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Gerichtsfall

"Mediale Hetzjagd" – die Chaostruppe äusserst sich zum Fall Rickli

Das Gerichtsverfahren zwischen Mitgliedern der Berner Rapcombo und SVP-Nationalrätin Natalie Rickli ging durch alle nationale Medien. Nun hat die Chaostruppe erstmals ein Statement abgegeben.
Foto: Facebook, Natalie Rickli / EP von 200BPM & Tilt

Ein drei Jahre alter Song von den Berner Rappern und Chaostruppe-Mitgliedern Tilt und 200BPM sorgte Anfang Woche für grosse Schlagzeilen im ganzen Land: "Rapper attackieren SVP-Nationalrätin – Übelster Sexismus gegen Natalie Rickli", titelt der SonntagsBlick, "'Richtig gf****': Rapper beschimpfen SVP-Rickli aufs Übelste – das sagt die Richterin dazu", klickbaitet Watson und "Beschimpfen ist keine Kunst", kommentiert der Tagesanzeiger. Die zwei Rapper und drei weitere auf dem Track vertretene Protagonisten wurden am Sonntag vor einer Woche zu einer Geldstrafe wegen Beschimpfung verurteilt – von sexueller Belästigung und Verleumdung wurden sie freigesprochen. In der medialen Berichterstattung wurde Rickli zitiert, mit weiblichen Rapperinnen über Sexismus geredet, doch nie kam die Chaostruppe selbst zu Wort. Nun will sie mit einem Facebook-Post einiges klar stellen.

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"Die komplette Chaostruppe wurde durch Schlagzeilen und Berichte öffentlich als üble 'Sexisten' angeprangert. Diese Behauptung ist hinsichtlich unseres künstlerischen Schaffens ohnehin absurd, da wir uns bekanntlich gegen jegliche Form von Diskriminierung […] positionieren", schreibt die Berner Combo auf Facebook. Sie gibt weiter an, dass nur drei der fünf Beschuldigten überhaupt Teil des 14-köpfigen Kollektives seien und trotzdem die gesamte Truppe den Shitstorm abbekommen hätte, der Song weder von der Chaostruppe an Natalie Ricklis Pinnwand, noch live in der Reitschule gespielt oder auf YouTube geladen worden sei und dass die Medien in ihrer Berichterstattung systematisch ausgeklammert hätten, dass eine der beschuldigten Personen eine Frau sei. "Dies hätte offensichtlich nicht in deren Narrativ des bösen, männlichen, rappenden Sexualstraftäters gepasst und das Zielpublikum der Boulevardpresse möglicherweise unnötig verwirrt."

"Die ohnehin schon völlig absurde Darstellung der – übrigens einzigen im Gerichtssaal anwesenden – Zeitung SonntagsBlick war der Auslöser eines Dominoeffekts, im Zuge dessen nahezu alle lokalen und nationalen Medien die einseitigen Inhalte ungeprüft übernommen haben und diese teilweise sogar zusätzlich verdrehten", schreibt die Chaostruppe weiter. So würde durch die ganze Geschichte klar, wie Auslassungen und Verdrehungen durch die Medien falsche Vorstellungen in den Köpfen der Menschen erzeugen können. Als Beispiel nennt die Truppe das ungefragte und willkürliche verwenden von Bildmaterial welches unbeteiligte Mitglieder des Kollektivs bei Konzerten zeige. "Als unmittelbare Folge der tendenziösen Berichterstattung gingen in den letzten Tagen bei uns zahlreiche (mehr oder weniger) anonyme Drohungen und sonstige Nettigkeiten via Post, soziale Medien und Mail ein. All das an uns adressierte – zugegebenermassen teilweise auch sehr amüsante – literarische Gemurkse bewirkt vor allem eines: Es zeigt auf, wie beängstigend tief diskriminierende Menschenbilder in unserer Gesellschaft verankert sind."

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Zum Schluss schreibt die Chaostruppe noch: "Da die Chaostruppe nicht Interpretin oder Produzentin des Songs ist, kann von uns nicht erwartet werden, dass wir erklären, wie wir ihn verstehen und interpretieren. Das wollen wir aber und werden wir auch noch ausführlich tun, sobald der Prozess abgeschlossen ist. Bis dahin halten wir uns zurück."

Hier der gesamte Post:

Grund für dieses Zurückhalten wird wohl sein, dass die Staatsanwaltschaft den Fall trotz Urteil weiterziehen will. Die regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland sei "mit dem Urteil nicht einverstanden", sagt der Informationsbeauftragte Christof Scheurer am Freitag auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. Sobald das schriftliche Urteil vorliege, wolle die Generalstaatsanwaltschaft entscheiden, ob das Urteil ganz oder nur in Teilen angefochten werde. In zweiter Instanz würde dann das Berner Obergericht entscheiden.



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