"Das Gefühl von Einigkeit" – Vague erzählen uns von 'LAND'
Alle Fotos: Christopher Glanzl

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Neue Musik

"Das Gefühl von Einigkeit" – Vague erzählen uns von 'LAND'

Am Freitag feiern Vague den Release ihres neuen Albums 'Land' in der Arena. Wir waren vorab mit der Band im 10. Bezirk Eis essen, haben uns von ihrer Ehrlichkeit beeindrucken lassen und unter anderem über Lebensumstände philosophiert.

Vague also. Als ich auf dem Platz vorm traditionellen Eissalon Tichy im 10. Wiener Gemeindebezirk auf meine Interviewpartner warte, denke ich darüber nach, wie oft die Jungs denn nun schon billige Schmähs über ihren Namen erduldet und gehört haben müssen: Heute also keine billigen Witze oder vage Vermutungen - pun intended. Vague, das sind die fünf Herren Simon, Konstantin, Juan, Gabriel und Gregor. Letztere treffe ich an diesem heißen Tag vorm Tichy zum Plausch über deren neues Album LAND, die Motivation hinter ihrer Musik und den Spaß, den es macht, die Dinge einfach mal nicht zu verkopfen, sondern ihnen ihren natürlichen Lauf zu lassen.

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LAND knüpft da an, wo die Vorgängerplatte In The Meantime aufgehört hat: Keine prätentiösen Gitarrensoli, kein larger-than-life-Sound, keine unnötigen Experimente, um einen Stilbruch einzuleiten. Vague sind eine klassische Gitarrenband mit drei Gitarren, Bass und Schlagzeug. Jeder schreibt Songs und alle drei Gitarristen übernehmen abwechselnd das Gesangsmikrofon. Ich frage also, ob es jemanden in der Band gibt, der gerne zu viel macht, was bei der üppigen Gitarrenbesetzung ja durchaus passieren kann. Schlagzeuger Gregor identifiziert sich sofort selbst als Übeltäter und erklärt mir charmant, dass das bei ihm schon mal passieren kann. Darüber werde dann aber zielführend geredet und dekonstruiert. Gabriel hakt ein: "Die Besetzung ist bewusst so gewählt. Natürlich könnte man den Stil brechen, indem mal der eine oder andere an den Synthesizer oder ans Piano wechselt und man nur mit einer Gitarre spielt, aber wir waren immer so eingestellt. Da würde ich sonst ein anderes Projekt machen."

Was bei der neuen Platte auch auffällt, ist, dass die Jungs auf einen Produzenten komplett verzichteten und alles in DIY-Manier selbst im Proberaum und vorab zuhause aufgenommen haben. "Wir wollten das so machen wie am Anfang. Es kommt aber auch ein gewisser zeitlicher Aufwand dazu, wenn du ins Studio gehst. Da heißt es mal mindestens zwei Wochen Vorproduktion, bevor man dann wirklich mit dem Aufnehmen beginnt. Mit unserem Leben daneben geht sich das halt inzwischen schwer aus," sagt Gabriel.

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Mit dem Leben daneben meint er auch den Umstand, dass die Band geografisch voneinander getrennt lebt: Simon wohnt inzwischen in Berlin, Konstantin derzeit in Zürich, der Rest eh in Wien, nur trennt einen hier auch der Umstand der Arbeit und/oder des Studiums. Proben funktioniert dann ähnlich, wie auch das Patchwork zur Albumaufnahme: in Etappen. "Das wird eh auch wieder spannend," sagt Gregor, "wie wir die Songs live arrangieren und auch die neuen Sounds einbauen können." Ein bisschen weiter trauen sich Vague auf ihrem zweiten Album nämlich schon vor – gleich der Opener "Camry" verabschiedet sich nach dem letzten Refrain mit einem prominenten Saxophon-Outro.

