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Thump

Ein Einsteiger-Guide zu Nicholas, dem besten Produzenten, von dem du wahrscheinlich noch nie gehört hast

Wenn es um stimmungsvollen, wirklich tiefen Deep House geht, kann ihm aktuell kaum jemand das Wasser reichen.

Vor ein paar Wochen gab es eine Veröffentlichung, die mindestens ebenso brisant war wie die der Clinton-Emails, komischerweise aber von Wikileaks, dem FBI und dem weltweiten Medien-Konglomerat weitgehend ignoriert wurde. Nicholas Iammateos 2-Track-Release You Can't Hide/Black Sugar, für das er erneut mit der Mahagoni-Records-Sirene Nikki-O zusammengearbeitet hat. Denn Immateo ist Italiens Kronprinz des Undergrounds. Seinen Fans ist er allerdings einfach als Nicholas bekannt.

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Das Release, ein weiteres in der niederländischen White-Label-Serie X-Masters, ist eine sinnliche House-Hommage an den Detroit-Underground und ein weiteres Beispiel dafür, was Nicholas' Tracks am besten können—den Dancefloor in komplett andere Sphären befördern. Das deepe "You Can't Hide", mit seinem sehr eindringlichen Groove und einer Bassdrum direkt aus dem Keller der King Street, setzt Nikki-Os gefühlvolle Diva-Stimme gekonnt in Szene, sodass du dich darin verlieren kannst. Die B-Seite ist sogar noch deeper, mit einigen tighten Larry-Heard-Klatschern und himmlischen Synths, zu denen Nikki-O über allem schwebend trällert: "Open your arms/and belieeeve."

"Warum habe ich also noch nie von ihm gehört?!", "Wo ist sein Boiler-Room-Set?", "Wann hat er das letzte Mal in Berlin gespielt?!" All das fragst du dich jetzt vielleicht. Der charakteristische Nicholas-Sound ist mehr als nur Futter für die Electro-Charts, keine fade, nostalgische House-Kopie. Nicholas ist das verdammte atomare U-Boot des Deep House. Egal, ob du ihn gesehen hast oder nicht, er ist da, arbeitet im Untergrund und taucht alle sechs Monate mit einer neuen Waffe auf. Er hat zuvor bereits als Anwalt und Zauberer gearbeitet und vielleicht verleihen diese Einflüsse Nicholas die Fähigkeit, die House-Vergangenheit zu betrachten, ohne billige Kopien zu erschaffen, sowie seine eigenen subtilen Entscheidungen und Urteile produzieren.

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Seine geschickten Veröffentlichungen sind unglaublich einfallsreich, ob es nun ein 70er-House-Remix ist, minimale Low-Tempo-Groove-Workouts oder ein trockener Filter-Edit irgendeines Nervous-Ära-House-Tracks. Trotzdem bleibt er den Original-Einflüssen so treu, dass du beinahe glaubst, es handle sich um lange verschollene Dubplates, die aus dem verstaubten Keller eines vergessen Pioniers ausgegraben wurden. Eine Platte von Nicholas ergibt insofern Sinn, dass wir keine Plastikversion der Vergangenheit bekommen, sondern uns selbst einer Hybrid-Welt des authentischen Spät-80er-Underground-Sounds, den er studiert und perfektioniert hat, hingeben können. Dieser ist mit seinen eigenen Vision und Interpretationen unserer Zeit verwoben sowie allem dazwischen.

Es ist der Unterschied dazwischen, Ron Trent in einem verschwitzten Club in Detroit zu sehen oder zu einem dieser Back-to-the-Oldschool-Valentinstags-Events zu gehen, für die an Litfaßsäulen Werbung gemacht wird; 1976 mit einer Tasche voller Speed ins legendäre Wigan Casino zu gehen oder heute mit Polohemd und Paul-Weller-Haarschnitt in die Großraumdisco; in einem Fass die Niagara-Fälle hinabzusausen oder im Provinz-Freizeitpark mit der klapprigen Achterbahn zu fahren. Es ist die Kraft, das Museale zu vermeiden, den leicht verkäuflichen Deep House, und die historisch transzendentale Kraft deiner Kunst zu demonstrieren, ohne auf die Geschichte zu scheißen, indem du deine Einflüsse ausbeutest und verunglimpfst. Schauen wir uns vor diesem Hintergrund eine kleine Auswahl des weitgehend leider unbeachteten Outputs dieses Produzenten an.

