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Der Traum ist nicht aus — K.I.Z. besingen das Ende der Welt

K.I.Z. und Henning May fantasieren in ihrem neuen Video über eine utopische Zukunft und erinnern an die großen Ton Steine Scherben.

Wenn nichts mehr zu retten ist, dann sollte man selbst Dinge ziehen lassen, die man lange Zeit geliebt hat und von neuem beginnen. Schließlich wohnt jedem Anfang ein Zauber inne, wie ein kluger Mensch mal sagte. Der Satz könnte auch von K.I.Z. sein. Denn jene scheinbar unfehlbaren Führer auf dem Weg gen Weltuntergang haben verstanden, dass uns nur das Ende davor retten kann, menschlich weiter zu degenerieren.

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Auf „Hurra, die Welt geht unter“, dem titelgebenden Stück ihres neuen Albums, ist das Ende bereits da: Die Bomben sind gefallen, McDonalds und Nestle sind entmachtet—die Welt, wie wir sie kennen, ist hin. Doch warte, ist es wirklich schlecht, dass die kapitalistisch organisierte Welt sich am Ende selbst gerichtet hat? Nicht für die Bewohner von Taka Tuka-Land, die der Apokalypse sei Dank endlich frei und gleich leben können.

Die Geschichte von der Welt, in der Kinder Monopoly nicht mehr verstehen, weil sie kein Geld kennen, ist ungefähr die kitschigste der gesamten K.I.Z.-Diskografie und trotzdem eine, die absolut unnachahmlich so klingt, wie die Kannibalen in Zivil eben klingen. Obwohl Maxim, Tarek und Nico nicht verschleiern, dass sie uns mit diesem Lied eine unrealistische Utopie präsentieren, ist „Hurra, die Welt geht unter“ trotzdem wahrscheinlich das beste Stück Protestmusik des Jahres. Mit ihm wird engültig offenbar, was uns eigentlich schon längst wie Schuppen von den Augen hätte fallen müssen: Das die Großartigkeit von K.I.Z. sich genauso auf Westberlin Maskulin stützt wie auf Reisers Ton Steine Scherben. Auch, weil Henning May (von AnnenMayKantereit), der hier den Refrain übernimmt, mit seiner früh gealterten Reibeisenstimme an den großen Rio erinnert, ist „Hurra, die Welt geht unter“ sowas wie das „Der Traum ist aus“ der vier stabilen Führer der deutschsprachigen Rap-Welt.

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Tatsächlich deuten sogar konkrete textliche Ähnlichkeiten darauf hin, dass in dem Text von K.I.Z. das gleiche Blut fließt wie in dem des Scherben-Klassikers. So rappt Tarek in seiner Strophe: „Es gibt kein' Knast mehr, wir grillen auf den Gefängnisgittern“, wo Reiser „Alle Türen war'n offen, die Gefängnisse leer“ singt. Auch fantasieren Tarek und Reiser beide eine Welt ohne Waffen und Kriege herbei. Rapper und Liedermacher als Geistesverwandte? Da sind sicherlich auch die jubellierenden Feuilletonisten nicht weit. Ich freu mich schon jetzt auf den Moment, in dem Moritz von Uslar die vielen lyrischen Schmuckstücke und Zitate aus Pop-Klassikern der linken Szene in der Musik von K.I.Z. entdeckt und seine nächste putzige Liebeserklärung an eine HipHop-Platte zu Papier bringt. Solange gehört dieser großartige Song, in dem neben Rio Reiser auch Baba Haft seinen Widerhall findet („Wenn nicht mit Rap, dann mit der Pumpgun“) aber uns. Noch ist der Traum eben doch nicht aus.

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