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Popkultur

Eure Bluetooth-Boxen haben mir den Sommer versaut

Egal wo ich diesen Sommer draußen war, ich bin nicht um Bluetooth-Boxen und damit verbunden schlechtem Musik-Misch-Masch herumgekommen.
Eine Gruppe an jungen menschen am rand einer Waldlichtung, die vermutlich mit Bluetooth-Boxen Musik hören

Es könnte alles so schön sein: Gemütlich mit Freunden grillen, einen Tag am See geniessen oder warme Sommerabende mit einem Bier ausklingen lassen. Alles Wunschdenken—draussen ist es nie wieder schön, weil jeder Moment von schlechter Musik überschallt wird. Bluetooth-Boxen haben sich dieses Jahr wie die Pest verbreitet und sind zu meinem neuen Hassobjekt Nummer eins geworden.

Mobile Boxen sind natürlich keine neue Erscheinung. Ich selbst bin mit 15 Jahren mit einem Lautsprecher im Rucksack um die Häuser gezogen. Damals haben die zwei AA-Batterien zumindest für ein Stündchen Skate-Punk-Beschallung bei unserem Treffpunkt am Mittwochnachmittag gereicht. Und davor, irgendwann in den 90ern, war's cool mit einer Boombox auf der Schulter durch die Gegend zu laufen.

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Ein Credo, das ich damals hatte und das heute anscheinend niemand mehr verfolgt, war immer, nicht andere Leute mit meiner Musik zu stören. Sehr unrebellisch, aber irgendwelche Manieren haben mir meine Eltern mitgegeben. Und spätestens als die ersten MP3-Handys auf den Markt kamen, bewiesen die agressiven Posertypen aus deiner Schule, dass öffentliche Musikbeschallung einfach nur peinlich ist: Niemand will Deutsch-Ghetto-Rap von der letzten Bank im Bus bis ganz nach vorne hören.

Als ich schliesslich eine richtige Anlage mit fetten Passivboxen in meiner Wohnung installiert hatte und auf Qualitätskopfhörer umgestiegen war, starb das Thema mobile Boxen für mich persönlich eh: Das leiseste Störgeräusch, wenn die Batterie absäuft, wenn das verbundene Handy aus der Reichweite kommt oder wenn jemand ein SMS erhält, machte meinen Musikgenuss kaputt.

Heute scheint aber jeder zwischen 13 und 33 Jahren eine mobile Bluetooth-Box zu besitzen—als würden sie wie Kopfhörerstöpsel direkt zu jedem Smartphone mitgeliefert werden. Aber wieso verwundert mich das eigentlich: Marken wie Ultimate Ears (UE) oder Beats by Dre haben ihre drahtlosen Boxen dank geschicktem Product-Placement in jedem erdenklichen Hip-Hop-Kommerz-Video zu Lifestyle-Produkten gemacht, die man eben besitzen muss.

Lifestyle-Produkt für alle Konsum-Victims: Beats by Dre, vermarktet durch Nicki Minaj. Foto: Beats by Dre

Und so kannst du eigentlich nicht mehr an einen öffentlichen Ort gehen, ohne dass irgendein Held eine Bluetooth-Box dabei hat: Am See, am Openair, an Grillstellen, im Park, auf der Piste, an der Langstrasse, im Einkaufszentrum und sogar an der Street Parade—überall schon gesehen, überall schon gehört.

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Darin liegt aber noch das kleinste Problem. Es ist nie nur eine Box, die vor sich herträllert. Weil der Typ, der fünf Meter vom anderen Typ mit der Box halt seine Musik hören will und nicht die seines Nachbars, muss er seine Musik lauter stellen. Wieso wiederum Typ zwei seine Musik lauter stellen muss. Dann kommt noch Typ drei, der den Pegel noch etwas höher stellt und Typ eins und zwei müssen nachziehen—bis es halt nicht mehr lauter geht und jeder im Umkreis von 20 Metern das Mischmasch von allen hören muss.

Gegen laute Musik habe ich ja nichts einzuwenden. Der Tinnitus ist mein bester Freund und ohrenbetäubend laut sind die Boxen auch nicht. Aber die Typen und Frauen, die mit ihren Boxen rumhängen, merken selbst nicht wie ätzend ihr gemeinsames Orchestra aus Hip-Hop, Reggaeton und House ist, weil sie ihren Sound am lautesten hören und den der anderen allerhöchstens unterschwellig. Als Boxabstinenzler hast du aber verloren.

Und dann kommt noch das allergrösste Problem dazu: Ich habe noch nie eine Person mit einer Bluetooth-Box erlebt, die über einen guten Musikgeschmack verfügt. Da gibt es die Oldschool-Hip-Hop-zum-Mitsingen-Hörer, die Reggeaton-Schmalzlocken, die Charts-Deep-House-Mainstream-Mitschwimmer, die Scheiss-egal-ob-Black-Metal-nicht-zum-Chillen-passt-Gruftis, die Toten-Ärzte-ich-kenne-jede-Strophe-Mitsinger, Goaner und Girl-Power-Abend-Girls. Sie gehören übrigens auch meist der Spezies an, die keinen Song auslaufen lässt und ihn kurz nach dem Höhepunkt skippt.

Gleichzeitig streitet man sich auch immer um die Musik. In einer Clique mit über vier Personen kann man es nie allen Recht machen. Deswegen wechselt die Kontrolle über das Bluetooth-Signal des Lautsprechers alle paar Songs—von einem gemütlichen Flow hat noch nie jemand etwas gehört.

Eigentlich würde ich am liebsten jedem Bluetooth-Boxen-Veteran seine Hobby-Anlage aus den Händen reissen, sie in hohem Bogen ins nächste Gewässer oder Feuer schmeissen oder wahlweise wie auf eine leere Bierdose drauftreten—sie hätten ja die richtige Form dazu. Aber eben, Manieren und so. Deswegen bleibe ich lieber zu Hause und lass meine Nachbarn meine Musik mithören.