Das sind die Brotjobs dieser Wiener DJs
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Wiener Clubkultur

Das sind die Brotjobs dieser Wiener DJs

Dein Lieblings-DJ ist wahrscheinlich ein OP-Assistent, setzt sich enorm für die Umwelt ein oder ist Lehrerin.

Ich werde nie diese eine Szene in Sister Act 2 vergessen: Da war eine Mutter, die mit dem von Lauryn Hill gespielten Mädchen so sehr geschimpft hat, weil dieses singen will – so lebensinhaltlich gesehen. Es sei ein brotloser Job, kommentierte die Mutter den Wunsch des Mädchens da. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch ein Kind und hab durch diese Szene in dem Film zwei Dinge kennen gelernt: Das Wort "brotlos" und dass man es im Leben zu diesen Zeiten nicht sehr leicht haben wird, wenn man Musik machen will.

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Gerade letztens habe ich einen meiner DJ-Freunde und Lieblinge zufällig in seiner Arbeit getroffen und mich gewundert, denn diesen Menschen habe ich bisher nur in seinem DJ-Dasein erlebt. Aber dass hinter seiner viel gebuchten Auflegerei auch noch ein normales Arbeitsleben stecken könnte, hat mein Gehirn ein bisschen zerbrochen.

Wir vergessen nämlich alle einfach viel zu schnell, dass diejenigen, die uns am Wochenende ständig mit guter Musik versorgen – oder unter der Woche mit Sets auf Soundcloud und Konsorten den Tag retten – das meistens in ihrer Freizeit tun. Sie stöbern stundenlang durch Tracks, verfeinern ihre Skills, indem sie ständig üben, viele fangen sogar an, Tracks selbst zu produzieren. Und um ihrer Leidenschaft die Möglichkeit zum Verweilen zu bieten, gehen sie wie du und ich zusätzlich brav arbeiten und manche studieren nebenbei auch noch. Bam.

Billie Jean, Eventmanagerin, kurz vorm 2. Master und für Tier- und Umweltschutz im Einsatz

Momentan steht für Billie Jean der Abschluss ihres zweiten Studiums (MBA Communications) im Vordergrund und sie arbeitet als Eventmanagerin. Neben der Musik ist ihr der Umweltschutz eine Herzensangelegenheit: "Beides ist mir extrem wichtig, daher werde ich nie 'nur' als DJ arbeiten.", sagt sie mir. Seit zehn Jahren ist sie in der Szene ein Begriff und selbst hat sie etwa in der Auslage regelmäßig veranstaltet. Gelitten hat ihr soziales Umfeld nur, weil es ständig mitgefeiert hat, so wie es Freunde eben machen, wenn sie einen unterstützen. "Phasenweise ist es schon eine Herausforderung, alles unter einen Hut zu bekommen. Fulltime-Job, DJ, Events organisieren und damit's nicht fad wird, ein 2. Studium dazu.", meint Billie Jean über ihr Doppelleben: "Dabei den Überblick und die Balance zu behalten ist schon tricky … Aber fad wird's definitiv nie!".

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CEDSH, Koch

"Sofern man als DJ keinen Mainstream spielt, wird es in Österreich schwer werden", findet Cedsh. "Ich möchte aber nicht mein letztes Hemd (in Form von Zeit und Energie) dafür geben, es zu versuchen, nur um dann drauf zu kommen, dass es nicht geklappt hat und ich sonst nichts mehr habe." Ihm ist nämlich das soziale Umfeld extrem wichtig, vor allem weil er eine Tochter hat. Seit zehn Jahren macht er die Clubs unsicher und versorgt das Publikum mit hartem Techno, vom Beruf ist er Koch und wird demnächst im Marcstandl die Marcuma-Produktion starten, sowie fürs Catering verantwortlich sein.

