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Ich war auf dem Wiener Technoball und es war furchtbar

Im Ballkleid raven ist ungefähr so cool, wie mit einer Gabel Sushi zu essen.

Alle Fotos von der Autorin, die keine gute Fotografin ist

Zum siebten Mal in Folge fand heuer der Wiener Technoball statt. Die Werbemaschinerie funktionierte blendend—die Veranstaltung selbst wurde täglich vollgespamt. Außerdem haben alle auftretenden DJs mehrmals auf Facebook erwähnt, dass sie auftreten. Und nicht zu vergessen sind die Artikel von der Dreifaltigkeit der Information: Kurier, Krone und der Heute-Zeitung. Das weiß ich, weil auch die stolz in die Veranstaltung gepostet wurden.

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Screenshot: Noisey

Ob ich es also gewollt habe, oder nicht: Ich habe vom Technoball im Vorfeld mehr als genug mitbekommen. Das LineUp war voller Locals—was ich sehr schätze, da ich nicht finde, dass internationale Namen notwendig sind, um gute Musik zu gewährleisten. Wenn man das LineUp aber näher betrachtet hat, fand man schnell heraus, dass es eigentlich eh die selben Szene-DJs sind, die eh jedes Wochenende irgendwo in Wien spielen. Meistens ist dieses irgendwo der Volksgarten—oder die frühere Sauna beziehungsweise die Kantine.

Edel beim Vorglühen.

Das ist total schrecklich, weil es eintönig ist und es außerdem mehr Talente in Wien gibt, außer den paar Hansln, die eh immer und überall spielen. Dann noch der Preis—70 Euro an der Abendkassa. Überraschenderweise wollte also keiner meiner Techno-Freunde mit mir zum Ball. Beim Vorglühen entstand das lustige Spiel sich auszurechnen, was man alles um 70 Euro haben könnte.

Um 70 Euro hätte ich zum Beispiel zwei Mal zu Ricardo Villalobos gehen können und ich hätte noch Taxi- oder Spritzergeld gehabt. War angeblich auch eine Techno-Party. Um 70 Euro gibt es auch eine Vorverkaufskarte für das Noise Poison Festival—ein mehrtägiges Festival mit fetter Deko in der Slowakei, das auch bei Österreichern sehr beliebt ist. Um 70 Euro hätte ich auch—an diesem lieblichen Samstag—einfach in den Voga gehen und mir wahrscheinlich einen sehr ähnlichen Techno-Sound geben können. Oder ich wäre ins Werk—ganze sechs Freunde hätte ich um das Geld einladen können. Um 70 Euro hätte ich in der Slowakei ein gesamtes Kosmetik-Treatment bekommen oder auch in Österreich meinen Alkohol-Einkauf machen können. Oder ich hätte mir eine MK-Tasche aus Griechenland kaufen können—ganze vier Stück mit 70 Euro.

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Falls es nicht herauszulesen ist: Die Abendkassa für dieses LineUp ist meiner Meinung nach eine Frechheit. Das merkten auch meine Freunde an, die früher bei einem Technoball waren und denen dieses Konzept grundsätzlich gefällt. Ich bin ja eher nicht so der Fan von Bällen. Ich bin eher Fan von richtigen Partys.

Jedenfalls haben sich diese Freunde keine Tickets gekauft, weil es auch ihnen zu teuer erschienen ist. Es ist der Teil der Freunde, die den Volksgarten als eine Institution schätzen und gerne hingehen. Der andere Teil meiner Techno-Freunde hat mir sowieso den Finger gezeigt, als ich gefragt habe, ob sie mich begleiten wollen. Ich ordne mich eher in die zweite Gruppe ein. Aber hey, das Leben erfährt man nur, wenn man seine eigene Komfortzone verlässt.

Also habe ich in einer Runde vorgeglüht und mich fertig gemacht. Es war schön, mal wieder ein Mädchen zu sein, das sich ein Ballkleid anzieht, sich fünf Kilo Make Up in die Fresse schmiert und Stöckelschuhe statt abgefuckten Sneakers trägt. Es war schön, endlich meine gefälschte 15 Euro MK-Tasche zu verwenden—eigentlich als Kostümteil für Fasching gekauft, konnte ich sie jetzt ernsthaft tragen. Meine sonstige Umgebung würde ich mich mit so einer Tasche auslachen und mit Starbucks-Kaffee bewerfen.

