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Noisey Blog

Meine Freunde gehen nicht mehr fort und ich muss mich damit abfinden

Wenn der Fortgehfreundeskreis immer kleiner wird und man schon überlegt alleine in den Club zu gehen, muss man sich ein paar elementare Fragen stellen.

Wir müssen über ein Problem sprechen, das zwar nur an Wochenenden wirklich bedeutsam wird, mich und ein paar meiner Mitmenschen aber schon länger betrifft: das Wegfallen von feiermotivierten Freunden. In meinem Freundeskreis reduzierten sich die regelmäßig Fortgehwilligen in den letzten Jahren von gut 15 auf zwei. Mich eingeschlossen. Die anderen sind vielleicht alle paar Wochen mal interessiert, sich beim Feiern anzuschließen. Wenn also der eine treue Freund mal krank oder nicht im Land ist, wird es mittlerweile zur Sisyphusarbeit, Leute dafür zu finden.

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Falls sich das jetzt noch ein bisschen zu belanglos liest, erzähl ich am besten zuerst meine Situation, in der ihr euch vielleicht wiedererkennt: Ich bin im zarten Alter von 20 Jahren nach Wien gekommen, um zu studieren. Zumindest hab ich mir das so vorgenommen. Das Studium verstehe ich heute wie damals als Möglichkeit, um das Nachtleben in Wien auskosten zu können. Mein Publizistik-Studium war nicht so anstrengend, um das Wochenende als Lernzeit verwenden zu müssen, falls nicht gerade Prüfungszeit war. Schocker, ich weiß. Also habe ich gemacht, was jeder vernünftige Student am Wochenende macht: fortgehen und Kater haben.

Fortgehabende bedeuteten (ganz wichtig ist hier das Präteritum) immer ausgedehntes Vorglühen mit vollen Zimmern oder gar Wohnungen. Das war meist der schönste Teil des Fortgehabends, da man, anders als im Club, noch miteinander reden konnte, ohne sich ins Gesicht brüllen zu müssen. Der Kern von vier oder fünf Leuten blieb bei diesen Abenden immer gleich, daran hängten sich aber konstant bis zu zehn andere Leute. Freunde nahmen wieder Freunde mit und so entstand ein recht großer Kreis an fortgehbereiten Menschen, die man regelmäßig zu Gesicht bekam. Das ist der Punkt, der später am wichtigsten sein wird. Merken, das kommt zum Test!

So blieb das Golden Age of Bier (kann man schon so nennen) dann auch eine Weile. Und ich habe die Zeit wirklich zu schätzen gelernt. Man traf sich am Wochenende, trank, feierte und manchmal verbrachte man gemeinsam den Katertag. Es verbindet nichts mehr, als gemeinsam zu leiden. Zumindest verbindet es so lange, bis das Studium vorbei ist. Nach und nach wurden Bachelor- und Masterabschlüsse gefeiert, Leute gingen ins Ausland und es bildeten sich Paare, die daran erinnern, dass man sich auch mal um was Festes umsehen könnte.

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Es wurde schwer, Menschen zu finden, denen zehn Euro Eintritt nicht zu viel ist, wenn sie doch eh einen netten Abend mit Siedler und Spritzer verbringen können. Nichts gegen Siedler, aber es fällt mir so schwer, zum Klang von zebrechenden Freundschaften zu tanzen. Das macht Siedler einfach mit einem und ich brauch eher Bewegung und Gehenlassen.

Jetzt bin ich an dem Punkt, an dem es zwar manchmal noch Abende gibt, an denen wir uns zu fünft im Club treffen, fürs Vorglühen hat aber in der Regel nur ein Mensch Zeit. Die Restlichen kommen oft um zehn erst von der Arbeit nachhause und/oder müssen erst noch "chillen". Das heißt, selbst wenn es zum Vorglühen kommt, wird nicht mehr zu irgendwelchen Chartplaylists gesungen und getrunken, es wird sich gediegen angesoffen. Wobei mir dieser Punkt eigentlich recht sein kann. Bis ich bereit bin, zu "Umbrella" zu tanzen, brauch ich mittweile viel zu ungesunde Mengen an Alkohol. Ich brauch das nicht mehr, ich blicke nur ein bisschen nostalgisch darauf zurück, jetzt wo es diese Momente einfach nicht mehr gibt.