Alecid, macht den Master in Human- und Sozialökologie und ist in der Sendeabwicklung

" W-24 ist so ein kleiner Fernsehsender, du kennst ihn vielleicht von Formaten wie 'Nachtschiene' wo man jeden Tag von zwei bis sechs Uhr mit der Straßenbahn durch Wien fährt", erzählt mir die Masterstudentin/DJ. Alecid ist zwar erst eineinhalb Jahre im DJ-Business, dafür aber schon gut gebucht und auf vielen Veranstaltungen bereits vertreten. Dennoch würde sie sich niemals darauf verlassen, davon einmal Leben zu können. Ihr soziales Umfeld profitiert allerdings von ihrem musikalischen Weg: "Ich hätte zumindest noch nie Beschwerden in irgendeiner Form gehört … Wenns mal eine arge Nacht war, schau ich drauf, dass ich nichts geistig anstrengendes am Tag danach machen muss, beziehungsweise, wenn ich weiß, ich hab was zu tun, wird's keine arge Nacht". Sie findet es wichtig, die Balance zwischen dem Uni-Leben, Party und Auflegen zu finden: "Ich war einmal so richtig verkatert arbeiten und hab so viele Fehler gemacht. Zumindest war es so scheiße, dass ich mir geschworen habe, am Abend davor immer früh heimzukommen."

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Marc St. James, Reservation & Sales in der Hotellerie im Premium Segment

"In Summe geht es da um 100 Zimmer und wir profitieren unter anderem von der sehr guten Lage Nähe Rathaus.", verrät mir Marc St. James. Musik bringt er bereits seit 17 Jahren unter die Leute. Seine Anfänge hat die Auflegerei seiner Zeit im Why Not!, bei der Regenbogenparade oder etwa dem Palais Auersperg gefunden. Seit er bei einem Contest in der Kantine 2016 einen Slot vor Luigi Madonna gewonnen hat, läuft es recht gut – aber davon leben, findet er in Wien relativ utopisch. Ein Job mit regelmäßigen Arbeitszeiten von Montag bis Freitag ist für ihn unabdingbar, um seinem DJ-Dasein eine Plattform zu gewähren, da die meisten Gigs am Wochenende sind. In seiner Freizeit hört er dann die Mixes und Sets, weshalb ab und zu das soziale Leben zu kurz kommt – was vor allem jene Freunde betrifft, die nicht in der Technoszene sind.

Frau wohlKLANG, Molekulare Ernährungswissenschaftlerin

Die Fachrichtung, in der Frau WohlKLANG tätig ist, lautet Nutrigenomics – und sie legt schon seit Ende 2011 auf. "Klar ist es nicht immer einfach, Job und Spielen so unter einen Hut zu bringen, sodass auch alle – inklusive mir – happy sind. Aber auch wenn es manchmal turbulent ist, bin ich einfach sehr glücklich darüber, Musik, die ich mag, mit vielen Menschen zu teilen!", teilt sie mir mit. Ein Doppelleben existiert bei ihr faktisch gar nicht, da ihre Freunde in allen Bereichen integriert sind. Ihr ist es auch nicht wichtig, von den Gigs leben zu können: "Nein, das war und ist auch nicht mein Ziel. Ich mache das aus Leidenschaft und aus Liebe zur Musik. Meine Gagen werden sofort reinvestiert in Equipment und Trax.".

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Traumata, Datenpfleger in der IT-Branche

"Ich arbeite seit siebeneinhalb Jahren für ein großes Möbelhaus als Datenpfleger in der IT-Branche. Ich erstelle Daten, also die Möbel, für eine Konfigurator-App am iPad. Das bedeutet, dass man sich alles am iPad und nicht mehr aus einem Katalog aussucht und kauft oder verkauft." Er legt eigentlich schon seit seinem 14. Lebensjahr, in den Clubs spielt er allerdings erst seit drei Jahren. Noch ist es für Traumata nicht leicht, sein Doppelleben unter einem Hut zu bringen: "Es gab auch schon Tage, an denen man gern was anderes gemacht hätte oder man eben für Freunde keine Zeit hat, aber von nichts kommt nichts!" Durch seinen Beruf ist es leider auch schon mal vorgekommen, dass er den einen oder anderen Gig absagen musste. Ob er mal vom Auflegen Leben kann? Daran glauben traut er sich nicht, aber wer weiß, was noch kommt.

