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Wie ist das Veranstalten in Wien?

D'n'B, Techno und Goa haben eigentlich wenig gemeinsam. Und doch kämpfen Veranstalter dieser Musikrichtungen mit den selben Problemen.

Letzte Woche saßen bei uns im Büro drei Veranstalter: Raphael Fuchs von Therapy Sessions (D'n'B), Rudi Wrany von Crazy (und anderen Techno-Veranstaltungen) und Philipp Steiner von Deeprog (Psy/Goa). Die Musikrichtungen ihrer Partys sind unterschiedlich, das Publikum oft auch. Und doch verbindet die Drei auch genug: Alle haben mit dem Lokalmangel in Wien zu kämpfen, buchen internationale Acts und machen sich Gedanken um Deko und Licht. Im Rahmen des FB-Live Videos war es möglich Fragen zu stellen und sie diskutieren zu lassen.

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Verbindend war auch das Gerücht Veranstalter seien geldgeil—sie wurden mit diesem Vorwurf konfrontiert, aber auf keinen der Veranstalter trifft es zu, denn: Partys in Wien zu schmeißen, ist schon schwer genug, aber Partys zu schmeißen, die auch noch ökonomisch erfolgreich sind, ist quasi unmöglich. Mit den steigenden Gagen in allen elektronischen Musikrichtungen und der Vergnügungssteuer (die, wenn alles gut geht, mit 1.1. 2017 Geschichte sein wird) kämpfen wohl nicht nur die drei.

Hier sind die wichtigsten Aussagen aus der Diskussionsrunde.

Zur momentanen Lage in Wien

Die wenigen Locations in Wien sind im internationalen Vergleich klein. Wenn man größere Partys macht, gibt man viel Geld aus und ist abhängig von einer hohen Gästezahl. Da es nur wenige Clubs gibt, die zwei Floors oder eine adäquate Größe haben, sind sie schnell ausgebucht. Oft wollen Clubbetreiber mit Veranstaltern Termine bis zu ein Jahr im Voraus ausmachen, was eine Absprache mit anderen Veranstaltern erschwert.

Rudi/Techno: "Clubnächte überleben heutzutage nur mit internationalen Bookings. Ausnahmen wie Spontan Techno gibt es zwar schon, aber wenn man in Clubs regelmäßig Techno-Partys machen will, muss man nach besonderen Bookings suchen, auf die Wien Lust hat."

Philipp/Goa: "Momentan ist nicht die Hochphase des Goa. Aber es zeichnen sich Trends ab, denen man als Veranstalter folgen kann. Von Dark Psy bis HiTech—die Trends kommen und gehen, allerdings gibt es auch Bookings, die immer funktionieren."

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Raphael/D'n'B: "Ich habe mit meinem Team vor zweieinhalb Jahren Therapy Sessions übernommen. Offenbar hat es sich für die damaligen Veranstalter nicht mehr rentiert und das trotz einer gefüllten Arena-Halle. Diese Zeiten sind vorbei, vor allem der D'n'B von Therapy Sessions scheint ein Randthema geworden zu sein. Fluc ist unser neues Zuhause."

Erklärung für den Gästerückgang

Viele Veranstaltungsreihen leben nicht lange—die Gäste fallen weg. Im Gegensatz zum Vorjahr, gibt es vergleichsweise weniger Partys unter der Woche. Auch sonst eigentlich starke Veranstaltungen und Clubs beklagen den Gästerückgang des letzten Jahres. Es scheint, als hätte Wien weniger Lust auf Partys. Oder zumindest die Partys, die Wien zu bieten hat. Ein Überangebot am Wochenende könnte das Problem sein.

