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Ich habe eine Woche lang permanent FM4 gehört

Es ist ein bisschen so, als würde man den alten Schulfreund wieder treffen, der früher der supercoole Kerl mit dem besten Musikgeschmack der Klasse war und einem das neueste Zeug vorgespielt hat.

FM4 ist zu einem gar nicht so kleinen Teil dafür verantwortlich, dass ich so etwas ähnliches wie einen brauchbaren Musikgeschmack entwickelt habe. Es gab Zeiten, da konnten mich nur gute Songs in der Morning Show oder der FM4 Ombudsmann überhaupt noch dazu motivieren, den Schulweg anzutreten. Aber so wie bei euch allen auch, hat das Internet irgendwann totalen Besitz von mir ergriffen, und mittlerweile höre auch ich viel zu selten Radio. Meine letzte große FM4-Blütezeit liegt mittlerweile auch schon vier Jahre zurück: Im Zivildienst musste ich in alten Krankenwagen herumfahren, die meistens noch nicht mal mit CD-Playern ausgestattet waren, und so bestand mein Tagesprogramm neun Monate lang aus „you’re at home baby“, und das acht Stunden täglich.

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Nachdem meine Radio-Jugendliebe gerade dabei ist 20 Jahre alt zu werden, und das große Geburtstagsfest vor der Tür steht, habe ich beschlossen, die alten Zeiten noch einmal aufleben zu lassen und eine Woche lang bei jeder Gelegenheit FM4 zu hören. Nicht ganz so halsbrecherisch, wie einen Tag lang Audiodrogen zu konsumieren, will man meinen. Aber hey, ich habe in diesen sieben Tagen extrem viel über das musikalische Programm unseres Lieblingsenders/Konkurrenten gelernt. Hier die wichtigsten Notizen aus einer Woche FM4 Binge-Listening:

Wir leben in einer extrem radiofeindlichen Welt

Hast du schon mal probiert, deine Freunde Abends vorm Fortgehen davon zu überzeugen, mit dir FM4 zu hören? Vielleicht hab ich in meinem Umfeld auch einfach einen riesen Haufen Banausen, aber irgendwie hatte keiner so richtig Bock darauf. Ich glaube, mittlerweile widerstrebt es den Menschen ganz einfach, nicht in jedem Moment genau das hören zu können, was sie gerade hören wollen. Auch mir. In den ersten Tagen ist es mir richtig schwer gefallen, mich damit abzufinden, dass ich nicht einfach meine liebste Soundcloud-Playlist laufen lassen konnte, wenn ich gerade Lust dazu hatte. Ist wohl eine Krankheit des Fortschrittes.

Tatsächlich ist die Welt ein ziemlich radiofeindlicher Ort geworden, wird mir in dieser Woche ziemlich oft bewusst. In sieben Tagen ist es mir nicht einmal passiert, dass irgendwo zufällig schon FM4 gelaufen wäre. Einen richtigen, klassischen Radio besitze ich gar nicht. Aber hey, dafür gibt es ja den Stream und eine App. Nachteil: Nach einem Tag FM4 am Handy streamen waren 50% meines Datenvolumens weg. Was ich eigentlich damit sagen will: Irgendwie hab ich mir das mit dem permanenten Radiohören bei weitem leichter vorgestellt.

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Es gibt immer noch mehr musikalische „Yay!“-Momente als „Meh“-Momente

Woher ich das weiß? Ich habe den klassischen, analogen Stricherllisten-Test gemacht. Immer wenn mir in dieser FM4 Woche ein musikalischer Moment ganz extrem positiv oder negativ aufgefallen ist, habe ich ihn als Stricherl auf meinem grünen Post-it verewigt. Mein Fazit: Die extrem guten Ausreißer überwiegen nach wie vor (24), auch wenns gar nicht so wenige Momente (12) gab, in denen ich das Radiogerät tatsächlich am liebsten abgedreht und/oder zerstört hätte. Die eigentliche Lektion, die ich in dieser Woche wieder neu gelernt habe: Einen guten Song im Radio zu hören, fühlt sich ganz klar um einiges cooler an, als ihn auf Youtube oder Spotify zu streamen. Genau so wie es früher immer ein Highlight war, wenn MTV dein Libelingsmusikvideo gespielt hat. Dieses „Yay, irgendjemand in der FM4-Redaktion findet diesen Song wohl genau so gut wie ich“ -Gefühl ist nach wie vor Gold wert – ein guter „Yay“ Moment wiegt auf jeden Fall drei „Meh“ Momente auf. Deswegen füge ich nun auch einfach ein paar wirklich coole Yay-Momente in den Artikel ein, und verzichte darauf, bei den Meh-Momenten ins Detail zu gehen.

