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Rudis Brille

Der Club-Herbst in Wien: Schwarzenberg und blaue Finsternis

Wien hat gleich drei neue Clubs und die junge FP-Riege tanzt zu Carl Cox – Wien steht vor neuen Herausforderungen.
Illustration: Life is Samazing

Der Herbst 2017 bringt für die Wiener Clubszene einige spannende Neuerungen. Gleich drei neue Läden (Horst, Club Alice und das Schwarzenberg) öffneten in einer Zeit, die eigentlich alles andere als prädestiniert dafür ist – noch nie waren die Auflagen so streng und die Anrainer so nervös, aufgrund der Nichtraucherregelung beispielsweise. Diese Anrainer sind außerdem zumeist alt, rechts und Anwalt, also Rechts-Anwalt, was die Lage nicht erleichtert.

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Am letzten Wochenende eröffnete der Club Schwarzenberg. Zuerst inoffiziell, dann offiziell und dann für alle. Wien heute war vor Ort und interviewte die Betreiber, die repetitiv das Phrasenschwein verprügelten: Alles wird sowas von neu, noch nie hat Wien so etwas gesehen. Endlich sind wir so wie Ibiza und London und hast du noch nie gesehen, so etwas. Die Laser schossen einem die Dioptrien aus der Iris und man merkte, dass der Rochus-Betreiber Mario Minar einige Millionen investiert hatte. In etwas, das es "einfach noch nie" gegeben hat.


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Nun, es ist sicher immens wichtig, dass die VIPs jetzt einen eigenen Eingang haben, das fördert das Gefühl der Zweiklassengesellschaft und löst garantiert Wohlbefinden aus. Drinnen dann, eben im berühmten VIP-Bereich, kann man dann so ziemlich alles, auch sein Handy aufladen, was angesichts immer slicker werdender Batteriezeiten sicher der total letzte Schrei ist. Man muss die beliebte Frage: "Ey, haste mal ein Kabel?" nicht mehr stellen und kann getrost 200 Selfies aus dem neuen Tanzpalast posten. Musikalisch wird "einfach alles" geboten, auch das, was man in Ibiza garantiert nie hört. "House und R'n'B", also eine echte Innovation.

Aber in Zeiten immer schlechter werdender Musikgeschmäcker wird das wahrscheinlich seinen Zweck erfüllen, wenn 08/15-Allerweltsgeträller, das man nach der zweiten Grey-Goose-Flasche sowieso nicht mehr wahrnimmt, durch die teuren Boxen dröhnt. Das Schwarzenberg ist in jedem Fall ein "Sehen und gesehen werden"-Club. Man bemüht sich zwar, "für alle" da zu sein, aber "alle" geht nie gut. Der Buchstabe vor den Promis muss jedenfalls erst erfunden werden, denn nach "Z" kommt bekanntlich nichts mehr.

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Ob sich nun Passage und Volksgarten warm anziehen müssen – denn ausschließlich in deren Fahrwasser wird sich das Klientel des Clubs im ehemaligen Stadtkino bewegen – wird sich zeigen. Dass man kein Ladekabel mehr in einen Club mitnehmen muss, ist jedenfalls ur Laser. Das Konzept ist noch etwas diffus und teuer muss auch erst gut eingesetzt werden, aber ich muss ja nicht alles verstehen.

Nicht ganz dort angekommen ist bisher Alice – die dürfte auf dem Weg ins Wunderland im Palais Palffy vorher noch falsch abgebogen sein und sich Zeit lassen. In jedem Fall läuft der neue Laden noch nicht so, wie man das wohl gerne hätte, was daran liegen könnte, dass man mit dem angestrebten Konzept irgendwie zwischen den Geschmacksstühlen durchrutscht, denn auch hier gibt es – Überraschung – viel House und R'n'B.

"Die Forelle ist was Sound und Technik anlangt ohnehin nach wie vor das Maß aller Dinge."

Ganz anders ist da Horst, der neue alte Innenstadtclub in der Rotgasse. Er mischte die Clubszene auf jeden Fall einmal auf und sorgte für Umschichtungen, aber auch für die Wiederbelebung eines anderen weisen Spruches, nämlich, dass Konkurrenz das Geschäft belebt. Horst hat auf alle Fälle die hohen Erwartungen bisher einigermaßen erfüllen können. Ich plädiere ja ohnehin für etwas Nachsicht in den ersten Wochen, da nie alles perfekt funktionieren kann. Dass einigen der Laden zu groß, das Licht zu hell und das Publikum zu gemischt ist, sind Allerweltskritiken á la: "Es ist zu voll, zu heiß, zu kalt".

