Wie ich versucht habe, aufs Popfest zu gehen und extrem hart gescheitert bin
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Wie ich versucht habe, aufs Popfest zu gehen und extrem hart gescheitert bin

Dafür habe ich herausgefunden, welche absurden Dinge dort beim Lost & Found abgegeben wurden.

Hin und wieder entdecke ich Dinge in meinem Leben, die einem eigentlich nicht entgehen sollten. Keine Ahnung, wie ich das mache, aber es scheint definitiv ein wachsendes Talent in mir zu sein, dass sich erst in meinem jungen Erwachsenenalter langsam herauskristallisiert. Ein Beispiel dafür ist das Popfest. Was ist das Popfest? Ich habe es nicht gewusst und war damit sehr alleine in dieser Stadt. Vielleicht liegt das auch zu einem gewissen Teil daran, dass ich ursprünglich aus München komme, aber nach über drei Jahren, in denen ich mir mein Leben in Wien aufgebaut habe, sollte man schon meinen, dass einem Events dieser Größe nicht verborgen bleiben.

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Da ich natürlich nicht wie ein totaler Vollidiot dastehen möchte, informiere ich mich über das LineUp und die Bands, die auf dem Popfest spielen werden. Und ich kenne keine. Bei Namen wie "Rucki Zucki Palmencombo" hoffe ich aber, dass diese Bildungslücke ein kleines bisschen nachvollziehbar ist. Ehrlich gesagt, klingen die Namen der Auftretenden ein wenig absurd. Trotz leichtem Zweifel an der Seriosität dieses Events, die auch meinem Unwissen darüber geschuldet ist, lasse ich mich natürlich nicht von meinem Tatendrang abbringen – das Popfest muss erlebt werden. In den Abendstunden bewege ich mein schwerfälliges Gemüt Richtung Karlsplatz und hoffe, bei neuer Musik und einem kalten Bier entspannt meinen Abend ausklingen lassen zu können. In der Ferne erspähe ich schon die gelben Barelemente, deren Inhalt der ach so trägen Nüchternheit Abhilfe verschaffen soll. Was mich dann aus nächster Nähe erwartet, ist ein kleines Bad der Emotionen.

Anstehen musste ich zwar nicht lang für das Bier. Bekommen hab ich aber auch keins.

Genau zur Prime Time aufzutauchen und keine Schlange an der Bar zu sehen, hätte mich eigentlich sowieso schon vorwarnen müssen. Als ich davor stehe ist die Enttäuschung ziemlich groß. Die Bars sind ganz offensichtlich geschlossen, was für mich gänzlich dem Profitgedanken entgegenstrebt, aber Wien war schon immer eine komische Stadt. (P.s.: Ich liebe dich, Wien). Als ich mich von dem Schock über das fehlende flüssige Gold erholt habe, stoße ich auf das nächste sehr verdächtige Indiz. Es ist verdammt still – warum ist es so verdammt still? Wo ist die Musik und wo sind die Massen? Und wo ist die Seebühne mit den Bands, die woanders sicher total bekannt sind? Sherlock-Holmes-mäßig drehe ich mich zur Seite und löse damit auch diesen Fall.

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Das Gefühl, die Bands könnten erfunden sein, bestärkt sich bei diesem Bühnenbild ein wenig.

Es hat sich nicht nur das Barpersonal und das Publikum aus dem Staub gemacht, sondern auch die Bands und die Hälfte der Stage. OK, es gibt also kein Bier und musikalische Untermalung fehlt auch. Der Punkt, bei dem man aufhört, die Schuld bei anderen zu suchen und anfängt, an sich selbst zu zweifeln, materialisiert sich immer deutlicher und ein massiv unguter Gedanke formt sich so langsam unter meiner Schädeldecke. Du bist zu spät. Es ist aus. Mein Versuch, das erste Mal aufs Popfest zu gehen, scheitert an meiner eigenen Inkompetenz. Also wandere ich einmal schwer enttäuscht um die halb abgebaute Seebühne herum und wundere mich dabei, wo der See sein soll, von dem immer die Rede war. Wasser sehe ich jedenfalls keines.

