Nach Schwesta Ewas Verhaftung—Menschenhandel lässt sich nicht romantisieren

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Kommentar

Nach Schwesta Ewas Verhaftung—Menschenhandel lässt sich nicht romantisieren

„Sie ist mehr Zuhälter als Kollegah“—Schwesta Ewas mutmaßliche Verbrechen, wie die Rapwelt darauf reagiert und warum wir nicht überrascht sein sollten.

Foto: Screenshot von YouTube aus dem Video „SCHWESTA EWA - Schwätza (Official Video)​"​ von allesodernixrecords

Eine Raststätte, ein Tourbus, ein paar Flaschen Jacky und Cola. Irgendwo im Niemandsland zwischen Dresden und Berlin. Langeweile, die Mische 50/50. Schwesta Ewa, damals noch als Special Guest bei K.I.Z. am Start, weiß offensichtlich gerne ganz genau, wen sie um sich hat. „Und wer bist du?" Ich stelle mich vor, wir stoßen kurz an. „Und was machst du hier?" Ich betone, keine bestimmte Funktion zu haben. Ich bin halt einfach mitgefahren. „Aber was machst du beruflich?", hakt sie nach und ich sage, „Ich bin Schriftsteller." Den folgenden Blick werde ich nie vergessen. So würde mich meine Oma wohl anschauen, wenn ich ihr erzähle, dass ich mein Geld jetzt im horizontalen Gewerbe verdiene. Eine Mischung aus Unglauben und Verachtung. Im Hintergrund mosern ein paar Background-Tänzerinnen, dass sie im Frankfurter Bahnhofsviertel heute Nacht das Zehnfache verdient hätten. Von diesem Tag an wusste ich: Ewa lebt, was sie rappt. Der Deutschrap-Mob, der sich gerne unter den obligatorischen Plattformen zur Hetzjagd oder Trollerei trifft, war sich da bisher offensichtlich nicht so sicher. Und das obwohl Schwesta Ewa ihre Vergangenheit mehr als öffentlich gemacht hat. Egal, ob in ihren Texten oder den unzähligen Interviews, in denen sie schonungslos von der Realität auf dem Straßenstrich berichtete. Aber auch mit handfesten Argumenten in TV-Dokus oder mit ihren für Schmunzler sorgenden, wöchentlichen Postings, in denen sie „ausschließlich weibliche Tresenkräfte" für Ihre Bar suchte.

Als die Nachricht von Ewas Verhaftung die Runde machte, waren sich die Kommentatoren schnell einig. „Ewa ist realer als 90% der Rapper" oder „Sie ist mehr Zuhälter als Kollegah" spiegeln den Grundtenor in den Kommentarspalten ganz gut wider. Natürlich gab es auch wieder einige Spaßvögel. „Still a better lovestory than Sarah & Pietro" gehörte da allerdings schon zu den Highlights. Deutschrap steckt argumentatorisch mal wieder in der Zwickmühle. Ewa, als Frau sowieso lange ohne jede Chance auf eine faire Beurteilung, gilt den Fans plötzlich als Queen of Crime. Allerdings lediglich, um dem Rest der männlichen Rapper zu zeigen: „Haha, eine Frau ist krasser als ihr." Herr, wirf Hirn vom Himmel. Dabei ist bisher weder irgendetwas bewiesen, noch wurde die Rapperin mit dem bürgerlichen Namen Ewa Müller verurteilt. Die Polizei bestätigte gegenüber Noisey lediglich, dass „ein Haftbefehl vollstreckt wurde" und ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen die 32-jährige Rapperin läuft. Aus meinem persönlichen Umfeld höre ich, dass sie wohl erst einmal im Gefängnis bleiben wird. Die Springer-Presse will mittlerweile zusätzlich erfahren haben, dass es bereits am Mittwochmorgen in mehreren Objekten und Wohnungen in Frankfurt am Main, Königstein, Rodgau, Hofheim und nicht näher genannten Orten in Bayern und Nordrhein-Westfalen zu Festnahmen und Durchsuchungen kam. Neben Schwesta Ewa wurden offenbar noch andere Verdächtige festgenommen. Der Meldung zufolge soll die Rapperin „weibliche Fans wirtschaftlich abhängig gemacht haben und dann der Prostitution zugeführt haben". Weiter heißt es: „Verdacht des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung [Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren], Verdacht der Zuhälterei [ebenfalls fünf Monate bis sechs Jahre], Körperverletzung [bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafesowie Verstoß gegen die Abgabenordnung [Vertoß gegen Steuergesetze—Freiheitsstrafe bis fünf Jahre oder eine Geldstrafe]. Bei den mutmaßlichen Opfern soll es sich um fünf Frauen im Alter zwischen 17 und 19 Jahren handeln." Der Vorwurf wiegt schwer. Menschenhandel ist ein Delikt, bei dem es schwerfällt, eine verklärt-romantische Sichtweise, wie im Fall von Xatars irgendwie seltsam mystischen Goldraub in Polizeiuniform zu entwickeln. Sollte es sich dann auch noch bestätigen, dass es sich erstens um Minderjährige und zweitens um Fans gehandelt hat, verspielt sich Ewa sämtliche Sympathien bei Menschen, deren Horizont über die RapUpdate-Kommentarfunktion hinausgeht. Andererseits wäre es auch heuchlerisch, jetzt plötzlich überrascht zu tun. Ewa hat öffentlich nie einen Hehl daraus gemacht, womit sie ihr Geld verdient. Erst vor kurzem kündigte sie an, einen Puff eröffnen zu wollen. Das Problem ist nur, dass viele ihr nicht glauben wollten, denn „Zu viele Schwätza machen auf Baba / Zu viele Stricher machen auf Krasser" (aus „Schwätza" von Schwesta Ewa).

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