Wer an dieser Stelle sagt, dass das doch alles entbehrlich ist, gehört zu den Siedler-Spielern. Ich will die Abende im Club nicht missen. Sie sind der Ausgleich zum Arbeitsalltag. Es ist kein living for the weekend, es ergänzt sich viel mehr. Das funktioniert nur mit einem Freundeskreis, der das ähnlich sieht. Leider verkleinert sich dieser bei mir immer mehr. Ich hab bei meinen Freunden, die früher dabei waren, nachgefragt, warum sie nicht mehr fortgehen wollen.

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Franziska* war früher die, die als Letzte im Club stand und dann noch immer motiviert war. Mittlerweile sehen wir uns zwar schon noch öfter, aber dann eher zum Zocken zuhause oder auf Konzerten. Dass sie nicht mehr fortgeht, hat mehrere Gründe. Wie bei den meisten anderen, ist die Beziehung ein großer Faktor. Aber auch ihr Beruf als Tourmanagerin einer Band, durch den sie oft mehrere Wochen unterwegs ist, hat sie dazu gebracht, weniger Lust aufs Fortgehen zu haben. Einfach, weil sie nach so einer Tour nur auf dieses eine Thema angesprochen wird und auch nicht wirklich viel anderes zu erzählen hat. Verständlich, denn Gespräche im Club gehen selten über Small Talk hinaus. Bis auf die gelegentliche betrunkene Philosophie-Stunde um 8:00 Uhr Früh.

Für Lisa* ist vor allem der verlorene Tag nach dem Fortgehen der wichtigste Grund, sich nicht mehr regelmäßig im Club blicken zu lassen. Katertage werden mit jedem Jahr schlimmer und sie nutzt die Zeit, die sie jobbedingt unter der Woche nicht hat, lieber für Erledigungen und andere Quality Time. Sie hat ihre Prioritäten einfach umgeschlichtet.

Diese Liste lässt sich beliebig erweitern, die Gründe sind alle sehr ähnlich. Beziehung, Beruf, Alter höre ich am öftesten, wenn ich frage, warum die Lust am Fortgehen schwindet. Das hilft mir nur auch nicht wirklich weiter, was bleibt mir also übrig?

Weniger fortgehen ist keine Option, wie ich schon erklärt habe. Manchmal bin ich auch schon alleine im Club gestanden und habe vor meinem inneren Auge gesehen, wie ich mit 50 einer dieser schrägen Typen bin, die man immer beim Fortgehen sieht. Ein weiterer Mr. Flex quasi. Also nein, danke. Ich behalte noch ein bisschen meiner Würde (Do your thing Mr. Flex, ich urteile nicht über dich).

Bei den Freunden betteln, dass sie doch EINMAL cool sein sollen und mit mich in die Forelle begleiten, ist auch nicht die nachhaltigste Antwort. Das funktioniert höchsten zwei Mal, dann muss ich mir neue Freunde suchen. Der schlüssigste Weg ist, sich auf die Umstrukturierung einzustellen. Einsehen, dass man einen Lebensstil pflegt, der offensichtlich mit fortschreitendem Alter zur Minderheit wird und man sich mit den anderen Minderheitsmitgliedern zusammenschließen muss, um stark zu bleiben.

Dieser Text soll nicht dazu dienen, eine ultimative Antwort darauf zu finden, wie man endlich wieder Leute findet, die sich auch gerne in irgendwelchen Clubs verlaufen (geht einfach fort oder nutzt das Internet) oder Freunde zurückholt in die "gute alte Zeit". Vielleicht erkennst du dich ja in meiner Geschichte wieder und fühlst dich nicht mehr ganz so alleine in deiner Entscheidung, Party zu deinem Leben zu machen. Falls das so ist, kannst du dich ja melden und wir fällen gemeinsam schlechte Entscheidungen.

*Name geändert

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