Wofür diese äußerst ästhetischen Zeltbauten dienlich waren? Ich habe keine Ahnung.

Die Suche nach einem etwaigen See bleibt genauso fruchtlos, wie der Versuch, ein gutes Popfest zu erleben. Dennoch versuche ich, jede mir mögliche, audiovisuelle Impression aufzusaugen, um wenigstens die Illusion eines Zugehörigkeitsgefühls erzeugen zu können. Während ich so durch den Resselpark spaziere und dabei versuche, so auszusehen, als wäre ich schon seit Mittag da, stolpere ich über die Lost & Found-Ausgabe. Ich hab zwar nichts verloren außer meinem Selbstwertgefühl, aber hingehen will ich trotzdem. Investigativer Journalismus funktioniert da am Besten, wo ihn niemand erwartet. Kurzen Shoutout an dieser Stelle an die Popfestcrew, die mich bei der Suche nach bizarren, abgegeben Dingen unterstützt hat.

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Dieser überaus einladende Container enthält all die potentiellen Goldschätze primitiver Belustigung und genau auf so was steh ich ja zum Glück. Beim Betreten dieser gräulichen Schönheit bemerke ich sofort das tropische Klima. Die Klimaanlage, die sich direkt neben dem Eingang befindet, ist dabei aus und es sitzen ein paar Leute drin und schwitzen gekonnt. Aus Sicherheitsgründen frag ich lieber nicht nach, warum es in diesem Container 19 Grad heißer ist als draußen und ob ich ihnen erklären soll, wie eine Klimaanlage funktioniert. Als ich mit der Popfestcrew bezüglich meines Anliegens ins Gespräch komme, frag ich mich, wie man bei einer solchen Hitze noch so gut gelaunt und fröhlich sein kann. Und was soll ich sagen: Die Wiener verlieren echt komische Sachen.

Beweisstück A – Die tätowierte Zahnspange:

Zuallererst: Wer hat den Logos auf der Innenseite der Kaufläche seiner Spange? Hab noch nie so etwas Sinnbefreites gesehen. Ich mein, wer zur Hölle bekommt das denn jemals zu Gesicht? Des Weiteren: Wie vergisst man sowas? Den Unterschied, ob man nun Wörter, die ein "S" beinhalten aussprechen kann oder nicht, muss doch sofort auffallen, ein gutes Beispiel wäre "Wo ist meine Zahnspange?" Zu guter Letzt: Würg. Und Respekt vor der Person, die das zurückgebracht hat.

Beweisstück B – Die Skibrille:

Vielleicht hat der Mensch, der diese Skibrille am Popfest verloren hat, genauso wenig vom Prinzip einer Schwimmbrille verstanden, wie die Person, die der Seebühne ihren unfassbar irreleitenden Namen gegeben hat. Im Endeffekt waren dann beide Parteien verwirrt und jetzt liegt eine Skibrille beim Wiener Popfest Lost & Found. Ich kann mir abseits davon wirklich kein Szenario vorstellen, in dem man mir einen sinnvoll argumentierten Lösungsansatz bietet, der mir erklärt, warum jemand in seinen Wintersachen nach dieser Brille gesucht und sie aufs Popfest geschleift hat – nur um sie dann liegen zu lassen.

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VICE-Alps: Burschenschaften - Ehre, Freiheit, Vaterland - Teil 1:


Mein erstes Mal am Popfest lässt sich in Bezug auf Spannungsfaktor und Endorphinausschüttung irgendwo zwischen "Verkatert die Wohnung aufräumen" und "Beim ersten Date sitzengelassen werden" einordnen. Also definitiv mit Luft nach oben. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich es einfach verpasst und viel zu spät realisiert habe, dass in der Karlskirche noch weiter gespielt wird. Shame on me, nächstes Jahr geh ich definitiv früher hin, im Gepäck werde ich dann jede Menge erfundener Bandnamen haben und die Leute fragen, ob sie sich schon auf Sir Moosleitner und seine Brüllaffen oder ähnlich Absurdes freuen.

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