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So war es, in den 80ern in Wien fortzugehen

Damals gab es gar keine große Auswahl an Clubs, die irgendwie wegsterben hätte können.
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Als 72er-Jahrgang waren die 80er und 90er für mich die Jahre, in die meine Pubertät, die Flegeljahre, der Sturm und Drang, der Rausch der Hormone, die Jugend – kurz die Zeit, in der man im vollen Saft so richtig auf die Kacke haut – fallen. Nur: Die 80er waren hinsichtlich Fortgehen richtig scheiße. Zumindest aus der Wiener Perspektive – auch und gerade rückblickend betrachtet. Das hat mehrere Gründe. Verzeiht mir eventuelle Ungenauigkeiten oder das Fehlen mancher Orte und Namen, das ist alles echt lange her.

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Die Clubs

Wo heute ja gerne über das große Clubsterben gesudert wird und auf der anderen Seite oft große Unentschlossenheit herrscht, wo man sich aufgrund des Überangebots an Locations am besten regelmäßig wegschießt, halte ich dagegen: Damals gab es gar keine große Auswahl an Clubs, die irgendwie wegsterben hätte können. Gut, es gab das U4. Das war vor dem Brand eine echt räudige Hütte, stellt euch eine unterirdische Mischung aus Werk und Arenabeisl vor. Und natürlich auch die Arena, aber da sah es überall so aus wie in einem Proberaum. Und damit meine ich nicht den von Gabalier.

Löbliche Erwähnung noch für das Fritz, später Rockhaus, dann Planet Music (noch vor der Übersiedelung in den Gasometer) an der Adalbert Stifter Straße. Hier konnte man damals schon gute Acts live sehen – in der Konzertwüste der 80er ein Highlight. In der inneren Stadt teilten sich das Montevideo, das Take Five und das Queen Anne jene Promis mit Geld, denen die legendäre Eden Bar zu bieder war. Später kamen dann noch Bunker wie das P1 (heute Empire) dazu, aber im Wesentlichen war die Auswahl begrenzt.

Hütten wie das Chelsea oder das Flex waren gerade erst an ganz anderen Orten im Entstehen. Was also blieb, war so eine Art aufgepimpte Beisln und Bars, wo man sich gepflegt ansaufen konnte und die (Live)Musik wesentlich lauter war als daheim möglich, so wie das Graffiti. Lokale in den Gürtelbögen gab’s damals noch keine. Weitere versprengte Lokale, die man heute am ehesten als Lounges bezeichnen würde: das Atrium (später OST Club), etliche Lokale entlang der Florianigasse, die Blue Box, das Stein, das Move und der Camera Club.

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Das Gift

Apropos Camera Club und Move. Ein essentieller Teil der 80er war eine ganz spezielle Drogenkultur, wie von Falco ausführlich geschildert. MDMA, 2-CB und dergleichen sowie – so komisch es klingt – gewöhnliches Gras waren damals schlicht unbekannt beziehungsweise nicht zu haben. Stattdessen: Uppers, Downers, Codein, Hasch. Für uns kleinen Anfänger eben, die Besserverdiener ließen es damals wie heute in den eingangs erwähnten Nobeldiscos ganzjährig schneien. Wie man sich vorstellen kann, war die Beschaffung ungleich schwieriger als heute – keine Handys, kein Internet.

Was blieb, war beim Fortgehen die Sichtung aller Dinge, die jeder heimlich aus dem elterlichen Arzneischrank abzweigen konnte, also Valium, Rohypnol, Codein, mit etwas Glück Antepetan oder Adipex. Mangels Datenbanken verbesserten wir alle unsere Leseleistung mit dem gründlichen Studium von Beipackzetteln. Die bekannte Wiener Mischung, also ein Mix aus diversen verschreibungspflichtigen Mittelchen und Alkohol, zeigte aber leider oft die gegenteilige statt der erhofften Wirkung, auch entsprechende Kotzorgien beendeten so manchen Abend recht hurtig.

Für Kiffer gab es damals nur wenig Auswahl. 90 Prozent des Marktes bestanden aus übel gestrecktem Hasch – meist recht heller Marokkaner oder Libanese. Der allseits begehrte Schwarze Afghane war schwer zu kriegen, wenn doch aber meist von so hoher (und ungewohnter) Güte, dass Fortgehen zugunsten der Couch gestrichen wurde. Da wie gesagt Anrufe oder Textnachrichten an Dealer noch nicht möglich waren, blieb meistens nur die Pilgerfahrt zu den einschlägig bekannten Umschlagplätzen, wo regelmäßig vercheckt wurde.

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Burggarten, Stadtpark, Resselpark; aber auch Lokale wie eben der Camera Club (exakt: Cafe Tralala, gleich unten rechts), Move Club, Flash, Theo’s Corner usw. 100 Schilling für ein Gramm. Inflationsbereinigt und verglichen mit der heutigen Qualität eigentlich ein Fall für den Konsumentenschutz. In den Trafiken gab es ohnehin nur zwei Sorten von langen Papers: Rizla und JOB. Wer auf der Suche nach gehobenen Rauchvergnügen war, musste sich in einem der spärlich gesäten und meist ziemlich grindigen Headshops mit vollkommen überteuerten Preisen und elendem Sandelholzgestank herumschlagen. Drauf sein war nicht einfach damals, und teuer noch dazu.

