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Ein Abend in Wiener Gemeindebau-Beisln

Zwischen „Die Weiba sand olle so schwierig“ und „Brauchst ned du zu mir sagn, i bin da Peter“.

Jeder vierte Wiener lebt in einer der über 1.800 Gemeindebauten—das sind rund 500.000 Menschen. In vielen Gemeindebau-Höfen springen die Kinder direkt aus dem Bett in die hofeigenen Kindergärten, die älteren Heranwachsenden tschicken vorm Jugendheim, im besten Fall browsen die Bewohner hin und wieder durch die höfische Bibliothek, besuchen je nach Gebrechen diverse Arztpraxen, holen sich ihr Dulcolax aus der Apotheke, nehmen ihre eingeschriebenen Briefe beim Nachbar-Postamt entgegen und erleben ihren Alltag auch sonst großteils in den eigenen hundert Wänden ihres Gemeindebaus.

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Die Geschichte des Gemeindebaus geht in die Zwischenkriegszeit zurück, in der es zu wenig Wohnungen für zu viele Menschen gab. Die Bauten charakterisiert, dass sie um einen Innenhof gruppiert sind und ein ganz eigener Charme. Der größte—und wahrscheinlich bekannteste—Gemeindebau ist der Karl-Marx-Hof im 19. Wiener Gemeindebezirk. Im roten Wien wurden damals aufgrund eines akuten Wohnungsmangels under der SDAP 63.000 Anlagen gebaut und man hat damit tatsächlich eine Lösung für das Wohnproblem vieler Menschen gefunden.

Der „Bau“, wie er von seinen Bewohnern auch genannt wird, ist Infrastruktur und Mythos zugleich. Man erkennt die Bauten von hundert Metern und obwohl sie nicht alle gleich aussehen, zieht sich ein Erkennungsmerkmal durch die Wohnbauanlagen.

Die Eltern einer sehr guten Freundin von mir leben auch im Gemeindebau und so war ich vor einigen Jahren irgendwann, als ich noch nicht in Wien wohnte, das erste Mal in so einer Wohnung. Und klischeevoller hätte diese erste Begegnung nicht sein können: Im Hof haben Kinder gebrüllt und von unten ihre Mütter um Hilfe gerufen, wenn sie jemand an den Haaren gerissen hat, der Hausbesorger hat im Müllraum geschimpft und in die Wand des Liftes waren Liebesschwüre á la „Rene+Schatzi“ geritzt. In der Wohnung oberhalb der meiner Freundin war eine Frau, die ständig herumgeschrien hat und wegen der immer wieder mal die Polizei gekommen ist—recht klassisch also.

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Wie jede mehr oder weniger gleichgesinnte Clique, haben auch die Gemeindebautler ihre eigenen Szene-Lokale, die sie als gut genug empfinden, um aus ihren Wohnungen zu kommen und bei einem Bier um € 2,40 und einem Achterl Rot um € 1,20 die Themen Politik, Geld, Ausländer und „früher-war-alles-leiwander“-Mantras ausführlich und immer wieder aufs Neue zu beleuchten.

Da ich nichts lieber mache, als schäbige Lokale zu entdecken, aber meistens in der Mac-Version eines Beisls lande, habe ich meine Schwester am Mariahilfergürtel getroffen, um mit ihr die Welt der Gemeindebau-Beisl zu erkunden. Der ursprünglichen Idee „Ein Bier in jedem Gemeindebaubeisl“ wurde ich übrigens nicht gerecht. Sechs Jahre lang in Beisl abzuhängen ist schließlich erst in der Pension spruchreif.

Die richtigen Orte für dieses Wiener Experiment zu finden, hat mich im Vorhinein ein bisschen zum Verzweifeln gebracht, denn woher soll ich wissen, welches Beisl das Richtige ist? Also haben wir gemacht, was man in so einem Fall am besten macht: Wir sind einfach losgezogen und wurden nicht enttäuscht. Was wir gefunden haben, waren Lokale, die nicht mehr unseren Erwartungen hätten entsprechen können. Vor allem wegen dem Publikum. Unser erster Stop war das Café Industrie, was eh schon gern als „Hipster-Beisl“ bezeichnet wird. Was in dem Lokal einem Hipster aber am nächsten kommt, waren wir.