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Nirgends wird sein Sinn für Stimmung und Ort deutlicher als auf Back on Track, seinen Remixen der Nu-Grooves-Tapes, die 2011 auf Needwant veröffentlicht wurden. Auf diesen Veröffentlichungen stechen die viel gesampelten Burrell-Brüder—Rheji und Rhano—heraus, die New Yorker Avantgarde-Künstler und Produzenten, deren Stimmen in Nicholas Tracks auf poetische Weise zu hören sind. Er behandelt sowohl die Fähigkeiten der Burrells als auch die charakteristische Lo-Fi-Produktion mit Respekt und so ist jeder Track auf diesen 12"es außergewöhnlich, besonders der Remix von Rhejis Projekt N.Y. House'n Authority und dessen Song "Apt. 1A".

Ein Jahr zuvor erschien bereits Depth of My Soul, deeper Disco und ein Ausflug in Groove und Funk. Wie bei Back on Track klingen die Samples so, als wären sie sorgfältig von Vinyl aufgenommen worden, anstatt aus Master-Spuren zusammengesetzt. Wahrscheinlich erinnerst du dich noch an den wahnsinnig bekannten Tropical-House-Remix von Sades "Couldn't Love You More" von vor ein paar Jahren. Der Remix von Vin Sol und MATRiXXMAN war überall zu hören, ob in HNNYs Boiler-Room-Set in Stockholm oder über zerschlissene Aux-Kabel auf WG-Partys auf der ganzen Welt. Doch "Feels Like", der letzte Track von Depth of My Soul ist anders. Es ist vielleicht der beste Track von Sade. Sein Remix von "Paradise" ist der entscheidende Unterschied zwischen 0815-Partyboot-House zum Aufwärmen für ein kroatisches Festival und der sorgsamen Behandlung mit Samthandschuhen, mit der sich Nicholas Sade nähert, als wäre ihr Gesang heilig.

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Gehen wir auch noch auf Nicholas' D-Vote EP ein, die auf seinem eigenen Label No More Hits erschienen ist. Wie soll man den House-Klassiker "Turn Me Out" von Kathy Brown noch Remixen, einen Track, der so oft gesampelt wurde (am prominentesten vielleicht in Tesselas "Hackney Parrot VIP")? Eine Neuerfindung erscheint unmöglich. Doch wie immer geht Nicholas es mit einer Sorgfalt und mit totalem Respekt an, so wie man normalerweise Alte und Gebrechliche behandelt—mit "On My Mind" geht er mit dem guten alten "Turn Me Out" so um wie Jacob Husley mit den beiden Ü70-Ravern.

Es ist kein Zufall, dass er auf seiner neuesten Veröffentlichung mit Nikki-O zusammenarbeitet. Ihre selbstbetitelte LP von 2005 auf Mahogani ist extrem gut, Nikki-Os verträumte Texte und ihre zuckersüße Stimme sind zusammen mit Moodymans Produktion ein atmosphärisches Porträt von Detroit und eignen sich perfekt für Nicholas' ehrerbietige Aufmerksamkeit für die Stimmungen und das Verlangen des Dancefloors. Du musst dich einfach bei "Give u something more" einfach von ihr hypnotisieren lassen, um zu verstehen, mit welchem Talent Nicholas da zusammenarbeiten kann.

Nicholas hat mittlerweile drei Releases auf X-Masters herausgebracht, zwei davon mit Nikki-O, und wenn du dich mit all dem Nebel, Schweiß und den langsam blinkenden roten Lichter noch konzentrieren kannst, dann ist das hier wirklich das Label und der Künstler, nach deren neuen Veröffentlichungen du Ausschau halten solltest. Es gibt wirklich keinen anderen Produzenten wie Nicholas, einen Meister der Stimmung mit einem tiefen Verständnis von Musik und ihrer Verbindung zum Ort.

Header: Nicholas, Italiens Underground Kronprinz. Promofoto. Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP erschienen.

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