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Interview

"Das Bühnenbild ist anders, das Drama ist immer das gleiche" – Steff la Cheffe ist so ehrlich, dass es weh macht

"In einer Beziehung" oder "Es ist kompliziert"? Steff la Cheffes neue Platte 'Härz Schritt Macherin' liefert den perfekten Soundtrack für jeden Beziehungsstatus.

Manchmal hörst du einen Song und denkst: "Fuck, hat jemand mein Tagebuch gelesen? Wurde mein Messenger gehackt?" So könnte es dir mit dem neuen Album Härz Schritt Macherin von Steff la Cheffe ergehen, das am 4. Mai erscheint. Ob du beim Anhören ein paar Tränen wegwischst, dich köstlich amüsierst, oder beides – irgendeine Emotion wird Steff in dir auslösen.

Fünf Jahre war es ruhig um Steff la Cheffe, denn die Berner Rapperin hatte sich, trotz Anerkennung und Auszeichnungen, aus dem Showbiz zurückgezogen. Stattdessen hat sie für ein KMU Käse verpackt und verkauft. "Ich hatte eigentlich keinen Bock auf Öffentlichkeit, auf eine ganze Tour, auf die Regeln des Business. Ich wollte einfach in Ruhe Songs machen", erklärt die 31-Jährige, als wir uns in Zürich Altstetten auf einen Kaffee treffen. Die ursprüngliche Idee sei eigentlich eine EP gewesen, aber durch die dynamische Zusammenarbeit mit Benjamin Noti (Gitarre) und Ben Mühlethaler (Drums, Synths) sei daraus eine ganze Platte entstanden. Ein therapeutischer Prozess, findet Steff. Es sei ihr darum gegangen, ein Ventil zu finden, Gefühle loszuwerden und sie zu transformieren. Die Melodien und Texte seien ihr zugeflogen wie noch nie zuvor. "Früher sass ich manchmal wochenlang an einem Track, dieses Mal wurden wir fast süchtig nach dem Musikmachen", lacht sie.

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Die Rapperin und Beatboxerin singt und rappt so umfassend über Herzensangelegenheiten, dass jeder Mensch, der schon mal geliebt hat, sich darin wiederfinden kann: Solltest du die Nummer einer gewissen Person auf deinem Telefon löschen, weil du eigentlich weisst, dass ihr einander nicht gut tut? Oder gibt es da jemanden, den du so sehr willst, dass du an nichts anderes mehr denken kannst?


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Extrem ehrlich und unverblümt singt sie von den Momenten, in denen Liebe weh macht, fast zur Sucht wird. "Man könnte meinen, Ehrlichkeit mache einen verletzbarer, aber sie gibt mir eine Art Immunität. Zu den eigenen Schwächen zu stehen, macht einen stärker", sagt Steff. Es seien eher die Geheimnisse, die einen schwächen, da man ständig Angst habe, dass jemand sie rausfindet. Liebe, Lust, der Kampf mit den inneren Dämonen – Steffs Themen sind universell, gerade deshalb schlagen sie ein. "Als Kind denkst du: 'Die anderen haben viel coolere Spielsachen', und später merkst du: Das Bühnenbild ist vielleicht anders, aber das Drama ist immer das gleiche", fasst sie zusammen.

Härz Schritt Macherin hat einen Soundtrack für jedes Stadium einer Beziehung, eine rosarote Brille trägt Steff la Cheffe aber nicht. Manchmal ist die Liebe grausam für den anderen – "Ha no xeit söllsch ufpasse, jetzt ligsch ir Bluetlache" (aus "Brachland") – manchmal für einen selbst: "Du häsch mer Muet gmacht, du häsch mer Angscht gmacht" (aus "Vakuum"). Plötzlich sind da Angst, Wut und Verzweiflung statt Liebe, Trubel und Heiterkeit. Nach dem Schlussstrich bleibt ein Funken Hoffnung darauf, dass es wieder gut kommt: "I ha gloubt es chunnt guet, ich ha ghofft bis am Schluss" (aus "Mondnacht"). Und manchmal weisst du selbst nicht, was du willst: "Lug, ich chan nid mit dir, aber o nid ohni" (aus "Symphonie"). Du weisst, dass dir der andere nicht gut tut, aber du kannst und willst noch nicht loslassen. Bis du einsehen musst, dass Sehnsucht die schlimmste Sucht ist und du einen Entzug brauchst: "I ha der nume welle Muet mache, aber guet gmeint isch nid guet gange" (aus "Esperando").

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Steff schliesst auf dem Album den Kreis und kommt im letzten Track auf Selbstliebe und Selbstfürsorge zu sprechen – das sei die Basis jeder gesunden Beziehung, sagt sie. Man müsse die eigenen Grenzen kennen, damit man besser auf sich Acht geben könne. Zeit für sich einplanen, gut kochen oder allein ins Kino gehen. "Es geht darum, für sich selber das zu sein, was man sich wünschen würde, und es nicht auf irgendjemanden zu projizieren", erklärt die Bernerin.

Apropos eigene Bedürfnisse: Auf der Platte gibt es auch einen wunderbaren Song über Frühlingsgefühle – und zwar in der Lendengegend. Songs über weibliche Libido hört man selten, Steff wurde für "Badmeischter" schon zum Männer vernichtenden Vamp erklärt. "Wenn eine Frau einen Track über Begehren schreibt, finden die einen es mega geil, andere wollen dich gleich in eine Schublade stecken", sagt sie. "Oder sie sind verstört, werden rot und es ist ihnen unangenehm. Ich finde dieses Thema wichtig in der Musik. Wenn ein Mann das macht, ist es nicht mal der Rede wert."

Leben die Menschen wirklich noch nach diesen Geschlechterklischees? Steffs Erfahrung nach schon. "All diese Ungerechtigkeiten, die Männer und Frauen in Rollen zwängen, passen für niemanden richtig und sind weder gesund noch akzeptabel. Das geschieht leider überall, ich konnte das auch in der Rapszene beobachten. Und ich bin froh, dass ich mit der Musik ein Werkzeug habe, um die Erlebnisse und Gefühle in etwas zu verwandeln." Sind wir auch, denn würde Steff nur an der Käsetheke stehen, hätten wir einen Soundtrack fürs Leben weniger.

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Steff la Cheffe live
10.05.2018 - Luzern, Südpol
12.05.2018 - Bern, Dachstock
19.05.2018 - Zürich, Moods
29.06.2018 - Biel, Braderie
11.07.2018 - Bern, Gurten Festival
11.08.2018 - Lichtensteig, Jazztage
19.08.2018 - Gampel, Open Air Gampel


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