Auch beim "Song Fallin’ In Love" wird nicht an Saxophonschmalz gespart. Gemeinsam mit dezentem Vocoder über Simons Stimme taucht man hier in diese Klangwolke des Gefühls ein, die der Titel offensichtlich beschreibt. Überhaupt sind Vague eine sehr atmosphärische Band, bei denen die hypnotische Repetition der Gitarrenflächen das vielleicht wichtigste Stilmittel ist und sich so trotz allem ein roter Faden durch das Songwriting und eben auch die Songs zieht, wenngleich es verschiedene Songwriter gibt. Gabriel führt aus, dass es sich bei Land eigentlich um eine Sammlung von Lebensumständen handle.

Der Titel soll eben dieses Ankommen im Leben beschreiben. "Wir sind alle in der Zeit um Ende 20. Studium hört auf, was machst jetzt, wo geht’s hin? Ich wollte nie in einer Band sein, in der man sagt: 'OK, es kommen die ersten grauen Haare – jetzt müssen wir schauen, dass wir ins echte Leben eintauchen, also präsentieren wir das auch so.' Sondern es ist eher so wie auch bei den meisten unserer Freunde: 'Oh Gott, gelandet - jetzt schauen wir erst einmal wo wir sind.' Es wäre lächerlich, wenn wir da auf Altrock oder Post-Punk versuchten, daherzukommen. Das sind auch nicht wir."

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Gabriels Art, die Dinge charmant witzig, aber mit Nachdruck zu beschreiben, erklärt den Zugang von Vague nur zu gut. In dem Gespräch, das wir führen stellt sich schnell heraus, dass es den Jungs einfach nur um die Musik geht und nicht alles zu Ernst zu nehmen: "Wir hatten schon auch einen großen Pool an Songs zum Auswählen", sagt Gregor. Gabriel ergänzt: "Und da sind sicher einige dabei gewesen, die mehr Potential hinsichtlich Airplay oder so gehabt hätten. Die Songs, die jetzt drauf sind, schaffen unserer Meinung halt mehr das Gefühl von Einigkeit."

Also doch auch irgendwie kontrolliertes Chaos. Es ist schon beeindruckend, wie einfach es Vague auf ihrem zweiten Longplayer gelingt, die verschiedenen Zugänge, Stationen und Lebensumstände klanglich miteinander zu verbinden. Zugegeben, jede Band hat ihren eigenen gewissen Sound, aber nicht selten kann es eben passieren, dass die Egos der einzelnen Mitglieder da aufeinander treffen. "Die Chemie stimmt bei uns", sagt Gabriel. "Durch meine Arbeit ( Gabriel arbeitet als selbstständiger Kameramann und Regisseur, Anm. d. Red.) habe ich bereits viel mit anderen Bands zusammen gearbeitet und die wenigsten sind noch in Originalbesetzung."

Die obligatorische Frage nach den Einflüssen der Band auf der Platte wird zu einem kurzen Pro und Contra über heutige und "gestrige" Streaming-Dienst-Anbieter. Die Gegenüberstellung des "Mix der Woche" und des womöglich selektierteren "Diggens" auf YouTube. Wir einigen uns darauf, dass die verwendeten Algorithmen ihre eigenen Vor- und Nachteile besitzen und verteufeln nichts davon, sondern erfreuen uns der gefundenen Juwele. "Vielleicht gehört das auch zu diesem Ende-20-Ding, aber ich höre gar nicht mehr so viel Musik wie früher," sagt Gabriel dann und führt er weiter aus, "Bossa Nova habe ich während des Schreibprozesses viel gehört. Ich bin nicht der beste Gitarrist und wollte mich von den Standardakkorden verabschieden und mal was Neues ausprobieren. Aber das Ganze mit so einem rockigen Tack-Tack-Tack-Anschlag auf der Gitarre." "Thrilled", wenngleich ein Song von Simon, unterstreicht dies auf LAND.

