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Meine koreanische Freundin hat Wiens Lokale bewertet

Was denken koreanische Touristen über das Nachtleben Wiens? Hängen wir nur in Kaffeehäusern ab?

Das ist Kay. Sie ist 25. Wirklich. Alle Fotos vom Autor

Wien—Kaffeehäuser, Schnitzel und ein Haufen Typen in Mozart-Kostümen, die Touristen auf den Arsch gehen. Jeder, der schon einmal durch den ersten Bezirk gegangen ist, weiß, was gemeint ist. Da ziemlich viele Menschen auf die Idee kommen, sich unsere Stadt anzusehen, meiden die Wiener den Ersten sowieso so gut wie möglich. Wenn aber deine Freundin aus Korea da ist, muss man über seinen Schatten springen. Meine Freundin ist Koreanerin und hat mich nach monatelanger Abstinenz in Wien besucht. Während ich tagsüber in der Redaktion saß, sah sie sich den Großteil glücklicherweise eh ohne mich an. Nach der Arbeit hatte ich die Chance, ihr Wiens Nachtleben näher zu bringen. Das war nicht leicht, weil Büro und Party—ich konsumierte in den letzten zwei Wochen hauptsächlich Energy-Drinks und jede Menge Kaffee, um Mensch zu bleiben. Sie war aber nicht das erste Mal hier: Während einer Europa-Reise machte sie sich auch ein Bild von der Stadt. Das war so, wie man es sich erwartet: Kaffeehäuser, Fiaker und klassische Musik.

Da die Stadt nur so von koreanischen Touristen wimmelt—das tut sie wirklich—bat ich Kay spaßhalber herauszufinden, ob Koreaner auch Clubs und Lokale in Wien besuchen würden. Und wenn ja, welche wären das? Ist Wien für manche überhaupt eine Club-Stadt oder hängen wir wirklich nur in fancy Kaffeehäusern oder urigen Gasthäusern ab? Kay ging durch einige koreanische Reiseblogs und suchte ein paar Lokale heraus, die wir anschließend auch gleich besuchten. Was sie von diesen Tipps hält, erfährt ihr hier:

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Die Ottakringer Brauerei

Offensichtlich glauben Koreaner, dass uns das 16er-Blech in die Wiege gelegt wird. Ich denke sie glauben auch, dass wir es zum Zähneputzen verwenden und als Weihwasser zweckentfremden—den Anschein hat es zumindest: Die gelben Bierdosen sind in fast jedem Blog zu finden. Ein Fanatiker der Extraklasse ließ es sich nicht nehmen, in die Tiefen des 16. Bezirkes zu marschieren, um die Ottakringer Brauerei zu besichtigen. Seinen Fußmarsch beschreibt er als ziemlich kurios—Ottakring sieht laut ihm ein bisschen anders aus als der Rest von Wien. Schlussendlich stand der arme Kerl ernsthaft vor verschlossener Tür—er tröstete sich mit einem frisch Gezapftem im Lokal neben an. So darf diese Geschichte nicht enden—wir führen sein Martyrium fort und gehen zu den aktuellen Braukultur-Wochen. Am Gelände stoßen wir auf einige Essenstände, Heurigen-Bänke und ein Meer voller gelber Sonnenschirme, holen uns gleich mal ein kühles Blondes und machen es uns mit einem Rießenteller Chips auf den Bänken gemütlich.

Fazit von Kay: Also der Platz hier ist wirklich cool. In Seoul würde so etwas richtig gut an ankommen—die Leute dort lieben Orte wie diese. Wir haben auch Brauereien, die vor Ort Bier verkaufen—die sind auch immer gut besucht. Trotz der ganzen älteren Kundschaft mag ich dieses spürbare Hipster-Flair. Die Chips schmecken auch verdammt gut. Mich würde es auch voll interessieren, wie die Konzerte und Partys hier sind. Besonders diese Fest-Stimmung hier ist irgendwie niedlich, es zahlt sich voll aus vorbeizuschauen.

