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Kutti MC über Entwicklungshilfe und alternative Spiesser

Aber auch über so Relevantes wie Facebook-Statusnachrichten und Lieblings-Homestorys.

Das Festival „Unite" fördert dieses Jahr unter dem Claim „Mobilize Girls" Mädchen und ihre Mobilität. Beim Festival am 11. Oktober, dem World Girl's Day, sammelt eine Palette nationaler Acts im Volkshaus Zürich Geld dafür, dass Schulmädchen (und Schuljungen) in Angola, Südafrika und Simbabwe ein eigenes Fahrrad bekommen.

Zu oft hindern dort lange Fussmärsche Kinder an einem regelmässigen Schulbesuch. Die Fahrräder erleichtern den Schülern den Zugang zur Bildung, die ein Schlüsselfaktor im Kampf gegen Krankheit und Armut ist. So will die Kampagne physische Mobilität in soziale Mobilität umwandeln.

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Ich habe mit Kutti MC, einem der Soli-Fahrradkünstler, über Entwicklungshilfe, Feminismus und alternative Spiesser geplaudert:

NOISEY: Der Titel der Kampagne lautet „Ein Fahrrad verändert alles". Ist Entwicklungshilfe wirklich so einfach?
Kutti Mc: Einfach ist sie sicher nicht. Entwicklungshilfe entstand und entsteht aus dem Schuldbewusstsein gegenüber Ländern, die der Westen ausgebeutet hat oder noch immer ausbeutet. Entwicklungshelfer laufen oft in Gefahr, selbst als kolonialistische oder neokolonialistische Lehrmeister wahrgenommen zu werden, die einem Land ein vordefiniertes Konzept überstülpen wollen. So kann das nicht funktionieren. Eine Kultur lässt sich nur auf einen Dialog ein, wenn sie sich ernst genommen fühlt.

Die Schwierigkeit dabei ist, eigene Ideale wie Gleichberechtigung zu vertreten, ohne den Eindruck zu erwecken, die Weisheit für sich gepachtet zu haben. Kapitulation ist jedoch keine Möglichkeit, deshalb finde ich die Idee mit den Velos gut, da sie eine konkrete Lösung für ein spezifisches Problem bietet. Hilfe zur Selbsthilfe ist sicherlich wirksamer als selbstgerechte Moralpredigten zu halten und einfach Geld auszuschütten, das dann oft in den falschen Taschen landet.

Die Kampagne unterstützt vor allem Mädchen, da diese in Entwicklungsländern oft noch schlechtere Bildungschancen haben als die Jungs. Wie steht es um den Feminismus auf dieser Welt?
Die Probleme, die der Feminismus anspricht, sind nach wie vor akut, auch in unserer sogenannten aufgeklärten Gesellschaft. Leider habe ich oft den Eindruck, dass junge Frauen gar kein Bewusstsein mehr dafür haben, was die Generation unserer Mütter für den Feminismus—zum Beispiel in puncto Frauenstimmrecht—geleistet hat und zum Beispiel an Partys vermehrt wieder die Rolle eines männlichen Anhängsels einnehmen.

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Deswegen fand ich auch Emma Watsons Rede vor der UNO letzte Woche wichtig, da sie eine neue Generation von Frauen vertritt und somit eine weniger verstaubte Perspektive auf die aktuellen Probleme gewähren kann, als eine selbstgefällige Alice Schwarzer, die sich für eine neue Generation nicht mehr als Identifikationsfigur anbietet.

Quelle: Youtube

Watson sprach ja auch die Diskriminierung von Männern an, da Feminismus gemäss Definition die Gleichberechtigung der Geschlechter, also auch der Männer, bezweckt. Fühlst du dich als Mann in unserer Gesellschaft manchmal diskriminiert?
Ich persönlich bin zwar kaum davon betroffen, aber wo Männer wohl allgemein am stärksten diskriminiert werden, ist bei der Sorgerechtsfrage. Es kommt immer noch vor, dass Väter, die ein Leben lang für ihre Kinder gesorgt haben, das Sorgerecht von einem Tag auf den andern verlieren. Es läge hier aber vielleicht auch an den Vätern, sich stärker und besser organisiert für ihre Gleichberechtigung einzusetzen, als sie es momentan tun.

Du persönlich setzt dich ja vor allem für dein Recht auf künstlerische Freiheit ein, indem du dich bereits bei deinem Debüt 2005 „Jugend & Kultur" von den gängigen Hip-Hop-Konventionen losgelöst hast. In einem kürzlich erschienenen Facebook-Post blickst du zurück: „Seither gehe ich trotzig, ein wenig einsam (do you remember Fritzli?) und ohne Homestories meinen Weg." Was wolltest du uns damit mitteilen, Kutti?
Dafür müsste man halt meine Lieder kennen! „Fritzli" schrieb ich für mein verstorbenes Meerschweinchen. Einsam schrieb ich aber auch deshalb, da ich keiner Musikszene zuzuordnen bin und halt einfach mein eigenes Ding mache.

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Apropos Homestory: Wir sind ja hier in deiner Heimatstadt Bern. Das wäre jetzt eigentlich deine Gelegenheit, dich barfuss auf das Sofa zu setzen …
Ich hatte auch schon solche Angebote. Aber meine Füsse in der Schweizer Illustrierten der Nation zu präsentieren, ist für mich eine absurde Vorstellung. So was würde ich niemals machen. Obwohl ich natürlich makellose Füsse habe. (lacht)

Hast du denn eine Lieblings-Homestory?
Ich habe leider nicht alle präsent. Legendär war auf jeden Fall die von Bernhard Russi, in der er so absolut natürlich an einem Balken rumhangelte. Wie ein Affe.

Letzten Samstag wurden am „Swiss Hip Hop Jam" die Swiss Hip Hop Awards verliehen. Deine Musik wurde—wahrscheinlich wegen ihrer unkonventionellen Natur—nicht nominiert. Ich möchte das an dieser Stelle nachholen und dir den Award „Best Hip-Hop Line" für die Zeile „Du bisch so asträngend unkompliziert wienen illegali Party" verleihen.
Die Zeile ist aus dem Lied „Alternative Motherfuckers" und es handelt von der Selbstgefälligkeit von Szene-Typen, die vorgeben zu wissen, was der richtige Geschmack sei. Indem sie so sehr versuchen, das Richtige zu machen, zeigen sie jedoch nur wie unfrei und verkrampft sie eigentlich sind.

Sie tun zwar so als gäben sie keinen Fuck und wären völlig alternativ, aber im Grunde sind sie viel unfreier als jemand, der am Sonntagmorgen seinen Rasen mäht. Kurz: Es handelt von alternativen Spiessern.