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Warum mir die Trennung von The Knife egal ist

...und das obwohl ich The Knife liebe.

Foto: VICE

Mittlerweile ist es knapp zwei Wochen her, seitdem The Knife ihre Trennung bekannt gegeben haben. Eines gleich vorweg: Ich war jahrelang ein totales Fangirl. Und als solches braucht man mindestens 14 Tage um sich vom Schock solch einer Nachricht zu erholen. Das ist wie mit der Liebe. Selbst wenn man den Dude nicht mehr geliebt hat, braucht man dennoch oft die halbe Beziehungszeit um sich vom Zeitverschwendungs-Schock zu erholen. Ist so. Zumindest meistens. Nennen wir dieses Problem einmal „Die Halbwertszeit des Fantums". Zur Erklärung: ich habe The Knife nicht geliebt, ich habe sie gelebt, mit ihnen gefickt, zu Karins Stimme masturbiert, mich mit ihnen betrunken, mit ihnen Sport gemacht (einmal) und mit ihnen die Schulzeit durchgestanden. The Knife war mein Himmelschor und sie werden mit „Bird" auch mein Begräbnislied trällern (das lässt sich leider nicht mehr ändern).

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Nachdem ich mir das schwedische Geschwister-Duo irrtümlich bei Kazaa (Ja, ich bin in dem Alter, in dem man anfängt sich mit Faltencremes auseinanderzusetzen) heruntergeladen habe, gab es keine Band, die meinen Wahnsinn besser zusammenfassen hätte können. In jedem Zimmer der Wohnung war eine andere Platte der Band abspielbereit im CD-Player—sortiert versteht sich. In der Küche Deep Cuts, im Badezimmer Silent Shout, Hanna med H im Wohnzimmer und in meinem Zimmer, der Quelle der Fan-Eskapade, The Knife. Sie einmal live zu sehen war alles was ich jemals wollte. Mit viel talentfreier Organisation habe ich es bravourös geschafft, die Silent Shout-Tour zu verpassen. Generell ist dann sieben Jahre lang—ausgenommen der Evolutions-Oper Tomorrow, In A Year—nicht viel um The Knife passiert (von Fever Ray wollen wir gar nicht erst anfangen, denn das Soloprojekt von Karin Dreijer Andersson hat meine Hoffnungen auf einen ebenbürtigen Nachfolger auf Silent Shout zuerst in rauschartige Erwartungen gehoben und daraufhin mit Shaking The Habitual cold turkey-mäßig zerstört). Wo wir auch schon fast da wären, wo der Käse zu stinken anfängt (keine Ahnung ob man das so sagt, aber es klingt gut).

Das nervenraubenste Problem des „wirklichen" Fans ist eigentlich, alles gut finden zu müssen. Vor allem nach sieben Jahren Wartezeit. Die erste Single ist für Leute, die die Musik einfach „nur" gerne haben, die Entscheidung über Leben oder Tod der Band. Wenn sie scheiße ist, hört man sich den Mist eben nicht mehr an. Nicht so bei Fans. Den armen Seelen, zu deren traurigen Dasein ich mich dazuzählen muss, bleibt keine andere Wahl als jedem mit einem meterbreiten Grinsen und mondhell leuchtenden Augen die frohe Botschaft eines virtuosen Meisterwerks zu verkünden. Selbst dann, wenn man tief, vergraben unter jeglichem Realitätsbezug, weiß, dass es nicht der Nabel der Welt ist. Versteht mich nicht falsch: Shaking The Habitual ist ein wunderbares Konzeptalbum, Songs wie „A Cherry on Top" oder „Raging Lung" haben sich beispiellos durch meinen Körper vibriert und mich ein gutes halbes Jahr lang nichts anderes hören lassen—auch nach ihrem „Konzert" in Bremen nicht. Diejenigen unter euch die sich eine der Shows angesehen haben, sich Kommentare zu neuen Tourdaten-Verkündungen durchgelesen haben oder sich auch abseits der Lautsprecher mit Musik beschäftigen, werden wissen warum ich hier Anführungszeichen à la Dr. Evil verwende.

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Alle die nicht Zeugen dieses, ähm, Spektakels wurden, dürfen sich folgende Sätze zu einem lebhaften Bild ausmalen. Als Warm Up schrie ein Animator verwirrende, animierende (??) Floskeln in die Menge und ich bin mir sicher, dass ich nicht die einzige war, die im Erdboden versinken wollte. Im Endeffekt war die Show eine misanthropische Mini-Playback Show mit ausgeprägten Musical-Avancen und einer fetten Portion Trannys (Yeah!). Ich habe oft gehört, dass es die beste Show war, zu der die Leute lieber nicht gegangen wären. Nun haben The Knife am 21. August mit ihren letzten Tourdaten auch ihr darauffolgendes Ende in einem Interview mit Dazed bekanntgegeben. O-Ton: „…When we finish the tour now in November we will close down, it´s our last tour. We don´t have any obligations to continue, it should only and always be fun." Hm, irgendwie liegt die Vermutung nahe, dass ihnen zu viel Fun doch eher den Luft aus den Segeln genommen hat.

Für The Knife ist es ein Zeitpunkt, wie er passender kaum sein könnte um das Kapitel des Projekts zu beenden. Diese Entscheidung macht sehr viel Sinn. Sich nach einem Album wie Silent Shout noch selbst übertreffen zu können führt zu einem Zirkus, wie die Shaking The Habitual-Tour nicht besser darstellen konnte. Das amateurhafte Getanze und das unruhige Bühnenbild spiegelten den Zustand der Band ungefiltert wider. Immerhin können die Fans auf eine kunstvolle, facettenreiche und verfickt gute Diskografie zurückblicken und sich einem ewigen Rondo gelungener Tracks hingeben. Diese Band war (ja, OK und ist) ein nicht wegzudenkender Bestandteil meines Lebens und ich bin froh, dass sich dazu entschlossen haben ihr Gesicht nur halb zu verlieren und sich nun mit einseitig gelähmter Visage einer The Knife-freien Zukunft widmen.

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