Rudi/Techno: "Die Techno-Hörer sind mündiger geworden. Alle Sets gibt es im Internet und sowohl Künstler als auch Hörer sind vernetzt. Das macht es schwer, die Gäste als Booker zu überraschen. Auch die Partyleute in Wien sind nicht so oft fort wie einst. Das mag an den neuen Studienordnungen liegen: mehr Arbeit, mehr Studium, weniger Party. Außerdem kommen deutsche Studenten nicht mehr so zahlreich, wie noch vor ein paar Jahren. Das zeigt sich im Techno-Bereich unter der Woche. Die Partys, die unter der Woche stattfinden, werden immer weniger. Wobei vor ein paar Jahren, die Partys unter der Woche die stärksten Nächte waren. Auch die Ideen gehen langsam aus. Ein "Überangebot" schließe ich aus, da, wie erwähnt, viele Veranstaltungen wegfallen.

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Philipp/Goa: "Bei uns spielt das Rahmenprogramm eine große Rolle. Dadurch, dass Goa nie Mainstream war, kann ein "Überangebot" nicht das Problem sein. Außerdem sprechen sich Goa-Veranstalter ab und schauen, dass sie sich nicht in die Quere kommen."

Raphael/D'n'B: "Ein Überangebot könnte ein Problem sein. Wenn sich Therapy Sessions mit dem Fluc ein Jahr im Vorhinein Termine ausmacht, dann kann es durchaus Überschneidungen mit anderen D'n'B-Festen geben. Und dann dröseln sich die Gäste natürlich auf."

Beschissene Quality, beschissene Quantity? 

Kosten eines internationalen Acts, der mindestens 200 Gäste garantiert

Veranstalter, die international buchen, haben natürlich einen höheren Break Even. Das liegt an den höheren Gagen der internationalen Acts und oft muss der Veranstalter auch ein Hotel und die Reise bezahlen. Auf der anderen Seite sind internationale Acts auch das Aushängeschild einer guten Veranstaltung. Und es bedarf weniger "Überredung", um die Gäste zu sich holen—viele wissen, dass hinter einem internationalen Act mindestens ein passabler DJ/Producer steckt. Musikkenner der jeweiligen Musikrichtung hören sich ein Set natürlich auch lieber auf einer Anlage im Club, als zuhause auf Soundcloud an.

Raphael/D'n'B: "In meinem Segment gibt es den Act nicht, der fix 200 Gäste bringt. Eine internationale Gage kostet von 300 bis 1.000 Euro. Ohne Hotel und Flug. Wenn man Pech hat, sitzt der Act in einer mittelgroßen bis großen Agency, die dann natürlich auch noch Geld haben möchte. Kann sich also läppern."

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Philipp/Goa: "Auch ich glaube nicht an einen Act, der bestimmt 200 Gäste bringt—da hängen zu viele andere Faktoren dran. Ein Act, den man in der Psytranceszene kennt, kann von 200 bis 1.500 Euro kosten.  Je nach Sympathie. Es läuft alles sehr freundschaftlich."

Rudi/Techno: "Da bekomme ich feuchte Augen, denn so war es Mal im Techno- und House-Segment. Ein Act der 200 Gäste ziehen würde, kostet mindestens 2.000 Euro. Es gibt keine Obergrenze. Durch Gagen, die ohne Flug und Verpflegung auch 10.000 Euro kosten, ist es in Wien nicht mehr machbar. Uns fehlen Locations, die auch groß genug sein würden, um die Kosten wieder reinzubekommen. Es bleiben die übrig, die gerne zu uns kommen, die Wien lieben, die Promoter mögen. Oder schlicht und einfach Freunde sind."

Durchschnittliche Kosten eines heimischen Support-DJs

Internationale DJs und Producer füllen aber nicht die ganze Nacht und so werden nationale Acts als Support gebucht. Für nationale DJs und Producer ist es—je nach Erfahrung—eine Ehre, einen bekannten DJ zu supporten. Das führt oft zu Dumping: Immerhin machen es Anfänger gerne gratis oder billiger, da sie ihren Sound und Namen einer breiten Maße präsentieren können. DJs und Producer mit mehr Erfahrung verlangen in der Regel mehr Geld. Die meisten haben lange selbst gratis aufgelegt, um sich einen Namen zu machen. Und so steht der Veranstalter vor der Frage, ob er erfahrenere Support-DJs bucht, die garantiert gute Musik machen oder ob er Geld spart und einem "Neuling" eine Chance gibt.