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1516

Das 1516 gilt als „the shit“ im koreanischen Lokaltipp—man findet es wirklich oft. Es liegt in der Nähe vom Schwarzenbergplatz, gegenüber vom Irish Pub Flanagan’s. Das Motto des Lokals ist: „Real beer straight from the heart of Vienna“—wie authentisch das aber rüberkommt ist fraglich, es sieht ja nicht sehr wienerisch aus. Ich denke, dass die meisten Kellner nicht mal Deutsch sprechen. Aber das kann den Touristen ja egal sein. Die Bloggerin, die so viel davon schwärmt hat kurz in Wien gewohnt und den Ort zu ihren Stammlokalen gezählt. Wir bestellen natürlich was uns empfohlen wird : ein Craft Beer, Black and Tan, und einen Radler. Es ist gut besucht—hauptsächlich von Touristen.

Fazit von Kay: Das Bier ist super, besonders der Radler. Craft-Bier gibt es aber auch in ganz Seoul. Um ehrlich zu sein, würdest du dort genau solche Lokale finden. Ich würde sicher auch öfters herkommen, wenn ich hier leben würde, aber ich würde es Touristen nicht sehr ans Herz legen, unbedingt hier her zu kommen. Da hab ich bis jetzt andere Orte erlebt, die für Außenstehende interessanter sein könnten. Prost.

Beim Plaudern sehen wir wie zwei Koreanerinnen ebenfalls ihre zwei Krügerl austrinken. Wir bitten sie kurz zu uns: Eigentlich wollten Sie nach Prag aber sind irgendwie doch in Wien gelandet. Auf das 1516 sind sie ebenfalls in koreanischen Reiseblogs aufmerksam geworden. Sie finden es toll hier, mögen das Essen und vor allem das Bier. Sie haben auch gar nicht vor nachts auszugehen und geschweige denn, in irgendeinen Club zu gehen. Als wir rausgehen, sehen wir noch mehr Koreaner im Gastgarten sitzen.

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Das merkwürdigste Konzert meines Lebens im Rhiz

Ich weiß nicht, wie ich diese Geschichte glaubhaft erzählen soll: Nach dem Schnitzelessen in Klosterneuburg erzählt mir Kay völlig überrascht, dass in Wien ein wahnsinniger Koreaner performen würde. Der sogar mit ihr auf Facebook befreundet ist und gerade angekündigt hat, dass er mit seinem Projekt Yamagate Tweakster um 23 Uhr im Rhiz auftreten würde. Der Typ ist in der Underground-Szene nicht unbekannt und tritt regelmäßig in Korea auf. Beim Eintrittspreis von sechs Euro überlegt man auch nicht lange. Wir kommen beim Rhiz an und sehen ihn gleich: Er sitzt ganz alleine in der Ecke, völlig regungslos und ruht seinen Kopf auf dem Tisch. Zuerst wissen wir nicht, ob wir ihn aufwecken sollen, aber wir reißen ihn schließlich mit einem vorsichtigen „Anyong“ (koreanisch für „Hallo“) aus dem Tiefschlaf. Er versteht anfangs nicht was gerade passiert und wundert sich, warum man mit ihm koreanisch spricht. Irgendwann kommt er zu sich und bedankt sich für den Besuch.

Wie kann er in seinem Zustand noch performen? Er sieht nämlich so fertig aus, dass er mir leid tut. Kurz bevor er auf die Bühne springt, zieht er sich eine bunte 80er-Jogging-Jacke an und setzt die pinke Sonnenbrille auf. Es geht los. K-Pop Beats mit reichlich viel Noise und Achtziger-Synthies füllen den Raum. Er beginnt mit cheesy Dancemoves, wie ich sie nur aus den zahlreichen Do’s and Dont’s-Listen aus der Tanzkultur wiedererkenne. Diese Moves begleitet er mit einem stattlichen Karaoke-Gesang. Ich habe im Laufe meines Konzertlebens schon einiges erlebt, doch das übertrifft alles: Er geht voll ab und fordert die 15 Gäste koreanisch auf mitzutanzen. Das tun sie–seine Beats sind nämlich total catchy und er ist und bleibt eine Augenweide. Immer wieder wechselt er sein Outfit: Ein pinker Bademantel mit Polizeikappe, ein alter Anzug mit Baseball-Cap—für Abwechslung ist gesorgt. Je länger das Konzert läuft, desto cheesiger werden die Moves und desto wahnsinniger wird er. Er springt herum, luftfickt die PA, luftblowt das Publikum und luftkickt sich raus auf die Straße. Dann singt er ernsthaft draußen weiter. Irgendwann folgt ein Striptease. Ich würde mir gerne das restliche Konzert ansehen, aber die letzte U-Bahn zu erwischen ist mir schlussendlich doch wichtiger. Hands down—es hat echt Spaß gemacht und ich hab wieder etwas dazu gelernt. Die besten Konzerte sind die, bei denen man in pinken Bademänteln performt.