Als wir aus der 6er ausgestiegen sind, war das Traditionscafé schon das erste, was wir gesehen haben. Das gelbe Neonschild verspricht schon mal Rauchschwaden und den einen Pensionisten, der vor seinem Achterl Rot sitzt. Drinnen wurden wir nicht enttäuscht. Das Industrie ist ein Ort, in den ich mich als Kaschemmen-Liebhaberin sofort verliebt habe. Die blasstürkisen Sessel sehen aus, als hätte man sie in den 50ern einem Altersheim oder der Bahnhofsreste abgekauft. An der Bar stehen Thonet-Hocker und auf einem von ihnen sitzt ein älterer Herr, der das klassische Beisl-Menü vor sich stehen hat: ein kleines Bier und einen kleinen Schwarzen. Der am Nebentisch sitzende Pensionist mit dem Viertel Rot wird auch im Gesicht immer röter und schaut gegen die Wand, an der schwarz-weiß Fotos hängen. Irgendwann kommt Ruth, die Chefin zu uns und erzählt, dass sie das Café nach dem Tod ihrer Mutter übernommen hat. Seitdem sie das Industrie betreibt, gibt es regelmäßig kulturelle Veranstaltungen.

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Links an der Wand steht ein Tisch, vor dem drei Mikrofonständer stehen. „Für die Lesung heute“ sagt Ruth. Als ich sie frage, ob nicht die Stefanie Sargnagel auch öfters hier liest, meint sie „Wer? Sagt mir jetzt nix.“ „Die mit der roten Mütze“, versuch ich ihr auf die Sprünge zu helfen. Achja, ja, die, ja. Natürlich.

Auf die Frage, was das Café für sie so besonders macht, meint sie, es sei der Charme. „Hier steht von jedem Jahrzehnt ein bisschen was. Auch das Publikum ist durchgemischt: Vom Arbeiter bis zum Doktor ist jeder hier. Wie es sich halt in einem Kaffeehaus gehört. Und es fühlen sich alle wohl. Das ist auch, was ich erreichen möchte. Meine erste Prämisse ist, dass sich eine Frau alleine hereintraut.“ Nach dem Satz steht die Chefin auf und entschuldigt sich—um die Gäste muss man sich ja kümmern.

Eine Frau, Suphie mit u, setzt sich zu uns und bestellt sich ein Wieselburger. Suphie erzählt, dass sie früher öfter hier war als heute, weil sie damals noch nicht vollzeit gearbeitet hat. Sie wohnt gleich da, hat sich hier öfters ein Bier geholt, eine Zigarette geraucht und ist dann Heim gegangen. Ihre Wohnung hatte sie damals neu übernommen und musste sie renovieren. Weit und breit war nichts, wo sie hingehen konnte, wenn die Arbeiter in ihrer Wohnung gearbeitet haben—bis auf das Café Industrie. Anfangs ist sie immer schüchtern in der Ecke gesessen. Irgendwann kam die ehemalige Chefin Elfie und fragte sie, warum sie da denn so allein sitzt und hat sie zu sich an die Bar zitiert. Daraus ist eine Freundschaft entstanden, die dann leider durch den überraschenden Tod von Elfie beendet wurde.

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Der Herr mit dem Beisl-Menü dreht sich zu uns und erzählt, dass sich seit dem Tod der ehemaligen Chefin viel verändert hat. Im Café selbst sind jetzt immer wieder Konzerte: Blues, Rock´n´Roll, erzählt Ernst und sagt meiner Schwester und mir, dass wir nur herkommen sollten, wenn schöne Männer Konzerte spielen. Weil, was sollen so junge Mädels wie wir denn mit unansehnlichen Greisen? Und ohne Motivation geht ja gar nichts, findet auch Suphie.

„Im Café Industrie trifft man seine Nachbarn, man kennt sich und man hat ein Zuhause, wenn man nicht weiß, wo man hin soll. Früher hat hier bis spät in die Nacht noch Licht gebrannt, jetzt ist es um zwei finster. Vieles hat sich verändert und vieles hat sich auch verbessert“, erzählt Suphie. „Man muss mit der Zeit gehen“, sagt sie lächelnd während sie aus dem Fenster schaut.

Das hundert Jahre alte Wandgemälde im Café ist trotz vieler Renovierungen nie übermalt worden und die Sesselbezüge werden vielleicht einmal im Jahr gewechselt. Suphie fragt sich, wie das geht, schließlich muss sie sie sich alle paar Jahre eine neue Couch kaufen, weil die alte dann schon ein Zustand ist.