Raphael/D'n'B: "Wir buchen sehr gerne unbekannte Locals, die sich auch sehr freuen, zu spielen. Sie spielen auch gerne gratis, aber je nachdem wie gut die Party gegangen ist, drücken wir ihnen 50 bis 200 Euro in die Hand. Wir rechnen unsere Partys so, dass wir zumindest auf Null kommen. Oder nicht allzu viel Verlust machen."

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Philipp/Goa: "Wir handhaben das sehr ähnlich. Wir buchen auch unbekannte bis sehr bekannte Locals. Aber dadurch, dass ich viele durch meine Tätigkeit als DJ kenne, läuft es auch da sehr freundschaftlich. Und ist auch kein Problem, wenn ich ihnen sage, dass ich sie bei der nächsten Party bezahle."

Rudi/Techno: "150 Euro ist schon für viele zu wenig. Um gute Residents zu bekommen, kostet es doch etwas mehr. Kann man sich nicht immer leisten, aber bezahlt werden sie immer."

Wie viel ist man bereit, für eine Party im Club auszugeben?

Die Kosten einer Party können kein Ende haben, die Einnahmen sind aber sehr wohl limitiert. Jeder Club hat einen beschränkten Platz und so rechnet man mit einem Mindesteinkommen (Break Even) und einem maximalen Einkommen (Wie viele Leute passen in den Club). Deshalb reagieren Veranstalter oft sensibel auf Gästelisten—man nimmt ihnen einen Platz im beschränkten Club weg, zahlt aber nichts. Zusammen mit den Kosten für die DJs, kommt oft Lichttechnik, Personal und Deko hinzu. Wenn du das nächste Mal einen Schnaps am Eingang trinkst—auch der wurde vom Veranstalter vorbezahlt.

Rudi/Techno: "Mit Residents und FB-Werbung und allem drum und dran: Schon 7.000 bis 10.000 Euro. Unter dieser Grenze spielt's nicht. Man kann schon günstiger planen, vielleicht mit Open Airs. Oder unter der Woche. Aber das ist eher die Ausnahme."

Raphael/D'n'B: "Wir geben an die 4.000 bis 9.000 Euro pro Nacht aus. Da dachte ich, dass der Techno weiter weg von uns ist." Philipp/Goa: "Zirka 3.000 bis 8.000 Euro. Aber die Frage ist schwer zu beantworten, da bei uns Deko-Teams dazukommen und es je nach Party unterschiedlich ist."

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Weniger Eintritt ab dem Wegfall der Vergnügungssteuer?

Ab Jänner fällt die Vergnügungssteuer weg. Die Steuer ist eine verpflichtende Abgabe—egal ob man insgesamt Verlust oder Gewinn gemacht hat—die sich an der Gästezahl orientiert. Vom Eintrittsgewinn muss man 15 Prozent abgeben—was viel Geld ist, wenn man bedenkt, dass die übrigen Kosten nicht vom Gewinn abgezogen wurden. Das sind die lustigen farbigen Zettel, oder auch der Grund, warum du trotz Gästeliste ein bis zwei Euro zahlst.

Philipp/Goa: "Weniger Eintritt oder mehr Qualität für den selben Preis."

Raphael/D'n'B: "Es wäre naheliegend, anderseits verstehe ich ein Feilschen wegen ein oder zwei Euro nicht ganz. Wenn es gut läuft, schlittern wir am Break Even vorbei."

Rudi/Techno: "Ich weiß es noch nicht, halte es aber eher mit Goa. Mehr Qualität im Sinne der Visuals. Oder einen zweiten Floor. Aber dadurch, dass keiner von uns je reich geworden ist, glaub ich nicht an noch weniger Eintritt. International gesehen, geht man bei uns sehr billig fort."

Hier nochmal der Mitschnitt:

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