Artemis, Lehrerin

"Unter der Woche bin ich Lehrerin.", verrät mir Artemis. Zuerst hat sie bei Freunden, die Auflegen, immer nur zugesehen, dann hat sie bei einer DJ-Klasse für Frauen teilgenommen, die von dem Kollektiv Brunhilde ins Leben gerufen wurde: "Es besteht aus lauter weiblichen DJs, die jede mögliche Musikrichtung auflegen.". Freunde und Familie unterstützen sie, wo es nur geht: "Zumal mein Dad selber sein Leben lang schon DJ ist.". Ihren ersten großen Gig hatte sie im Mai 2016 in der Pratersauna, seither kennt man Artemis von vielen namhaften Events, wie die Regenbogenparade oder Spontan Techno. "Vom Auflegen zu leben, ist gar nicht mein Ziel. Dafür macht mir meine Arbeit als Lehrerin zu viel Spaß.", und beides lässt sich für die Lehrerin auch sehr gut vereinbaren: "Die Auflegerei fällt ja meistens eh auf Wochenenden, da hab ich immer frei. Fällts mal auf einen Donnerstag, wird am Freitag in der 1. Stunde halt eher gezeichnet oder so.".

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Dr.Sound*, Operations- und Gips-Assistent auf der Unfallchirurgie

Bei Dr.Sound* leidet die DJ-Leidenschaft und das Privatleben ziemlich unter seinem Beruf. Er hat oft 24 Stunden-Dienste und kann deswegen nicht immer alle Gigs annehmen, oder auf allen Partys sein. Jedoch haben sein DJing sowie sein Job auf der Unfallchirurgie eines gemeinsam: Sie machen beide übernachtig. Ihm ist es auch sehr wichtig, dass beides ganz strikt voneinander getrennt wird, weshalb er öfters bei seinen Gigs aufs anschließende Party machen verzichtet und komplett nüchtern wieder nach Hause fährt. "Das würde ich mir nie erlauben, ich habe in meiner Arbeit eine große Verantwortung, ich würde nie restfett in die Arbeit gehen – bevor das mal passieren sollte, schreibe ich mich noch eher krank.".

Joanish, Vertrieb und Werbung

"Ich arbeite bei Makava und DJ bin ich seit 2013.", so Joanish. "Ich könnte teilweise schon davon leben, wenn ich mich zu 100 Prozent darauf konzentrieren würde, aber mir macht mein Job sehr viel Spaß, den möchte ich auf gar keinen Fall aufgeben. Außerdem bekomme ich 100 Prozentigen Support von meiner Firma. Eigentlich ergänzt sich meine Arbeit mit dem DJ-Dasein, ich denke, dass weder Beruf noch DJing darunter leiden". Auch von ihren Freunden erhält sie viel Support, sie kommen teilweise mit zu den Gigs. "Musik war immer ein Hobby, das ich zum Teil zum Beruf gemacht habe, das passt gut so.", erzählt Joanish.

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Ni Nek, kurz vor seinem Master in Politikwissenschaft und freier Dienstnehmer

Ni Nek steht kurz vor seinem Master in der Politikwissenschaft und ist freier Dienstnehmer einer Fuhrparkabteilung einer Autovermietung. Er bespielt die Menschen schon seit zehn Jahren und hat deswegen öfters Familienangelegenheiten versäumt. "Mein sonstiges soziales Umfeld ist größtenteils selber techno-affin. Das leider darunter kaum!", so Ni Nek. Auch mit seiner Arbeit lässt sich sein DJ-Life gut vereinbaren: "Da ich mir meine Dienste selber eintragen kann, hab ich es bis jetzt immer ganz gut hinbekommen neben der Arbeit. Die Uni hat da leider sicher schon mehr darunter gelitten".