Von der Arbeitergasse im Fünften zieht uns die U6 ins tiefste Meidling, wo sich der Freund meiner Schwester zu uns gesellt. Er hat hier mal gewohnt und versprach uns Gemeindebau-an-Gemeindebau und viele Wiener Rumsn. Ein paar Schritte von der U-Bahn Station entfernt lockt uns auch schon das erste Lokal Zur Wienerin. Hier rauchst du bei jedem Atemzug ein Packerl passiv, trinkst Malibu Orange um € 2,50 und bekommst Augenkrebs, weil sich das Giftgrün der Wände durch die Rauchschwaden in deine Netzhaut brennt.

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Als ich drei Herren vom Nebentisch frage, ob das ein Beisl ist, in das man öfters geht, sagt der eine ganz entschieden Nein. „Warum gehst dann her?“, fragt ihn sein Freund, der ihm gegenübersitzt. Es ist halt einfach da, aber es ist nichts los. Er wohnt schon immer in Meidling, erzählt er, und gibt uns den Tipp in eine „Diskothek“ namens U4 zu gehen. In ihre Stammhütte gehen die drei Wiener nicht mehr, ein richtiges Beisl, aber da sind die Chefs und die Gäste inzwischen „Ois Gestörte, heast. Da wirst bedient fürs Göd. Da bestellst drei Bier und zahlst viere oder fünfe.“ Was er sauft, das zahlt er immer, sagt der Mann mit Brille und schaut beleidigt auf den Tisch. Verarschen will er sich auch nicht lassen.

Seit Jahren wohnt er da im Bau, seit 1985. Aber inzwischen kann man aber ohnehin nirgendwo mehr hingehen. Wegen den Ausländern, erzählt der Meidlinger. „I hob so nix gegen Ausländer. Mir sands wurscht. Aber wenn ich in meine Stammhütte geh, in die ich seit zehn Jahren geh und du da kein deutsches Wort mehr hörst, dann kannst des vergessen.“ Der andere erzählt, dass er selbst mit einer Ausländerin—einer Ungarin—verheiratet war. Vermutlich um zu unterstreichen, dass auch er „so ja nix gegen Ausländer hat.“ Aber trotzdem. Na eh. Und seine Vorige war eine Tschechin und davor war er mit einer „Jugoslawin“ verheiratet. Insgesamt war er vier Mal verheiratet, worauf er „Bist du deppat, i heirat in meim Leben neama“ folgen lässt. Ja, den Fehler macht man nur vier Mal.

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So sei es viel leiwander, für den Herren aus dem Gemeindebau: „So komm i ham, mir geht niemand am Arsch, i kann nach Bier stinken. Leck mich doch am Arsch.“ Wir reden noch kurz über die Eisdiele, unter der zwei männliche Leichen gefunden wurden. Die Mörderin, die „Eisprinzessin“ aber auch „Eis-Lady“ genannt wird, ist verantwortlich für den Tod zweier Männer, deren Überreste von Bauarbeitern im Keller unter dem Eisladen gefunden wurden. „Aber das Eis war gut dort.“

Irgendwann wurde uns die Luft in dem Lokal zu hardcore—von einer Lüftung oder einer offenen Türe will man hier offenbar nichts wissen. Als meine Schwester unsere Runde zahlt, ruft ein in etwa vierzig Kilo schwerer Mann mit Tschick im Mund „Jaja, immer de Geilstn miassn blechn.“

Ich geb ihm ein imaginäres Highfive für die charmanteste Aussage des bisherigen Abends und wir gehen den Gemeindebauten entlang ins nächste Lokal, das uns auffällt. Im Café Wienerberg hält ein Mann, der auch gerade ins Lokal gehen will, meiner Schwester und ihrem Freund die Türe auf. Mir nicht, was OK ist, weil er mich vermutlich aufgrund meiner schwarzen Kleidung nicht gesehen hat. Arschloch.

Das Lokal hat überhaupt nicht wie ein Gemeindebau-Beisl ausgesehen, was wohl das Resultat daraus ist, dass sich jemand sehr bemüht hat, dass man den Grind nicht mehr erkennen kann. Tough, wie man sich nach zwei Beisl eben fühlt, haben wir uns gleich zum Stammtisch gesetzt. Auf dem standen Zuckerl aus dem vorherigen Jahrhundert und im ganzen Lokal hingen Kuscheltiere rum.