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Fazit von Kay: Das Rhiz ist zwar etwas klein aber ich finde es toll. Ich mag vor allem die Gegend hier. Man ist nicht so weit von der Stadt entfernt und hat trotzdem das Gefühl, dass man sich nicht unbedingt im Zentrum befindet. Hier scheinen einige Lokale zu sein, die mir gefallen könnten. Hier herrscht auch die perfekte Atmosphäre für Underground-Konzerte. Irgendwie kann ich mich mit der Mentalität, die dieses Lokal ausstrahlt, total anfreunden: es wirkt alternativ und jung. In Seoul gehe ich selbst immer nur in Clubs fort, die so ein Bild ausstrahlen. Es würde mich interessieren, wie typische Samstagabende ablaufen.

Glacis Beisl

Die letzte Station unseres Reiseblogs bringt uns in Glacis Beisl. Es befindet sich gleich neben dem Museumsquartier und fühlt sich wie eine kleine Oase mitten in der Stadt an. Deswegen ist es der Lieblingsort einer koreanischen Bloggerin, die ebenfalls in Wien wohnt. Wenn sie von einer längeren Reise zurückkommt, hüpft sie zuerst ins Beisl, bevor sie nach Hause fährt und bestellt sich ihren unverzichtbaren Tafelspitz, den sie dann mit reichlich Bier runterspült. So soll es sein, sie ist österreichischer als ich es bin. Ihre Liebe teilt sie schriftlich mit. Ich bin froh, dass wir dorthin gehen, schließlich finde ich das Lokal auch recht gemütlich. Kay trinkt ein Zwickl, ich bleib beim Lager.

Fazit von Kay: Das Lokal ist wirklich beeindruckend. Die hängenden Weintrauben, die Dekoration und diese spürbare Gemütlichkeit macht das Konzept wirklich besonders. Bis jetzt ist hier auch am meisten los. Es ist so eine gelungene Mischung aus traditionell, modern und alt. Man fühlt sich hier einfach wohl. Das Bier find ich bis jetzt auch am besten. Ich hab das Gefühl, dass ich hier ewig lang sitzen könnte.

Die Tipps in den koreanischen Reiseblogs konzentrieren hauptsächlich auf Schnitzel, Süßigkeiten, Kaffeehäuser und Bier. Wenn man in den Foren nach „Clubs“ sucht, stößt man auf Golf-oder Fußball-Clubs. Das Thema Ausgeh- und Clubkultur spielt in dem typischen zweitätigen Tagesplan der kulturvernarrten Koreaner einfach keine Rolle. Zum Partymachen reisen sie lieber nach Ibiza oder Berlin. Ein Tag Schönbrunn-Luft schnüffeln, Kärtnerstraße-Windowshoppen und Kaffee-trinken, steht für sie hier eher am Plan. Um ehrlich zu sein tut das ein bisschen weh. Für einige Koreaner sind wir einfach nur eine Art Mini-Deutschland, das sich lediglich mit diesen fancy Altbauten abhebt. Ich verstehe das: Sind wir von außen nicht auch ein lautes Biervolk, das Würschtln isst und sich auf Kirtagen in Trachten wirft? Das Altwiener Fluidum hat doch auch mit vielen Künstlern und Musikern seinen Fetisch zur Absurdität bestätigt. Der skurrile Antipol ist in vielen Plätzen Wiens zu finden: Ich zeigte Kay den Donaukanal, wir gingen auf Konzerte der Arena Wien und waren nachts in den Lokalen der Gürtelbögen zu finden. Warum soll das alternative Bild Touristen erspart bleiben? Es ist Zeit für einen Image-Wechsel: Vor allem der Sommer macht Wien mit einem Event nach dem anderen zu einer beachtlichen Ausgeh-Stadt. Kay sieht das nach diesem Trip auch so.

Kay ist auf Instagram. Falls ihr wissen wollt, was sie in Wien getrieben hat.

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