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Interviews

Franz Ferdinand bleiben bescheiden

Was kann man eigentlich noch wollen, wenn man als Band schon so gut wie alles erreicht hat? Alex Kapranos will einfach nur Musik machen, das soll genügen.

Fotos: Maja Harden

Der ersten Person, der ich erzählt habe, dass ich mit Franz Ferdinand ein Interview machen werde, fielen dazu nur die folgenden Worte ein: „Was, die machen noch Musik“? Ja, das unter anderem als Headliner beim Coachella, Pukkelpop, Lowlands und eigentlich allen großen internationalen Festivals auf europäischem Boden. Am 26. August wird dann auch noch das neue Album Right Thoughts, Right Words, Right Action in den Regalen des Plattenhändlers eures Vertrauens auftauchen und die aktuelle Single „Love Illumination“ sammelt gerade ordentlich Airplay und erinnert uns alle daran, dass es mal Zeiten gab, in denen Musik hauptsächlich auf Gitarrenriffs basierte.

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Doch was kann man eigentlich als Franz Ferdinand noch erwarten? Hat man nicht bereits schon alles erreicht, das man sich als Band in den Nuller-Jahren erträumen konnte? Eine Option wäre auf jeden Fall die komplette künstlerische Narrenfreiheit. Ob Franz Ferdinand dafür auch so weit wie Radiohead gehen würden, hat mir Alex Kapranos in schottischem Akzent auf freundlichste Weise erklärt—und das obwohl ich den Kardinalsfehler begangen habe Franz Ferdinand als Britpop-Band zu titulieren.

Noisey: Im September 2010 habt ihr angekündigt, dass ihr ein neues Album rausbringen wollt.
Alex: Nein, ich habe gar nichts angekündigt [lacht].

Aber es war doch schon im Jahre 2010, dass ihr damit angefangen habt?
Nein. Ich habe mit Absicht nichts angekündigt, denn wenn wir darüber sprechen, dass wir ein Album aufnehmen, zerstört das immer alles. Journalisten wollen so etwas natürlich immer hören, aber das ist ja auch euer Job. Ich mag es nicht über Dinge zu reden, die gar nicht existieren.

Und wann habt ihr dann genau mit den Albumaufnahmen begonnen?
Vor zwei Jahren haben wir mit dem Schreiben neuer Songs begonnen.

Bei Right Thoughts, Right Words, Right Action hättet ihr in zwei Richtungen gehen können—entweder ein typisches Franz Ferdinand-Indie/Pop-Album oder etwas komplett Unerwartetes, wie ihr das ja schon mal am Ende des Songs „Lucid Dreams“ angedeutet habt. Ihr habt euch aber dafür entschieden, die gute alte Franz Ferdinand-Schiene zu fahren. Ist es schwierig, Franz Ferdinand immer wieder neu zu erfinden?
Ich denke, dass es immer einfach ist etwas Neues zu machen, solange man nicht vergisst, was die Essenz der Band ausmacht. Auf dem Album gibt es Sachen, die wir vorher noch nie gemacht haben, wie zum Beispiel Streicherarrangements, Saxofone, Blechbläser und so. Es gibt textliche Ideen, die ich vorher noch nie angesprochen habe, oder Harmonien und Melodien, die wir im Voraus nie probiert haben. Im Kern geht es um uns vier Persönlichkeiten, die die Musik machen. Aber ich würde nicht sagen, dass wir Indie/Pop-Musik machen.

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Ähm, vielleicht ist Britpop der bessere Ausdruck…
Nein, definitiv nicht. Auf keinen Fall. Wir sind eine schottische Band. Ich überlege nochmal, ich gebe dir den Namen unseres Genres am Ende des Interviews.

Naja, Genres sind eh Quatsch. Ich glaube da brauchen wir uns nicht weiter drüber zu unterhalten.
Ja [lacht].

