Warum wir den Katertag lieben und hassen

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Pro & Contra

Warum wir den Katertag lieben und hassen

"Manchmal gehe ich früher von der Party heim, weil ich mich so sehr auf den Kater freue."

Wir möchten vorausschicken, dass wir hier von einem Durchschnittskater ausgehen. Bedeutet: Man kann bestellte Pizza essen, ohne dass der Körper sie sofort abstößt. Man kann nicht wirklich aufstehen, weil alles wehtut. Die eigene Stimme klingt vier Tonlagen tiefer und kratziger. Unterhaltungen werden schwierig bis unmöglich – egal ob in real life, Internet oder am Telefon. Das Gehirn arbeitet auf Sparflamme. Man stinkt und sieht auch sonst eher unappetitlich aus. Kurz gesagt: Alles, was man tun kann, ist im Bett liegen und aufs Klo gehen. Dem Pizzaboten die Tür aufzumachen, fühlt sich wie eine gewonnene Wettkampfleistung an.

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Außerdem vorhanden beim Durchschnittskater: Einsamkeit. Oder Alleinsein. Je nachdem, was für ein Typ Mensch man ist. Also wir gehen von einem klassischen Single-Kater ohne Stich aus. Zur Erklärung: Stich ist das ekelhafte Wort für Bsuff-Sex für eine Nacht.

Wir wissen nicht, ob Pärchen überhaupt fortgehen und wenn sie es tun, wie sie einen Kater verbringen (wahrscheinlich vögeln). Persönlich glauben wir nicht an fortgehende Paare, aber es gibt Mythen und Sagen über so Partner, die sich nicht komplett dem Brunch hingeben und auch außerhalb von Silvester in Gesellschaft saufen. Da uns aber dieses Konzept nicht geläufig ist, gehen wir einfach vom Single-Kater aus.

Pro

Fredi liebt den Kater

Miniurlaub

So ein gepflegter Single-Kater ist der Himmel auf Erden. Es ist ein Miniurlaub in deinem Zimmer. Du hast endlich Zeit für dich, ohne die ganze Gesellschaft, die man gestern zu genüge hatte. Mein gesamter Freundeskreis spaltet sich in Menschen, die den Kater auskosten können und Menschen, die verkatert ihre "verlorene" Zeit beweinen. Als ob man gestern Abend keine Zeit verloren hätte. Klar, an so einem Katertag bringt man nichts weiter. Aber wie entspannend ist das? Einfach nichts tun zu können. So sehr man wollen würde, man kann nicht. Das ist doch perfekt.

Ich bin gerne alleine, ich kann die Zeit mit mir richtig auskosten und genießen. Es tut gut, keinen Leib neben sich zu haben, den es zu unterhalten gibt. 80 Prozent meiner Hobbys beinhalten einen Laptop und mein Bett – ein Kater unterstützt die Ausführung dieser Hobbys. Danke!

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Zwei-Phasen-Wirkung eines Rausches

Wie oben schon angedeutet, gibt es zwei Phasen eines Rausches. Hier habe ich darüber geschrieben. Die erste Phase ist die glückliche, in der man Wodka trinkt, als wäre es Trinkwasser. Die zweite Phase ist der Kater. In dieser Phase wird der Körper den Wodka los. Wenn man nur das Gute von etwas haben will (einen Rausch, aber keinen Kater), dann deutet das auf Charakterschwäche hin.

Nein, ernsthaft, vielleicht nicht Charakterschwäche. Aber wir wären alle ziemlich schnell Alkoholiker, wenn Saufen nur leiwand wäre. Es ist OK, ein bisschen für den Spaß gestern zu leiden und hey, wenn das Leiden eine bestellte Pizza, lernfreie Zeit und das Bingen einer Serie beinhaltet – wollen wir es echt verteufeln? Wo Licht da auch Schatten, Kinder. Machen wir aus dem Schatten doch das Beste. Manchmal wenn mir die Party zu wild oder überfordernd wird, mache ich einen polnischen Abgang und freue mich richtig auf den nächsten Tag. Die Ruhe. Das Liegen. Das leichte Kopfweh.

Der Kater eröffnet dir neue Emotionen

Real-Talk: Es gibt zwei notgeile Stadien, die Sex mit mir selbst oder auch Sex grundsätzlich besser machen. Das ist der Vollrausch und der Kater. Und nicht nur die Notgeilheit wird im Kater verstärkt, auch jede sonstige Emotion. Depressiv, weil du wieder fort warst? Scham, wegen einer SMS? Über einen Flachwitz lachen? All das wirst du am Katertag pur und in einer einzigartigen emotionalen Reinheit spüren. Keine Relativierungsgefühle und -gedanken. Weil dein Hirn halt auch nicht mehr als eine Emotion oder Gedanken schafft. Auch das ist eine Art, sich selbst neu kennenzulernen, etwas mitzunehmen und sein Leben neu zu überdenken. In jedem Kater steckt nämlich eine kleine Wiedergeburt. Man muss sie nur finden. Aufs Klo gehen? Etwas Essen? Du "g'spiarst di" endlich. Genieße es.

