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Wie die Nerdkultur die Musikwelt bereichert

Mach dir die Maschinen Untertan.
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Foto via Flickr | Antonio Roberts | CC BY-SA 2.0

In meiner Jugend war die stereotypische Klassenunterteilung von Sportlern und Nerds—so sehr es mir Film und Fernsehen auch weismachen wollten—nicht gegeben. Obwohl ich Fan von Magic the Gathering, Powermetal und Pokémon war, bin ich vom Schicksal des stereotypischen Nerds verschont geblieben, während die populäre Kultur Nerds als Stubenhocker ohne soziale Kontakte dargestellt hat. Mittlerweile sind Computerspiele und die dazugehörige Nerdkultur in der Mitte der Gesellschaft angekommen, die Games-Industrie hat die Filmindustrie locker hinter sich gelassen und jedes Mal wenn ein Charakter in Game of Thrones stirbt erzittert das Internet.

Die Technikaffinität und der Wille, elektronische Geräte zu verändern und für andere Zwecke zu verwenden—oder gar missbrauchen—zieht sich durch die gesamte Hacker- und Nerdkultur. In diversen Werkstätten, Garagen und Programmierkämmerchen sind so eine Menge neuer Techniken entstanden, mit denen du dir die Maschinen Untertan machen und für dein Vergnügen musizieren lassen kannst.

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Floppymusik

Ein Elektrotechnikstudium platziert dich am Arbeitsmarkt sicher in den höhere Sphären. Das ist aber nicht halb so wichtig, wie die Fähigkeiten, die du dabei erwirbst. Zum Beispiel wie man 14 Floppylaufwerke und eine Festplatte dazu bringt „Dragostea din Tei“ von Ozone zu spielen. Falls ihr euch nicht mehr erinnern könnnt: „Floppy“ ist der „coole“ Slangausdruck für die Disketten, die man vor 3000 Jahren als Speichermedium benutzt hat. Floppy- oder Diskettenlaufwerke hingegen hat man in Computer eingebaut, damit sie nervige Geräusche von sich geben während sie unglaubliche 1.4 Megabyte auf die Disketten gespielt hat. Mit einem Arduinoboard und technischem Know-How kann man diese Arbeitsgeräusche in Musik umwandeln und seit 2007 langsam das gesamte bekannte Liedgut der Menschheit in das leicht bedrohliche Grummeln von Diskettenlaufwerken verwandelt.

Circuitbending

Circutbending bedeutet, dass man elektronische Spielezeuge, die in irgendeiner Weise Töne von sich geben, aufreißt und in deren Innenleben herumpfuscht, bis sie den gewünschten Lärm von sich geben. Circuit bending beruht dabei auf Zufall, die Ergebnisse von diesen Eingriffen sind schwer vorhersehbar. In diesem Sinne ist auch die Musik, die mit diesen Elektromutanten gemacht wird, experimentell und teils absolut weirder Lärm. Noise ist ja ein Genre für die Neugierigen unter den Musikliebhabern; manchmal frage ich mich aber, ob ich nicht eine Vorliebe für Pop entwickeln sollte.

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Ich wünschte ich hätte ein zugänglicheres Video, aber dieser experimental-elektronische Albtraum lässt mich nicht mehr los (Die Augen!).

Chiptune

Coverversionen von Computerspielsoundtracks sind im Internet so selten wie Katzenvideos. Und 8bit-Sounds gibt es in der modernen Musik ohne Ende. Richtig beeindruckend sind für mich die Chiptunemusiker die mit speziellen Spielkasetten auf den Soundchip der Spielekonsolen zugreifen und dadurch Gameboys—oder auch andere Spielekonsolen—in Musikinstrumente verwandeln. Die Ästhetik ist durch die Hardware an den Sound der Videospiele der Achtziger angelehnt, als die Komponisten nur vier Tracks hatten, um unvergessliche Klassiker zu schreiben. Der gameboymusicclub—seit 2002 der österreichische Vertreter dieser Szene und weltweit größtes Gameboymusik-Kollektiv—umgeht diese Limitierung in dem sie teils auch als Ensemble auftreten.

Algorave

Hier geht es darum, Musik live in einer Programmiersprache schreiben. Lass dir das auf der Zunge zergehen. Wenn du schon einmal programmiert hast, dann weißt du, wie schwierig es sein kann, den verdammten Code zum Kompilieren zu bringen. Dieser Kerl codet ganz gemütlich am Freitag Abend ein einstündiges Set, das er als Livestream ins Internet stellt.

Programmieren als Instrument ist wohl der nerdigste von dem ich je gehört, habe. Ob du bald die Plattenspieler für einen Laptop und einen Programmierkurs eintauschen musst ist aber noch fraglich. Unser Kollege Daniel Dylan Wray war bei einem Algorave; die Codeliebhaber brauchen noch etwas Basisarbeit, bis aus den Algorave-Events massentaugliche Partys werden. Generell gesprochen generiert der experimentelle Umgang mit der Technik auch experimentelle Musik und ohne etwas Liebe für technische Tüftelei kann der Zugang zu diesen Szenen recht schwer sein. Es ist aber verdammt lohnend, entweder wenn man sich als Zaungast schräges Zeug anschaun, oder seine Faszination für die technischen Möglichkeiten in der Musik etwas anregen will.

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