GLSKY und Hochweiss, Kellner beziehungsweise Restaurantfachmänner

Hochweiss ist der linke geheimnisvolle Typ und GLSKY der rechte, auch voll geheimnisvolle Typ

GLSKY ist schon seit sieben Jahren DJ und Hochweiss seit drei Jahren. Für beide ist es noch nicht möglich, von ihrem DJ-Dasein zu leben, allerdings steht es für beide auch nicht im Vordergrund. Für GLSKY steht die Leidenschaft zur Musik im Mittelpunkt und für Hochweiss war dies ohnehin nie das Ziel gewesen – er hätte aber nichts dagegen, sollte es mal so gut laufen. Beide haben ihr soziales Umfeld in der Technoszene und während GLSKYs Arbeit oft flexibel ist, hadert Hochweiss oft, um für seine Gigs frei zubekommen.

thomas manhart, Soziologiestudent und Barkeeper

Zusätzlich zu seiner DJ-Karriere, Studium und Arbeit veranstaltet manhart auch für das hausgemacht-Kollektiv. Er legt seit vier Jahren etwa auf und ob er jemals davon leben kann, diese Frage hat sich für ihn nie gestellt: "Mir geht es hauptsächlich darum, den Leuten eine schöne Zeit und vor allem ein schönes Gefühl auf der Tanzfläche – oder wo auch immer – zu bescheren. Rein persönlich vom finanziellen Aspekt her, sehe ich das mehr als gutes Nebeneinkommen für etwas, das mir wirklich viel Freude bereitet … freue mich aber natürlich wenn das weiterhin gut läuft und/oder sogar 'mehr' wird", sagt er mir. Da sein Leben hauptsächlich in der Nacht passiert steht ihm keine seiner Tasks irgendwie im Weg, das sei alles mit guter Organisation zu meistern. "Der Einzige, der darunter leidet, bin im Grunde eh nur ich, wenn ich zum Beispiel nach einem Gig wieder mal zu lange unterwegs bin und dann die nächsten zwei Tage, mit den Nachwehen der vorherigen Nacht, arbeiten muss.", so manhart.

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PAUL Y'ALL, Catering-Mitarbeiter und immer wieder was in der Gastronomie

"Ein Freund hat mich zum Mixen gebracht und ich war sofort begeistert.", das ist mittlerweile ein Jahr her und PAUL Y'ALL hat gerade erst vor kurzem einen DJ-Contest gewonnen und durfte deswegen in der Pratersauna spielen. Seine Gastro-Jobs schätzt er sehr, der direkte Kontakt zu den Gästen empfindet er so ähnlich wie das Spielen vor dem Publikum, da man instant mit Feedback rechnen kann. "Leider sieht es in Sachen Geld in der Wiener DJ-Szene sehr schlecht aus, meiner Meinung nach. Budget wäre durchaus da, jedoch bezahlt keiner einem jungen aufstrebenden DJ mit mehr als eine zwei stelligen Summe", verrät er uns. Für ihn ist es zur Zeit auch noch etwas schwierig, seine beiden Welten zu vereinen – sie sind beide Zeitaufwendig und manchmal ist ihm der Clash zwischen Party-Life und Realität noch zu arg.

*Dr.Sound ist ein Pseudonym, die Person dahinter hat uns darum gebeten, anonym zu bleiben.

Die DJ-Fotos wurden freundlicherweise von den DJs selbst zur verfügung gestellt, Symbolfotos via Flickr | Kentaro Ohno | Jennifer Morrow | Army Medicine | Chris | Carl | www.audio-luci-store.it | Per Gosche | Descrier | TillinKa | Michael Coghlan | IQRemix | Osvaldo Gago | University of Michigan School for Environment and Sustainability | Luca Sartoni | CC BY 2.0 | CC BY-SA 2.0 |

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