Vorglühen

Hier der einzige Lichtblick aus der Zeit: Aufgrund von ausgesprochen lax gehandhabten Jugendschutzgesetzen war es kinderleicht (pun intended), sich mit massig Alkohol und Zigaretten einzudecken. Schon als 12-jähriger war es kein Problem, in die Trafik zu gehen und "ein Packerl John Player für meinen Papa“ zu erwerben. Sauferei zum Vorglühen oder Umhacken im Park war ebenfalls kein Problem. Flasche Stroh 80 mit 15? Here you go.

Bolero, Adabei Ribiselwein, Gletschereis und wie die ganzen üblen Dichtmacher alle hießen – kein Ausweis nötig. Dementsprechend bauten viele von uns schon vor dem Mopedalter (heute: Wahlalter) eine Alkoholtoleranz auf, die sich sehen lassen konnte. Und manchem vielleicht in Kombination mit den billigen Pillen das Leben retteten, wer weiß. Ausgestattet also mit Pharmaka dubioser Herkunft, miesem Hasch und Alkohol minderer Qualität gaben wir uns damals oft schon am Nachmittag die Kante.

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Im Sommer draußen, im Winter irgendwo drinnen, wo es entweder einen VHS-Recorder, Spielkonsole (8-bit, Herrschaften!) oder eine gut sortierte Plattensammlung gab. Musiksender gab es ja noch keine. Die meisten Lokale hatten noch nicht so lange offen, das Nachtbusnetz war gerade erst spärlich am Starten und Nacht-U-Bahnen gab’s auch nicht.

Man musste also den kurzen Abend so intensiv wie möglich ausreizen. Dazu gehörten auch die fast schon traditionellen Fetzereien unter diversen verfeindeten Jugendgruppen, ein Fixpunkt war dabei das Treffen von Rockern oder Skins mit den am Donnerbrunnen herumlungernden Mods. Vereinzelte Italopopper wurden, so anwesend, da gleich ein einem Aufwischen integriert. Großes Kino jedes Mal.

Live-Szene

Übelst. Die 80er waren in der Hinsicht wirklich nicht schön. Zwar gab es eine starke heimische Szene, österreichische Giganten wie Falco, Ambros oder auch Drahdiwaberl und Hansi Lang konnte man jederzeit irgendwo aufgeigen sehen. Oder auch so treffen, ich bin nicht einmal fast über einen rotzbesoffenen Andy Baum oder Boris Bukowski vor dem Roten Engel gestolpert. Auf der anderen Seite schienen praktisch alle internationalen Stars einen Riesenbogen um Österreich zu machen, von Zuständen wie der "Übersättigung“ mit Festivals und den immer gleichen Acts wie Iron Maiden, den Stones, AC/DC oder so konnten wir nur träumen. DJs und EDM gabs ja ohnehin noch nicht. ORF-Sendungen wie Die goßen 10 waren da schon ein Highlight. Traurig.

Kino, Beislkultur, Stadtflucht

Groß im Kommen waren damals, auch mit der Amtsübernahme des Bürgermeistersessels durch Helmut Zilk, die kleinen Beisln und Bars. Selbiger war übrigens immer wieder am Heimweg zu seiner Innenstadtwohnung anzutreffen, meist gut abgedichtet und mit seinem dröhnenden Organ sofort Mittelpunkt des Geschehens. Schade, dass es da noch keine Selfies gab.

Es entwickelte sich dann so etwas wie eine Stammhütten-Kultur: Jedes Lokal bespielte eine gewisse Klientel und züchtete sich so treu wiederkehrende Gäste, mehrere solche Lokale formten ein Grätzl. Zum Beispiel das Bermudadreieck im Ersten. Krah Krah, Roter Engel, Kaktus, die Urgesteine eben. Make no mistake: Das war damals genau so wie heute, also primär Ausflugsziel für Besucher aus den Bundesländern, Touristen und Sicherheitslösung, wenn eh schon alles wurscht ist.

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Aber dennoch: Man nahm, was man kriegen konnte und mangels Auswahl versammelte sich die gesamte brünftige Generation in den immer gleichen Lokalen. Optional davor: Kino. Ohne Internet war man darauf angewiesen, aktuelle Blockbuster am Big Screen zu sehen, auf VHS erschienen die meisten Titel erst ein halbes Jahr später. Hatte aber den Vorteil vieler echt attraktiver Kino-Angebote für Schüler.

Wenn das alles wirklich nicht mehr auszuhalten war, blieb nur noch die Flucht in die Großraumdiskotheken des Wiener Umlandes. Das Banananas in Bockfließ, das Miami in Hagenbrunn, das Dorian (Q) Gray in Korneuburg und sogar das Nova in Bruckneudorf – bei entsprechender Mitfahrgelegenheit willkommene Locations, um mal in einem gänzlich anderen Genpool zu balzen und sich gepantschten Tequila und Cola Bacardi reinzuschütten.

Bis ins hinterste Wald- und Weinviertel erstreckte sich der Aktionsradius, wenn man das Glück hatte, Sitzenbleiber mit Führerschein in der Klasse oder älter Geschwister zu haben. Dass natürlich das Aufeinanderprallen von "Mundln" und "Bauern" in deren Revier öfter in deftige Schlägereien ausartete, war damals genauso wie heute, nur dass es keine Videos davon gibt.

Unterm Strich waren die 80er also ein Jahrzehnt, das man rückblickend so zusammenfassen könnte: Wir haben halt aus den spärlichen Möglichkeiten das Beste gemacht – und das war jedes Wochenende das Gleiche.

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