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Was pervers anmuten mag, war in Kombination aber eh recht charmant. An der Wand stand eine MP3-Jukebox aus der uns der Meister Reinhard Fendrich himself von der wahren Seele des Österreichers vorsang. Der Kellner hatte ein verblasstes Tattoo, im Nichtraucherraum hing über einem Esstisch eine Dart-Scheibe. Wie sich letzteres in der Praxis ausgeht, ist mir noch nicht ganz klar. Der Kellner regt sich bei seinem Gast gerade über die Kellnerin eines anderen Lokals auf, die für zwei Posten einen Taschenrechner braucht—für zwei Klopfer. „Waßt, jetz bin i 35 Jahre im Gewerbe, aber sowas hab i noch nie erlebt.“

Ein paar Minuten später bricht zwischen den beiden eine heiße Diskussion um Trüffel vs. Schweinbraten aus.Trüffel sei was für die Reichen und für die Schweine. Er mag was essen, wo er weiß, wofür er zahlt. Als der Freund meiner Schwester sich kurz einmischt und fragt „Magst du dann Austern und so Zeug auch nicht?“, sagt er zuerst „Brauchst ned du sagn, i bin da Peter“, um ihm dann zu erklären, dass Austern, Froschschenkel, Miesmuscheln und Trüffel nicht europäisch seien. Belehrungen jeglicher Art haben wir uns gespart. Wer will sich schon mit dem Wirten anlegen?

Peter der Wirt erzählt, dass das Lokal vor seiner Übernahme total heruntergewirtschaftet war. „20 Euro Umsatz in 16 Stunden.“ Früher war das mehr ein Nachtlokal, in das die „Superstrizzis“ und „Supermänner“ reingegangen sind. Sechs Tage in der Woche war da die Polizei. Unter ihm läuft das jetzt anders. Aber auch er erzählt davon, dass alle Lokale schließen. Zu hohe Steuern, Personal kann man sich wegen der hohen Lohnnebensteuer auch nicht mehr leisten. „Angefangen vom Rauchergesetz bishin zur Kassa—die sekkieren dich heute, das kann man sich nicht vorstellen.“ Rauchen wird man bei ihm auch 2018 noch können. „Solang es mi gibt, kann da jeder rauchen. Is ma wurscht, wenn i da Strafe zahl.“ In die Knie lasse er sich nicht zwingen und überhaupt, wie soll er kontrollieren, ob da jemand mit einem Aschenbecher reinkommt, oder nicht?

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Peter hat ein halbes Jahr in Istanbul gelebt, an der Bar sitzt ein Freund und Gast von ihm, der von Rumänien nach Österreich gekommen ist und in einem Gespräch über legale und illegale Geschäfte den Satz „Illegal gibts nicht“ fallen lies.

Irgendwann hatten Peter und ich bei einem Gespräch über die Türkei ein Missverständnis. Er meinte, dass die Leute überall netter sind, als sie es hier sind. Daraufhin meinte ich, ja stimmt, wenn ich wo hinreise, sind die Menschen auch immer freundlicher als hier die Österreicher. Nur hat sich dann herausgestellt, dass er von den Menschen redet, „die in ihrer Heimat nichts geschafft haben.“ Also quasi Ausländer, die in ihrer Heimat freundlich sind, aber wenn sie nach Österreich kommen, sind sie es nicht mehr. Verstanden habe ich das nicht, aber hey.

Viel zu viele Ausländer seien in Österreich und die Außenbezirke könne man schon als Slums bezeichnen. In den 90ern, erzählt Peter, hatte er ein Lokal in der Brunnengasse und seine Frau ist damals ohne Kopfschmerzen (soll wohl Angst bedeuten) und umdrehen heimgegangen. In der Kirchstetterstraße haben sie da gewohnt. Heute traue er sich da am Brunnenmarkt nicht mal mehr aus dem Auto. Sicher ist das übertrieben, meint er, aber „Wer ist denn heute bei uns? Die Kinder, die damals mit der Kalaschnikow herumgerennt sind. Die Kinder, die mit einer Gewalt großgeworden sind, die wir gar nicht kennen.“

Gregor, der Freund meiner Schwester erzählt ihm dann, dass er Freunde hat, die aus dem Krieg damals geflüchtet sind und nicht mit einer Kalaschnikow aufgewachsen sind. „Um Gottes willen, i will das ja net globalisieren. Aber die meisten von dort sind psychisch geschädigt.“ Von denen können wir nicht erwarten, dass sie normal denken, sagt Peter, während er die Weihnachtsdeko im Lokal zurechtrückt.