Ihr spielt ja nun schon zehn Jahre zusammen in einer Band. Könnt ihr euch gegenseitig eigentlich noch riechen?
Ja, ja, auf jeden Fall. Man muss auch sicher gehen, dass da alles noch gut läuft. Ich glaube ein Teil des Prozesses, ein neues Album aufzunehmen, ist, dass man erst mal sicherstellt, ob man noch gut miteinander befreundet ist. Denn wenn man nicht mehr gut miteinander befreundet ist, dann wird das Album schlecht werden. Wenn du eine Band auf der Bühne siehst, die, wenn sie im selben Raum sind, sich nicht miteinander unterhalten wollen, dann wird dir ihre Show sicherlich nicht gefallen. Wenn sie nicht alle miteinander hier sein wollen, warum solltest du das dann? Man muss sich doch wie eingeladen fühlen. Es ist, als wäre man in einer Gang. Komm und ich zeige dir meine Welt.

Roxanne Clifford von den Veronica Falls singt auf „Fresh Strawberries“ mit. Wie habt ihr euch kennengelernt?
Wir kennen uns eigentlich seit Jahren. Roxanne war ein Jahrgang unter Bob auf der Kunsthochschule in Glasgow. Ich glaube sie war sogar bei dem ersten Gig, den wir je gespielt haben. Sie hat auch die ersten Fotos von uns als Band gemacht. Nick und ich waren damals in seinem Studio, den Sausage Studios in London, und wir arbeiteten gerade an den Harmonien für die Vocals von „Fresh Strawberries“. Es gibt da eine Stelle, die sehr hoch ist, so dass keiner von uns beiden sie singen kann. Aber trotzdem wollten wir sie im Song behalten. Wir brauchten jemanden, der so hoch singen kann und eine tolle Stimme hat. Dann dachten wir beide gleich: „Oh Roxanne, die ist doch hier gleich um die Ecke“. Sie hatte gerade mit den Veronica Falls knappe 200 Meter von uns entfernt geprobt, also haben wir sie angerufen und sie kam vorbei. Sie hat’s dann ganz spontan eingesungen, das war die leichteste Übung für sie.

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Im Pressetext zu eurem neuen Album heißt es: „Die Songtexte sind auf diesem Album noch poetischer“. Auf der anderen Seite hat sich Cara Conolly, die Tochter vom schottischen Comedian Billy Connolly, sehr über einen Song gefreut, bei dem du das Wort „ejaculation“ in den Mund nimmst. Welcher Song ist das und worum geht’s da?
[Lacht] Das war der Song „Love Illumination“, da habe ich anstatt: „sweet love illuminationsweet love ejaculation“ gesungen, da habe ich mir ein Spaß draus gemacht. Ja, es ist schon lustig, egal wie poetisch man sein will, seinen Humor sollte man dabei nie verlieren.

Apropos Poesie, im Song „Darts of Pleasure“ habt ihr einst: „Ich heiße superfantastisch, ich esse Schampus mit Lachsfisch“, gesungen. Für uns Deutsche war das natürlich der Bringer schlechthin. Macht ihr so was nochmal?
Es gab da sogar ein Song, der es fast auf das Album geschafft hätte. Nick hatte diesen Song „Erdbeermund“ geschrieben, der komplett auf Deutsch war.

Vielleicht mal als B-Seite irgendwann?
Ich weiß es nicht. Wir werden es sehen. Vielleicht bleibt er für immer verschollen, oder vielleicht wird mal eine Single draus.

Bei YouTube habe ich gesehen, dass du bei dem Song „Right Action“ an einer Stelle den Text vergessen hast…
Habe ich das, ja? [lacht]

Ja, es gibt Beweise. Ich fand das total charmant. Eigentlich ist das doch nur ein Problem für junge Bands, oder passiert dir das öfter mal?
Wenn du einen Song singst, den du schon 1.000 Mal gesungen hast, dann ist das natürlich wesentlich unwahrscheinlicher. Wir machen auch gerade ein Live-Album, das mit dem eigentlich Album rauskommen soll und es heißt Right Notes, Right Words, Wrong Order [lacht]. So was passiert schon mal, aber das ist cool, man spielt ja keine Shows mit Backing-Tracks.

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Es ist jetzt ziemlich genau zehn Jahre her, dass ihr zum ersten Mal zusammen auf der Bühne gestanden habt. Für jüngere Bands nehmt ihr mittlerweile ja schon den Status von Vorbildern ein. Fühlt ihr euch wie so der gute Onkel, der den Youngsters Tipps geben kann, was man machen und was man lieber bleiben lassen sollte?
Das hat nicht unbedingt damit zu tun, wie lange man schon Musik macht. Man spricht ja immer mit seinen Zeitgenossen, also Leuten aus Bands, die mal älter oder mal jünger sind. Da tauscht man immer seine Erfahrungen aus. Aber ich sehe mich jetzt nicht unbedingt als Onkel. [lacht]

Auf jeden Fall hast du schon die guten und die schlechten Seiten des Musikbusiness kennengelernt.
Ja.

