FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Ist das Ende der kostenlosen Musik gekommen?

Es scheint, als würde YouTube in den USA bald Geld dafür einfordern, werbungsfreie Musikvideos zu zeigen.

Dank des Internets und windigen Tauschbörsen oder Clients wurde Musik Anfang der 00er komplett entwertet und nur noch am Preis für USB-Sticks und Rohlingen gemessen. Dann zeigten uns iTunes und Co., dass es auch komfortabler, legaler und vor allem virenfreier ging, wenn du als geneigter Musikfreund bereit warst, wenigstens ein bisschen was zu bezahlen. Und so langsam gewöhntest du dich wieder an den Gedanken, dass du Musik nicht unbegrenzt runterladen kannst, sondern dass sie einen sehr realen Wert hat. Jedenfalls so lange, bis Spotify dir mehrere Musik-Bibliotheken ins Zimmer warf, dafür nicht einmal Geld verlangte und damit die Rolle des coolen Onkel einnahm, bei dem du manchmal übernachten durftest und der dir bereitwillig Horrorfilme und Coca Cola vorsetzte, weil dir beides immer von deinen Eltern verboten wurde. Ja, Spotify hat unsere Erziehung wieder schön über den Haufen geworfen.

Anzeige

Wenn du heutzutage keinen Bock hast, für Musik zu bezahlen, hast du es ziemlich leicht. Spotify bietet dir eine unfassbar riesige Auswahl an so gut wie allen Künstlern, die irgendwo mal einen Plattenertrag unterschrieben haben, auf YouTube laden Liebhaber ganze Alben von längst vergessenen Perlen hoch, Bandcamp versorgt dich mit der Musik des Metal/Hardcore-Untergrunds, Soundcloud ist eine Spielwiese für Techno und Rap-Newcomer. So gesehen könntest du bis zum Rest deines langen Lebens durchgängig Musik hören, ohne einen Track zweimal abspielen zu müssen.

Foto via Flickr | Jon Aslund | CC BY 2.0

Aber langsam, ganz langsam zieht sich die Schlinge um deinen geizig-gierigen Hals zu. Dieses Jahr grapschte nicht nur Jay-Zs Streaming-Dienst Tidal in dein Portmonee, sondern auch Apple ließ es sich nicht nehmen, mit Apple Music ein solches Portal zu starten. Denn im Gegensatz zum Marktführer Spotify verlangen sie für das Streamen von Musik monatlich 9,99 Geld. Das will Spotify zwar auch sehen, aber nur, wenn du die unsagbar nervigen Werbeunterbrechungen von LeFloid, Haudegen und Co. nicht ertragen und die Musik auch offline genießen willst. Noch. Denn auch Spotify überlegt scheinbar, jedem Geizhals nur noch Teaser-Musik anzubieten—erst nachdem du Kunde bist, darfst du wieder ausgelassen durch die digitalen Regale tänzeln. Selbst auf Bandcamp haben Künstler jetzt die Möglichkeit, die Plays ihrer Songs zu begrenzen und dich als empörten Hörer darauf hinzuweisen, dass du die Musik gerne so oft hören darf, bis du jede Note rülpsen kann. Wenn du dafür bezahlst.

Anzeige

Und jetzt scheint YouTube endgültig nachzuziehen. Berichtete der Guardian schon Anfang April, dass noch Ende 2015 nur noch jene User Musikvideos ohne Werbeunterbrechungen schauen dürfen, die dafür auch monatlich bezahlen, veröffentlichte AndroidAuthority jetzt den Text einer Mail, die an alle gewerblichen US-Channel-Besitzer geschickt wurde. In dieser wurden sie leicht schubsend gebeten, bis zum 22. Oktober die neuen Bestimmungen zu akzeptieren, ansonsten könnten ihre Video nicht mehr öffentlich geschaut oder monetarisiert werden—entweder sie akzeptieren oder sie verdienen kein Geld mehr.

„Um Fans mehr Auswahl zu bieten, werden wir eine neue, werbungsfreie Version von YouTube starten—verfügbar gegen eine monatliche Gebühr […] Wir garantieren, dass Fans, die sich dazu entschließen, für eine werbefreie Erfahrung zu bezahlen, sich alle Videos ansehen können, wie die mit der werbefinanzierten Version.“

Die noch-kostenlosen Streaming-Dienste scheinen also nicht mehr zufrieden mit ihren bisherigen Einnahmen zu sein. Interessanterweise verdienten Künstler im US-Markt 2015 mehr durch den Verkauf durch Vinyls als durch die Gesamteinnahmen von YouTube, Vevo und Spotify. Was aber auch nur heißt, dass sich die Dienste ein goldenes Ohr verdienen, während die eigentlichen Urheber sich selbige blutig spielen müssen. Vielleicht liegt für Musiker die Zukunft sowieso in der Vergangenheit. Denn in der ersten Hälfte von 2015 war Vinyl in den USA der am schnellsten wachsende Sektor der Musikindustrie und übertraf auch in den Einnahmen die Streaming-Dienste.

Über all die Jahre in den endlosen Audio -und Video-Bibliothek hast du dich sehr daran gewöhnt, komfortabel, legal, virenfrei und kostenlos Musik zu erleben. Dass jetzt immer mehr Konzerne versuchen, damit ein bisschen mehr Geld zu verdienen, ist da auch nur der nächste logische Schritt. Denn so unvernünftig dein Onkel auch war, auch er hat dir niemals Die 120 Tage von Sodom gezeigt oder dir Pepsi gegeben. Aber dafür durftest du seine liebevoll sortierte Plattensammlung durchstöbern.

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.