Du weißt zumindest, warum es dir scheiße geht

Ich habe lieber eine geplante und kontrollierte Lebens- und Körperkrise jeden Sonntag, als random an einem Tag scheiße drauf zu sein. Wenn es mir geplant wegen einem Kater scheiße geht, weiß ich nämlich genau was hilft: Tinder, Pizza, Serie, halbherzig To-Do-Listen schreiben. Wenn es mir einfach so scheiße geht: Viel Glück, liebe Fredi. Viel Glück auf deinem Weg, herauszufinden, was dir fehlt. Du wirst nicht draufkommen. Aber gute Neuigkeiten: Du löst diese Tage mit einem Rausch. Und danach kommt der Kater. Und dann kommt ja bekanntlich der Neubeginn.

Contra

Siehst du diese Augen? Benji bleibt bei der Realität: Katertage können scheißen gehen

Der Kater holt dich zurück in die grausige Realität

Warum gehen wir eigentlich fort und saufen uns an? Ich könnte mir jetzt irgendwelche noblen Gründe einfallen lassen, wie Förderung der Clubkultur, Sozialisation oder Verbreitung von Liebe und Weltfrieden. In Echt wollen wir einfach Realitätsverweigerung, wie die Egozentriker, die wir alle sind. Wir wollen vergessen, wie unsere Kollegen uns die Woche versaut haben, indem sie schon wieder dein Bircher-Joghurt (das isst man doch, wenn man gesund sein will, oder?) aus dem Gemeinschaftskühlschrank gestohlen haben oder weil man die verflossene Liebe mal für einen Abend aus dem Kopf sperren will. Jedenfalls wollen wir Ausnahmezustand und alles Böse auf der Welt vergessen.

Der Kater holt dich mit einem fetten Schlag ins Gesicht wieder zurück in die reale Welt. In der Sekunde, in der du aufwachst, wird dir wieder klar, warum du dich überhaupt angesoffen hast, nur mit der hundertfachen Wirkung. Kopfweh, Übelkeit und allgemeiner Weltschmerz sind die Symptome deiner Alkohol-Völlerei und leider musst du dir eingestehen, dass sie genau so zu deiner Wirklichkeit gehören wie deine Kollegen. Die Welt ist schlecht und der Kater ist der Katerlysator (wow) für alles Schlechte.

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Vertschüss dich von deinem Traumkörper

Als junger Student, beinahe unbefleckt von der grausamen Fratze des Katers, musste ich mir keine Gedanken über irgendwelche Katervorbeugungsmittel machen. Sieben Tage durchtrinken? Pff, easy. Mittlerweile sind ein paar Jährchen ins Land gezogen und ich muss quasi einen Sieben-Tages-Plan vor meinem nächsten Rausch durchführen, um nicht am Tag Null (Tag des Katers) zum absoluten Zombie zu werden. Das heißt vor allem: fettig essen.

Am Tag Null dann: Zuckerwasser und noch mehr fettiges Essen. Ich tu mir schon schwer genug, mich überhaupt bei einem Fitnesscenter anzumelden, geschweige denn irgendwie außerhalb meines Arbeitstages zu bewegen. Das hilft meinem alten, verbrauchten Körper nicht gerade. OK, ich bin 26, aber ich fühl mich schon viel älter, ohne reifer zu sein. Das liegt an genau einer Sache: Danke Alkohol. Danke für nichts.

Eso-Scheiß hilft mir auch nicht gegen Kopfweh

Also ehrlich. Es ist einfach ein scheiß Gefühl, sein Leben, seine Bewegungsfähigkeit und Unternehmenslust in die Hände des Katers zu geben und somit jegliche Selbstständigkeit aufzugeben. Man ist einfach ein bis zwei Tage gelähmt und der ganze Eso-Scheiß, den Fredi super findet, hilft mir auch nicht gerade dabei, aus dem Bett zu kriechen und einen schönen Sonntag mit meinen Freunden zu verbringen.

Während ich auf Instagram Fotos von glücklichen Menschen im Augarten und auf irgendwelchen Wanderausflügen sehe (#zumglückbinichkeinalkoholiker), frage ich mich schon, warum mache ich das alles eigentlich? Das geht bis zur existenziellen Krise. Wenn mich dann meine Kollegen am Montag fragen, wie mein Wochenende war, kann ich halt auch nicht sagen, dass ich mein Leben überdacht habe und alles sinnlos ist und wir sowieso nur ein Furz des Universums sind. So pseudophilosophischen Kack halt. Zu mehr ist man ja nicht imstande! Am nächsten Wochenende hab ich natürlich alles wieder vergessen und mach mir zehn Bier auf. Und mir wurde gesagt, im Alter wird man weise.

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