Machst du dann aktiv etwas für die jüngere Generation an Bands, gibst du ihn dein Wissen weiter?
Ja, wenn ich gerade Bands höre, die ich total spannend finde, dann sage ich das den Leuten. Oder wenn ich sie mal sehe, dann gebe ich ihnen auch Tipps, auf welche Leute sie im Publikum achtgeben sollten.

Ändert das irgendwas daran Franz Ferdinand zu sein?
Im Gegensatz zu früher jetzt?

Ja, mittlerweile sieht man euch ja als Vorbilder.
Ich sehe mich nicht als Vorbild.

Aber ein Haufen junge Musiker tun das auf jeden Fall.
Oh, wow. Aber ich sollte da glaube ich nicht so viel drüber nachdenken, sonst fang ich noch an mich verantwortlich zu fühlen und ich ziehe es vor, das nicht zu tun. [lacht]

Ihr habt euer neues Album in deinem und Nick McCarthys Studio aufgenommen…
Nein, für ein paar Songs sind wir z. B. in Björn Yttlings Studio nach Stockholm gefahren. Wir haben auch viel in den Club Ralph Studios an Conny Planks altem Mischpult gemixt.

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Ist das ein Schritt in die Richtung kompletter künstlerischer Freiheit?
Ja, das war immer das Ziel. Als wir zusammengekommen sind und Nick und ich davon geträumt haben, wie wir uns das mal in der Zukunft vorstellen, dann ist das jetzt genau diese Situation. Ich kann mich noch daran erinnern, als mir bewusst wurde, dass das genau mein Ziel ist. Ich habe damals eine Dokumentation über Can gesehen und sie sprachen darüber, wie all ihre Einnahmen direkt in das Studio und Equipment investiert wurden, so dass sie die komplette künstlerische Kontrolle behalten können über ihren Sound und die Art, wie sie auftreten und aufnehmen. Ich liebe das. Ich will nicht, dass uns irgendjemand erzählt, wie unsere Band zu sein hat. Als wir mit anderen Produzenten auf dem Album zusammengearbeitet haben, dann war das immer nur eine Art Kollaboration, da hat uns niemand vorgeschrieben, was wir machen sollen.

Mit Björn jetzt?
Genau, und mit Todd Terje und mit Alexis und Joe von Hot Chip.

Habt ihr schon mal darüber nachgedacht in Zukunft noch einen Schritt weiter in Richtung Do-It-Yourself zu gehen, so wie Radiohead? Also beispielsweise Domino zu verlassen und wieder damit anzufangen, die Alben selbst herauszubringen, wie ihr das ja schon mit eurer ersten Veröffentlichung Live 2003 gemacht habt?
Nein, nein. Ich mag Domino, verstehst du? Außerdem bin ich kein Business-Mensch. Die Beziehung zu Domino ist für mich eine Beziehung, die uns eigentlich frei macht. Ich muss mich nicht um die Distribution kümmern. Ich habe doch keinen blassen Schimmer davon, wie das ganze Distributions-System funktioniert, also wie man dann tatsächlich ein Album in einen Shop bringt, oder wie man eine Kampagne organisiert, oder wie man den Zeitplan richtig hinbiegt, so dass du hier zur richtigen Zeit nach dem vorigen Journalisten ankommst. Ich bin halt ein Musiker und keine Plattenfirma.

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Ok, letzte Frage. Ihr habt rund um den Globus verteilt Fans, ihr habt ziemlich einflussreiche Alben gemacht und wahrscheinlich einen Arsch voll Geld auf eurem Bankkonto. Was kann man noch mehr wollen?
Musik. Das ist ziemlich einfach. Das ändert sich nicht. Ich will weiterhin Musik mit meinen Freunden machen, in deren Gesellschaft ich mich wohl fühle.

Right Thoughts, Right Words, Right Action von Franz Ferdinand erscheint am 23. August bei Domino, bestellt es euch bei Amazon oder iTunes.

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