Das habe ich gemocht, weil ich sonst eher selten gut aussehe. Schon gar nicht, wenn es um eine Techno-Party geht. Aber der Dresscode wollte es so—es stand zwar dabei, dass Fantasiekostüme erlaubt sind, aber ich habe die Gäste vom Technoball nicht als Menschen mit genug Selbsthumor eingeschätzt. Und alleine dort in einem tatsächlichem Underground-Techno-Outfit—Thermo-Leggins, Rucksack, Sneakers—aufzutauchen und zu sagen, dass es das „Fantasieoutfit“ ist, wäre zwar lustig, aber sie hätten mich wohl nicht reingelassen. Fantasie schaut in diesen Kreisen eben gut aus. In meinen Kreisen ist Lustigkeit das Maß für Fantasie.

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Ich meine nicht die Lichter, die da zu sehen sind. Wirklich. Da waren auch andere Lichter am Boden.

Ich habe auch Recht behalten. „Fantasiekostüme“ beschränkten sich dort auf halbnackte Weiber oder Weiber in Lack und Leder. Somit wurde „Fantasiekostüm“ ähnlich pornös ausgelegt, wie es zu Halloween üblich ist. Aber es war jetzt auch nicht so voll mit fantasiereichen Künstlerinnen—die meisten waren einfach ballmäßig angezogen. Am Weg zum edlen Kursalon habe ich mich drei Mal an so Bodenlichtern angestoßen—das kann am Vorglühen liegen oder auch daran, dass man verdammte Scheiße in der Dunkelheit keine Lichter am Boden platziert, wenn besoffene Gäste erwartet werden. Oida.

Meine Laune war dementsprechend angeschlagen—mein linker Stöckelschuh wurde zum Gefängnis meines Zehen-Schmerzes und es war niemand da, den ich vollsudern konnte. Vor dem Kursalon war irgendein PKW auf dem „Technoball“ draufgestanden ist. Die Bodenleuchten haben diesen PKW beleuchtet. Diese Art von Werbung—oder was auch immer es sein soll—habe ich sowieso nie verstanden, aber gut. Er ist in Erinnerung geblieben. Scheiß PKW.

Hier fehlt noch ein Steppenläufer, der durch die Szenarie des VIP-Bereichs rollt.

Drinnen waren die Getränke teuer—für meine Verhältnisse und meine Zahlungsfähigkeit. Zwei mal habe ich mich einladen lassen—immerhin waren die Herren sehr aufgestylt und zuvorkommend—also Aufriss ginge da super. Ich habe kurz der Shiseido-Lady (die so Sackerl mit Produkten ausgeteilt hat) meinen bisherigen Leidensweg erzählt, aber sie hatte nur ein gefrorenes Lächeln für mich übrig. Das war ein bisschen gruselig—aber für sie war ich das wohl auch, somit ist alles OK. Drinnen angekommen habe ich mir ganz genau alle Floors angesehen—die Anlage war schlecht eingestellt, die Location—ja, ein Ballsaal halt—und der Sound war—wie erwähnt—nichts Neues oder Aufregendes. Die DJs haben auch eher gelangweilt geschaut. Vielleicht, weil sie sich eh alle kennen.

Vielleicht auch deshalb gelangweilt, weil eben nicht Tausende den Technoball gestürmt haben. Um zwei Uhr war jeder Floor maximal halb voll. Eine Techno-Party, die um zwei Uhr mehr oder minder leer ist. So etwas tut mir körperlich weh. Da habe ich mich auch fünf Minuten fremdgeschämt—so viel mediale Aufmerksamkeit, so viel Spam, so viel Trara für so wenige Leute? Oh je. Vielleicht dachte der Booker, dass so viele Szene-DJs im LineUp eine Crowd hinbringen.

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Als Veranstalterin sage ich, dass 70 Prozent des LineUps eh die selbe Crowd am Start haben und diese Crowd niemals zahlen würde, weil sie von einer Gästeliste ausgehen. Außerdem schätze ich diese Crowd auf 30 Menschen. Maximal. Die meisten Leute, die fortgehen, interessieren sich nämlich einen Scheiß dafür, wie der DJ da vorne heißt—aber das merkt man erst, wenn man sich außerhalb seiner VIP-Blase bewegt und mal mit den Leuten spricht, die keinen Backstage-Zugang haben.

