Foto: Linus Volkmann Schon wieder eine Einladung zur Hochzeit im Briefkasten? Wie kleinbürgerlich wollen denn die eigenen Freunde bloß noch werden? Und vor allem: Was wird man wieder auf der Tanzfläche alles ertragen müssen? Linus Volkmann hat tief in die Hochzeits-DJ-Kiste geblickt. Sie dürfen die Helene-Fischer-Platte jetzt küssen!Gleich zu Anfang möchte ich mich in meinem und im Namen des kompletten VICE-Verlags bei allen Eheleuten entschuldigen. Wir wissen natürlich, ihr habt es auch nicht leicht. Im Gegenteil: Mit den Schwiegereltern stundenlang ohne einen echten Gesprächsfaden im Restaurant sitzen müssen, immer den Klodeckel runtermachen, nicht mehr direkt über der Spüle essen und aufwändig die Affäre mit dem neuen Babysitter vertuschen.
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Euch sei von diesem Text hier natürlich nicht wirklich die Scheidung gewünscht. Schließlich habt ihr euch einander geschenkt in einer offiziellen Zeremonie—nun lebt also auch gefälligst damit.Wobei für völlig ungelenke Hochzeitsfeiern ja immer noch ein wenig Sympathie aufzubringen ist: Der Bräutigam und seine pickeligen, halbkahlen Brüder in gurkigen, zu großen Anzügen von C&A, die Braut in unvorteilhaftem weißen Kleid und mit einer Hochsteckfrisur, die irgendwie bloß das Kuh-ige ihres Typs herausarbeitet. Dazu noch Streit um die ganzen Kosten, trotzdem furchtbares Catering, Rezitation von mehr als seltsamen Gedichten („In Stahlgewittern") durch Oma Göring und eine Party zum Einschlafen, auf der aber trotzdem kein peinliches Spiel ausgelassen wird. Bei solchen Veranstaltungen spürt man zwar deutlich den Sand in der eigenen Lebenszeituhr verrinnen, aber dennoch besitzt diese Komplett-Kapitulation vor dem vermeintlich „schönsten Tag des Lebens" auch etwas Rührendes.Viel schlimmer sind die „coolen Hochzeiten". Deine tätowierten Styler-Buddys sehen zwar aus, als könnten sie jederzeit bei Jennifer Rostock einsteigen und bilden sich auch einiges auf auf ihre unkonventionelle Lebensweise ein, aber plötzlich muss dann doch geheiratet werden. Ein großer Schritt in die Bürgerlichkeit—zugeben möchte man das aber nicht. Vertuschen möge dies daher eine betont lockere Version der Hochzeitsfeierlichkeiten.
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Aber sorry: Wenn ihr in den Schoß von Lohnsteuerklasse 3, der normativen Zweierbeziehung und Jesus o.ä. schlüpfen wollt, bitte, aber dann tut dabei nicht noch, als wäre es bei euch auf einmal eine unverkrampfte Veranstaltung. Ist es nämlich nicht. Selbst wenn ihr euch in Las Vegas von Elvis habt trauen lassen. Cool? Vergesst es, we don't buy it! Eure verschnarchte Eheschließung wird auch garantiert nicht davon aufgewertet, wenn der Bräutigam einen Zylinder, Weste und Jeans trägt oder dass die Braut den Brautstrauß selber isst. Keine Chance.Auf der Tanzfläche kommt ohnehin alles ans Licht. Dort wird nämlich nicht—wie im Vorfeld fahrlässig angekündigt—weißes Rauschen oder Death Metal gespielt, sondern es läuft musikalisches Blabla, um auf kleinstem gemeinsamen Nenner angesoffene Langweiler zu bespaßen. Angesoffene Langweiler, mit denen man befreundet oder (seit neustem) verwandt ist. Und hier sind sie, die acht Klischee-Songs, die auf keiner Hochzeitsfeier fehlen:
1. Daft Punk „Get Lucky"
Das Lied all der vom Fickwunsch zerfurchten Gesichter, die mal wieder bis zum Morgengrauen keinen abgekriegt haben. Ein großes Missverständnis ist dabei, die (überschaubare) Coolness des Songs strahle auch auf seine Hörer ab. Die Beliebtheit zieht der Hit vor allem aus seiner musikalischen Rückwärtsgewandtheit. Die Hymne zur Kapitulation vor Zukunft und Gegenwart: Du verstehst moderne Popmusik nicht mehr? Dann willkommen bei „Get Lucky"—hier ist die Welt noch in Ordnung.
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2. The Weather Girls „It's Raining Men"
Silbermond „Das Beste"
Sonny and Cher „I Got You Babe"
Helene Fischer „Atemlos"
Nena „99 Luftballons"
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