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Eher noch kann man durchgehen lassen, dass der Sound am Mainfloor noch etwas ausbaufähiger wäre. Der Laden ist nun einmal richtig groß und liegt im Herzen Wiens. Acts wie Fritz Kalkbrenner und Co. können wohl nur in dem Club präsentiert werden, wenn man weiß, wieviel gewisse "Künstler" mittlerweile kosten. Freitag ist jetzt jedenfalls wieder Großkampftag in Wien, was Bookings im Techno- und House-Segment angeht.



Auch die Pratersauna rüstete auf und erfüllte vielen (auch mir) den sehnlichsten Wunsch nach einem Rückbau der Boulangerie in einen kleinen dunklen Dancefloor: Bunker 3.0 sozusagen. Die Cocktailbar oben blieb zwar – was ich persönlich auch gut finde – die viel verhöhnte Poledancestange und die Pseudo-VIP-Couches verschwanden jedenfalls. Gut so, der Sound könnte auch noch mehr Wumms vertragen, aber man übe sich in Geduld.

Die Forelle ist was Sound und Technik anlangt ohnehin nach wie vor das Maß aller Dinge. Nirgendwo macht Auflegen so viel Spaß wie dort, wenn es bloß nicht manchmal so heiß wäre. Außerdem streift die Forelle in ihrer Programmierung nur selten an der heiß umkämpften Tech/House-Front an und wird – abgesehen von einigen saisonalen Schwankungen – die neue Clubschwemme weniger zu spüren bekommen.

"Wer solche Freunde hat, wird wohl auch keine Feinde mehr brauchen"

Das FLEX hält nun ab und an gar nicht so schlechte Afterhours ab. An den Abenden hat man sich aber sicher viel zu fest an die stagnierende D'n'B-Community gefesselt. Hier könnte viel mehr gehen, zumal die geografische Lage einfach immer noch die genialste der Stadt ist, aber offenbar fehlt es hier ein wenig am echten Mut zur Innovation. Es gibt aber nun mit dem SUB (Abkürzung für Super Unusual Beings) und dem PRIME auch zwei kleine echte Undergroundclubs in unserer Stadt. Während der eine nahezu total auf Werbung verzichtet und extrem open minded sein will und somit zu einem kleinen Geheimtipp im ansonsten nicht allzu hotten hintersten Eck vom Margarethen mutiert, liegt das Prime mitten im ersten Hieb, mit all seinen Anrainern und Problemen. Angeblich sind diese nun aber beseitigt (die Probleme, nicht die Anrainer) und es kann im Herbst losgehen. Man setzt verstärkt auf Drum'n'Bass und genreähnliche Sounds und versucht, eine kleine Oase zur ansonsten eher Hemd tragenden Klientel der Inneren Stadt zu schaffen.

Großveranstaltungen hingegen, wie sie weltweit aus dem Boden schießen, findet man in Wien noch immer sehr wenige. "Hypnotic" mit Carl Cox war wohl die einzig erwähnenswerte Veranstaltung in den letzten Monaten. Glaubt man Insiderberichten, so soll es nach dem großen Erfolg der letzten Edition diverse Fortsetzungen geben. Und die Veranstalter dürften es auch unter einer allfälligen neuen Schwarz-Blauen-Regierung leicht haben – tummelte sich doch die junge FP-Riege am letzten Event mit Carl Cox auf der "Platinum"-VIP-Tribüne. Maximilian Krauss etwa, der Nationalrat werden soll, war dort ebenso anzutreffen, wie der Vize-Bürgermeister Johann Gudenus. Wer solche Freunde hat, wird wohl auch keine Feinde mehr brauchen. Aber lassen wir die Politik.

Eines zeigte sich in jedem Fall: Wenn neue Herausforderungen auf die eingesessenen Platzhirsche zukommen, müssen sie sich ebenfalls anstrengen, denn das Wiener Publikum ist extrem launisch und rennt jedem neuen Club schnell mal die Türen ein, um dann aber auch rasch wieder weiter zu ziehen.

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