Ein offener Brief an Stadträtin Ulli Sima

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U-Bahnmusiker

Ein offener Brief an Stadträtin Ulli Sima

"Frau Maga Sima, ich fordere Sie dazu auf, MusikerInnen für Ihre Dienstleistungen in den Wiener U-Bahnen eine gerechte Gage zu bezahlen."

Header via Flickr | Faldrian| CC BY 2.0

Die Stadträtin Ulli Sima von der SPÖ hat in Zusammenarbeit mit den Wiener Linien ein neues Sicherheitspaket präsentiert, von dem ein Teil aus Musikern bestehen soll, die in Wiener U-Bahnstationen aufspielen und somit das Sicherheitsempfinden der Passanten steigern sollen. Markus Kaar von Musicbooking hat nun einen offenen Brief veröffentlicht, in dem er anprangert, dass das Projekt MusikerInnen ausbeuten soll. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

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Sehr geehrte Frau Maga Sima,

mit Spannung und großer Vorfreude habe ich vor einigen Wochen Ihren Vorschlag, die Wiener U- Bahnen durch das Projekt "U-Bahn Stars" mit Musik zu füllen, aufgenommen. Durch diese Maßnahme soll das subjektive Sicherheitsgefühl der Fahrgäste erhöht und dem vorherrschenden hektischen Treiben Einhalt geboten werden. Eine interessante und an sich hervorragende Idee.

Warum nun dieser offene Brief?

Das Projekt "U-Bahn Stars" der Wiener Linien klingt im ersten Augenblick sehr verlockend.Erst durch das genauere Hinsehen und Durchlesen der Teilnahmebedingungen wird klar, dass Musikerinnen und Musiker einen Dumping-Vertrag unterzeichnen und von den Wiener Linien für Ihre Zwecke ausgebeutet werden.

Laut AGB müssen Musiker für das Casting eine Bearbeitungsgebühr bezahlen, um überhaupt in die Vorauswahl des Projekts genommen zu werden. Weiters heißt es, dass es den U-Bahn Stars erlaubt (!) ist, freiwillige Spenden entgegenzunehmen, über die sie selbst verfügen können. Von den Wiener Linien selbst werden sie für die Auftritte nicht entlohnt. Die Musiker spielen also gratis bzw. für ein bisschen Trinkgeld und sorgen so, ganz nebenbei, für die Sicherheit und das Wohlbefinden der Fahrgäste. Zugespitzt wird das Ganze noch, indem sich die Musikerinnen und Musiker dazu bereit erklären müssen, ihre Rechte an Ton- und Bildaufnahmen an die Wiener Linien abzutreten. Diese werden für PR- und Merchandisingzwecke genutzt und dürfen auch ohne Zustimmung an Dritte weitergegeben werden.

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"Aus meiner Sicht ist dies eine untragbare Frechheit."

Zusammengefasst heißt das, dass Musiker also eine Bearbeitungsgebühr zahlen, um dann ohne Entlohnung für die Sicherheit der Fahrgäste zu sorgen und den Wiener Linien eine Einkommensquelle aus Merchandise-Erlösen zu sichern. Aus meiner Sicht ist dies eine untragbare Frechheit.

Ich habe mich stets dafür stark gemacht, dass Musikerinnen und Musiker eine faire Entlohnung erhalten. Deshalb habe ich www.musicbooking.at gegründet, um Musikern einerseits eine Plattform für die Vermarktung ihrer Dienstleistungen zu bieten und andererseits das öffentliche Bewusstsein für den Wert von Musik zu schärfen. Dies ist ein schwieriger Weg, denn die Geringschätzung ist in vielen Köpfen der Allgemeinheit verankert und wird durch Aktionen, wie die Ihre, immer stärker verfestigt.

"Ja, Musiker ist ein Beruf!"

Frau Maga Sima, wissen Sie welch großer Aufwand nötig ist, um ein Instrument bühnenreif zu beherrschen? Es steckt mehr dahinter, als nur zwei Stunden auf einer Bühne zu sitzen und Musik zu machen. Um auch nur den Hauch einer Chance zu haben, irgendwann vom Musikerdasein leben zu können, muss man bereits in sehr jungen Jahren (in meinem Fall mit sieben) damit beginnen, täglich mehrere Stunden zu üben. Wann haben Sie sich entschieden Molekularbiologie zu studieren und wieviel Freizeit haben Sie als Kind für Ihren Berufswunsch geopfert? Wissen Sie, wie viele tausende Stunden des Übens investiert werden müssen? Welch große Summen an Geld für Instrumente und Zusatzequipment ausgegeben werden müssen? Wissen Sie, dass eine Ausbildung an Musikschulen und Universitäten (ja, Musiker ist ein Beruf!) genau so viel Geld kostet wie eine Ausbildung als Molekularbiologin, wie in Ihrem Fall?

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Frau Maga Sima, ich fordere Sie dazu auf, Musikerinnen und Musiker für Ihre Dienstleistungen in den Wiener U-Bahnen eine gerechte Gage zu bezahlen. Musik hat als Kulturgut einen sehr hohen Stellenwert und ist für die Ausübenden nicht nur ein Hobby, sondern ein Beruf. Ein Beruf, der viele Arbeitsplätze schafft und viele Familien und Kinder ernähren soll. Durch das fehlende Bewusstsein der Öffentlichkeit wird dies aber immer schwieriger. Genau deswegen fordere ich Sie dazu auf, mit gutem Beispiel voran zu gehen und sich künftig für eine entsprechende Entlohnung für Musiker einzusetzen – nun wissen Sie ja, dass Musik nicht "einfach nur gemacht" wird.

Reden Sie mit Ihrem Parteikollegen und Bundesminister für Kunst und Kultur Mag. Thomas Drozda und starten Sie mit Ihrer Idee, öffentliche Plätze in Wien mit Musik zu füllen, eine Kampagne zur Förderung dieses Bewusstseins. Österreich ist ein Land der Kultur – ein Land, das viele große Musikerinnen und Musiker hervorgebracht hat und auch weiter hervorbringen soll.
Helfen Sie uns dabei, dieses Ziel zu erreichen.

Ich freue mich auf Ihre Stellungnahme.

Herzliche Grüße,
Markus Kaar, MA markus@musicbooking.at

Hier könnt ihr den Originalpost finden. Hier gibt es auch eine Petition, die sich gegen die Wertlosigkeit von Musik einsetzt.

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