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Der Rumäne an der Bar fragt ihn dann, wer denn in Österreich die Drogen nimmt. Die Österreicher selbst. So viele Wiener hätten psychische Probleme, meint der Typ, der einmal in der Nachtschicht in Wien gearbeitet hat. Auch ohne Drogen gibt es genug Gscherte, findet Peter, der trotz seiner sehr fragwürdigen Meinung eigentlich ein sympathischer Typ ist. Wir haben die Theorie aufgestellt, dass er sich einfach auch gern von fragwürdigen Quellen beeinflussen lässt, aber who knows. Peter ist mit einer Schule aufgewachsen, in der er Deutsch, Englisch, Mathematik und so gehabt hat, seine Tochter, die „Halbmulattin“ ist, geht gerade in die letzte Klasse Hauptschule. „Von 35 Kindern ist sie die einzige Österreicherin. Und deshalb gibt es bei mir kein Kreuz mehr? Na hör mir auf.“

Während wir schon ein bisschen schockiert und fragend an unseren Getränken sippen, lehnt er sich auf die Theke und schreit: „Politisieren ist da herinnen eigentlich verboten! Fußball und Politisieren is do da eigentlich verboten, weil da kommen wir auf keinen grünen Zweig. Das is a Streitgespräch, das wir noch hundert Jahre führen könnten.“

Fußball verstehe er sowieso nicht, weil da zwanzig Deppate einem Ball nachlaufen und auf zwei Unschuldige schießen. Die politische Lage sei nicht einfach und keiner weiß mehr, was tun. Das regt Peter auf. Er erzählt uns, dass er viele Gäste hat, die ständig wegen der Politik jammern, aber keiner von denen gehe zur Wahl. Aufgrund der unterschiedlichen Meinungen seiner Gäste habe er aus einem Stammtisch zwei machen müssen. „Was glaubst, was ich da mitmach.“

Eine kluge und lustige Diskussion begrüße Peter, aber wer kann heute schon noch lustig diskutieren? Wir sind nicht in der Position, etwas zu ändern. Man könne sich nur zusammenschließen und auf die Straße gehen, aber das macht niemand. „Wir halten nicht mehr zusammen“, meint er schon fast ein bisschen traurig.

Auffällig ist, dass es in fast jedem Wirtshaus eine Mp3-Jukebox gibt. Auch am Eingang zur Gasometerstubn können wir zwischen The Beatles, Reinhard Fendrich und Deichkind wählen. Die Wirtin begrüßt uns mit einem schockierten, unfreundlichen Todesblick, kommt dann aber doch mit einem Lächeln an unseren Tisch. Trotz der kleinen Portion Freundlichkeit wollten wir nicht unbedingt mit ihr ins Gespräch kommen und beobachten stattdessen drei Männer und eine Frau am Nebentisch, die sich nach einer soliden Diskussion („Die Weiba sand olle so schwierig.“ „Aber es ghört immer ein komplizierter Mann dazu, damit eine Frau schwierig sein kann.“) nach und nach verabschieden, bis einer übrig bleibt, den wir an unseren Tisch bitten wollen. Doch die Vermutung, dass er was mit der Wirtin am Start hat und froh ist, das alle weg sind, lässt uns diesen Plan verwerfen.

Auch hier steht am Stammtisch eine Schale mit Zuckerl, der Rauch hängt trotz geöffneter Tür schwer im Raum und die Atmosphäre erinnert an Mundl. Was an all diesen Beisln so einzigartig ist, ist ihre Authentizität. Und die hat irgendwie viel mehr Sex als eine verkokste Nacht in einem Club, die in einem Walk Of Shame endet. Sicher kommt man auch hier schwer ohne Kater heraus, aber immerhin hatte man einen kurzen Ausflug in die Wiener Seele von damals.

Wir wollen uns allmählich wieder in Richtung Stadtmitte begeben und noch in Rudolfsheim-Fünfhaus vorbeischauen. Leider war es schon etwas zu spät und Mittwochnacht, weshalb alle schon eher am abrechnen waren. Vollkommen motiviert werden wir aber weiterhin den Gemeindebau unsicher machen und unsere Tour durch die Beisln fortsetzen. Be afraid. Be very afraid.

Isabella ist auf Twitter: @isaykha

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