der später dann als walkner.moestl auf G-Stone released hat. Also eine lokale Weltgröße in Linz. Aber eigentlich geht es um den Gypsy, den jeder Linzer kennt.
Roland: Hier um's Eck in der jetzigen Atrium Arkade hat es auch mal einen Rave-Up Records gegeben. Das war so ein winziges Plattengeschäft, da hat der Gypsy auch gearbeitet
Markus: Vor ein paar Jahren steh ich mit dem Gypsy am Taubenmarkt—mittlerweile kennen wir den ja auch schon persönlich—da kommt tatsächlich der Ernst Hausleitner daher. Der moderiert die Formel 1 im ORF. Ich bin ja riesiger Formel 1-Fan und ich dreh mich so zu ihm und er schaut zurück und geht direkt auf uns zu und sagt: „Seas Gypsy!"
Jürgen: Du kannst hingehen wo du willst in Linz, der Gypsy geht bei dir vorbei.

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Altstadt

Roland: Ich weiß noch als ich 14 war und Linz das reinste Drecksloch war. Es war wirklich eine Industriestadt. An jeder Ecke gab's ein Puff, die gibt es heute zwar noch, aber weit nicht mehr so viele.
Markus: Mittlerweile gibt es in der Altstadt die hippen und die grindigen Sachen parallel. Mal schauen, wie lange das so bleibt.
Jürgen: Jetzt haben ja gerade wieder zwei Lokale zugesperrt, weil es dort eine Messerstecherei gegeben hat, bei der einem der Hals aufgeschnitten wurde. Aber im Umkreis von der Altstadt entwickelt es sich schon eher Richtung hip. Aber damit sich da großartig was ändert, müssen wahrscheinlich noch ein paar Leute abgestochen werden.
Markus: Soll ich noch etwas plakatives sagen wie: „Hey, Leute abstechen gehört in Linz einfach dazu"?
Roland: Leute abstechen war wichtig für die Entwicklung der Linzer Altstadt.

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