Das hier war definitiv ein Yay-Moment

Ich hätte eine eigene „Indie-so lala“ Stricherlliste machen sollen

Da bin ich leider zu spät draufgekommen. Aber hätte ich eine eigene Liste für „Indie-Songs, die zwar eh ganz gut sind, einen jetzt aber nicht so wirklich vom Hocker reißen“ geführt, hätte ein einziges Post-it ganz sicher nicht gereicht. Das ist für mich ehrlich gesagt das größte Manko an dieser Radiowoche gewesen (soll aber nicht heißen, dass es keine fabelhaften Indie-Momente geben hat). Klar, FM4 ist ja musikalisch gesehen eh immer ein bisschen sowas wie die Indie Rock-Polizei gewesen, und als Jugendlicher habe ich sie dafür verehrt. Aber es ist ein bisschen so, als würde man den alten Schulfreund wieder treffen, der früher immer der supercoole Kerl mit dem besten Musikgeschmack in der Klasse war und einem das neueste Zeug vorgespielt hat, und man merkt plötzlich, dass er seitdem irgendwie genau gleich geblieben ist und immer noch das selbe Zeug hört – nur dass es eben nicht mehr ganz so cool ist wie damals.

Ich liebe (nicht nur) Tribe Vibes nach wie vor

Ja, auch in der Hip Hop Flaggschiff-Sendung gibts (besonders in dieser Woche) nach wie vor bei weitem mehr 90er-beeinflusstes Boom Bap-Zeug zu hören, als in der Rap-Realität von 2015. Meiner Meinung nach bekommen es Trishes und Phekt aber immer noch sehr oft hin, den Bogen zwischen Alt und Neu gut zu spannen, und bei aller Liebe zu dem klassischen Zeug nicht den Blick dafür zu verlieren, was in der Welt eigentlich sonst noch so passiert. Ich schätze das ist so, weil das was sie das was sie machen, nach wie vor mit wirklich viel Herzblut machen. Wenn ihr ungefähr wissen wollt wie viel Herzblut, dann schaut euch am besten mal diese Fanpage an, die Trishes vor knapp zwanzig Jahren für den Sender gebastelt hat. Letzte Aktualisierung im März 1996. Herrlichst.

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Ein dicker, fetter Yay-Moment aus Davidecks

Aber ganz ehrlich, ich finde eigentlich wirklich viele Fm4-Sendungen nach wie vor gut. Oft gar nicht so, weil sie meinen eigenen Geschmack treffen, sondern vor allem wegen der Liebe, die da reingesteckt wird. Bei Davidecks ist zum Beispiel so (und es entpricht meinem Geschmack, Jackpot!). Und obwohl ich viel zu wenig Ahnung von dem habe, was in der härteren Rock-Nischen so vor sich geht, liebe ich das House of Pain. Auch dafür ist Radio doch noch zu etwas gut: Sich mit Zeug auseinandersetzen, dem man im Internet einfach aus dem Weg gehen würde.

Sonntag bleibt King-Tag

In irgendeinem Paralleluniversum genieße ich sonntags gut ausgeschlafenen um Punkt zehn Uhr morgens bei strahlendem Sonnenschein ein liebvoll vorbereitetes, mehrgängiges Frühstück inklusive frischgepresstem Orangensaft, und aus einem alten analogen Radio am Fensterbbankerl erklingt mit den funky-soulful-wohluhenden Tunes von „Sunny Side Up“ die perfekte musikalische Untermalung. In der Realität liege ich aber mit einem Kater im Bett, nachdem ich es mit Mühe geschafft hab, ein Glas Wasser gegen den Brand zu holen. Der Sunny Side Up-Stream auf meinem Macbook schafft es aber sogar, einem solche Momente zu verschönern.

Sonntag ist, wenn ihr mich fragt, nicht nur wegen Sunny Side Up, nach wie vor der beste Tag auf FM4. Denn zum Abschluss der FM4-Woche läuft endlich auch meine Lieblingssendung: die Worldwide Show. Ja ich weiß, fast ein bisschen lame dass ich ausgerechnet eine Show zu meiner Lieblingsendung erkoren habe, die gar nicht von FM4 selbst sondern von der BBC produziert wird. Aber Gillles Peterson schafft es halt einfach immer noch ein paar Tunes zu finden, die 1. garantiert noch nicht kenne und mich 2. mit Verlass von den Socken hauen. Ganz besonders viele Yay-Momente inkludiert.

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Ein gediegenes Sonntags-Yay!

Und obwohl ich nie zu den wirklich hingebungsvollen „Im Sumpf“-Fans gehört habe (darf man das überhaupt laut sagen ohne mit Hass rechnen zu müssen?) bin ich dann doch immer wieder davon geflasht, wie unglaublich gut diese Sendung zusammengetragen ist. Sonntag ist und bleibt für mich bei FM4 King.

Letztendlich kann ich auf jeden Fall festhalten, dass es mehr Spaß macht eine Woche lang FM4 zu hören, als einen Tag lang permanent Audiodrogen auszuprobieren. Auch wenn ich gerade weniger Lust auf mittelgute Indie-Songs habe denn je. FM4, ich hab dich auch heute noch vorrangig lieb. Yay!

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