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Gregors Schlagzeugspiel erinnert hier auch an die Rhythmen von Joao Gilberto und Stan Getz, zu sehr Bossa wird das Ganze aber nie und wir bewegen uns immer noch in dem wunderbar verträumten, schwebenden E-Gitarren Kosmos der Band. Vom sonnigen Platz vor dem Eissalon wechseln wir in den Schatten eines naheliegenden Park, um die österreichische Musikszene zu erkunden. Als ich von Klagenfurt vor Jahren nach Wien kam, hatte ich das Gefühl, dass die österreichische Indie-Szene zu stark bemüht war, etwas zu emulieren, was im Ausland funktionierte und oft daran scheiterte.

Seit einigen Jahren hat sich das aber irgendwie verändert und es treten vermehrt authentische Bands wie Tents, Diives oder eben auch Vague (um nur einige zu nennen) in den Vordergrund. Beide nicken und Gregor meint dazu, dass er unlängst erst auf orf.at gelesen habe, dass sich Wien als Experimentierfeld für Künstler anbiete und alles, was funktioniere dann eben nach Deutschland gehe. Siehe Yung Hurn. Und ist das auch eine Option für Vague, frage ich? "Ich glaube, für uns ist es echt einfach: Musik machen, der Rest ist wurscht. Weil man sieht – und man kann sich noch so sehr anstrengen – es ist halt doch Nischenmusik und das wird über einen größeren Supportgig oder so eigentlich nie hinaus laufen. Da braucht man sich gar nicht verbiegen anfangen. Das fände ich auch lächerlich."

Viel sympathischer und ehrlicher als Gabriel kann man es wohl kaum sagen. Und einmal mehr tritt die authentische Einfachheit und Unkompliziertheit von Vague hervor. "Ich glaube, es ist als Band viel wichtiger, dass man immer einen Startpunkt hat. Wir hätten natürlich sagen können, wir machen was mega experimentelles mit der neuen Platte, oder wir machen im Endeffekt eine Landebahn, die genauso wieder Startbahn für was ganz anderes sein kann." Gregor fügt hinzu: "Ja, von uns denkt jetzt auch niemand nach der Platte: Das ist Vague. Das ist jetzt eben grad einfach ein Ausschnitt von dem, was wir gerade machen, wo wir gerade sind. Ich habe es jetzt erst einmal allein angehört, Gabriel, du hast es vielleicht auch einmal allein angehört, aber gemeinsam noch gar nicht."

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Wohin geht die Reise nun für Vague frage ich? "Schön wäre es, wenn wir wieder mal alle gemeinsam wo hinfahren könnten zum Aufnehmen. So wie bei ersten EP Tempdays. Die haben wir in erster Linie im Keller von Juans Vater aufgenommen. Danach sind wir weiter nach Tirol gefahren, um die Gitarren aufzunehmen. Konstantins Vater hat dort ein kleines, umgebautes Wasserkraftwerk. Das war mega fein. Kleiner Garten, Trauerweide, … " beschreibt ein schwelgender Gabriel die Szenerie.

"Der Papa hat fünf Kisten Bier spendiert und wir haben aufgenommen,” fügt Gregor hinzu und meint weiter: "Das ist diese utopische Vorstellung vom Haus am Land und Musikmachen. Das wäre es halt. Ein gescheiter Proberaum wäre auch super." "Der Proberaum ist eh perfekt, der ist nur voll geräumt," korrigiert Gabriel lachend. Zeit müssten die Jungs halt dafür haben. Mich würde es jedenfalls wahnsinnig freuen, das Vague-Landschloss-Album zu hören. Und was passiert in der nicht allzu fernen Zukunft? Am Freitag spielen die wunderbar sympathischen Jungs in der Arena das Releasekonzert zur Platte LAND, die am 01.6. auf Siluh Records erschienen ist und die ihr euch am besten dort am Konzert auch zulegt. Und wenn diese Platte auch keine großen Stränge schlagen sollte, so funktioniert Gabriels Plattenspieler wenigstens wieder einwandfrei.

Hier geht´s zum Event und hier könnt ihr LAND streamen, damit ihr bis morgen auch die Texte im Kopf habt.

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