Die Menschen schienen auch nicht so viel Spaß zu haben, aber vielleicht lag es an den Fußschmerzen, den die Damen zusammen mit mir hatten. Zumindest haben alle gut ausgeschaut—und das war ja der Anspruch, oder? Techno zu hören und gut auszusehen. In einer anderen Location als dem Volksgarten. So gesehen wurde dieser Anspruch erfüllt und die Party war gut. Ich hab halt so einen Anspruch an eine Party nicht.

Der Ball hatte fast mehr Werbepartner als Gäste, aber nur fast

In meinen High-Heels zu Techno zu tanzen hat sich so angefühlt, wie damals in der Unterstufe mein Semester-Zeugnis zu fälschen. Es hat sich also sehr falsch und schlecht angefühlt. In beiden Fällen habe ich am Ende geweint—was damals Mutters Geschrei war, waren am Samstag meine Füße. Sonst sprach ich mit vier Männern—alle über 30 und alle haben für das Ticket nicht bezahlt. Mein „Bist teppat, dieses Festl ist eine riesige Homeparty, zu der halt die Öffentlichkeit auch hinkommen kann“ wurde als eher unsexy wahrgenommen.

Außer einer, der hat beinhart „Ja, eh“ gesagt. Den habe ich auch für den Rest des Abends gemocht. Er wurde zu meinem Leidesgenossen. Was ich lustig fand, da er offensichtlich ein geladener Gast war. Und wir haben nicht wirklich gelitten—wir haben gelästert und er hat mir den oberen Stock gezeigt. Da war auch ein Floor. Ansonsten hat es die Party nicht geschafft, den familiären Grundgeist, der sich im LineUp und unter den VIP-Gästen verbreitete, auf die nicht vorhandene Masse zu übertragen. Die meisten, die ich gesehen habe, hatten fade Gesichter und waren am Gehen.

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Ich bin auch nicht lange geblieben—die ganzen Specials habe ich auch nicht gesehen, aber um fair zu sein: Ich habe sie auch nicht gesucht. Die Shiseido-Lady hat mir noch ein Sackerl mit Produkten am Schluss gegeben. Eine teuere Kosmetik-Firma auf einem Techno-Rave. Das war alles so fucking surreal, dass ich es eigentlich bis jetzt verarbeite. Auf dem Heimweg habe ich mich noch mal an den Bodenlichtern angehauen. Daraufhin habe ich mein Shiseido-Packerl auf das Auto geschmissen—um es dann erbärmlich wieder zu holen. Immerhin Shiseido, oida.

Krasse Visuals und ein Nicht-Raucher-Schild.

Dazu sei nochmal—bevor ich von den geschätzten 500 Menschen gehasst werde, die dort waren—erwähnt: Ich bin kein Fan von Bällen. Ich bin schon gar kein Fan davon, eine Musikrichtung die aus dem Underground kommt (ähnlich wie HipHop) zu nehmen um einen Ball daraus zu machen. Auf richtigen Techno-Partys gibt es nun mal keinen Dresscode. Oder Shiseido. Es gibt im Techno auch grundsätzlich keine 70 Euro Abendkassa—vielleicht wenn Len Faki mit Villalobos ein drei stündiges b2b spielen und dazu schmusen—aber auch da bezweifle ich das. Das Konzept sprach mich also von Anfang an nicht an.

Mit dem Booking wurde leider eine eintönige und sehr fade Techno-Seite von Wien gezeigt. Aber wahrscheinlich cool für Menschen, denen das nichts ausmacht und die auch solche Partys lieber haben, als abgefuckte Wald-Raves. Immerhin würden Technoball-Geher meine Lieblings-Partys auch hassen und in der Luft zerfetzen. Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden—und das ist gut so. Deshalb, bevor ich geschimpft werde: Es ist meine Meinung und auch wenn mir drei Menschen vor Ort bestätigt haben, dass die Party lahm ist—auch dann ist es natürlich nicht als allgemeingültig zu nehmen.

Fredi ist auch auf Twitter: @schla_wienerin

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