Meine Sucht nach Skate-Videos hat meinen Musikgeschmack für immer geprägt
Foto: Immagine: Sam Lammar via Vimeo

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Meine Sucht nach Skate-Videos hat meinen Musikgeschmack für immer geprägt

Bis zum Sonnenuntergang skaten, bei Freunden abhängen, Skate-VHS-Kassetten schauen – die sorgloseste Zeit des Lebens hatte den besten Soundtrack.
Daisy Jones
London, GB

Skatevideos sind schon komisch. Und anders. Ich meine, zwar gehen sie oft genauso lange wie ein normaler Film, aber sie besitzen keine wirkliche Handlung. Viele Leute spielen mit, aber jeder hat seinen eigenen Part. Wir schauen einer Sportart zu, bei der es an sich kein Wetteifern gibt. Die Protagonisten wirken wie toughe Männer, aber wegen des Fokus auf Ausdruck und Ästhetik auch wieder nicht. Was dieses Konstrukt allerdings vom Anfang bis zum Ende zusammenhält, ist die Musik.

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Ich bin im Norden Londons großgeworden – eine Gegend geprägt von grauen Plattenbauten, steilen Hügeln und Betonstufen. Ich kann mich nicht mehr so genau an meine frühen Teenagerjahre erinnern, aber ich weiß noch, wie ich und meine Kumpels nach der Schule immer erst zu KFC gingen und danach durch die Gegend skateten, bis die Sonne unterging. Rückblickend war das wohl die beste und sorgloseste Zeit meines Lebens. Aber zurück zu den Skatevideos.


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Nach unseren Skate-Nachmittagen gingen wir immer zu irgendeinen Kumpel nach Hause, quetschten uns aufs Bett und schoben ein Skatevideo in den VHS-Player. Filme aus den frühen 2000ern – zum Beispiel Flips Sorry, Girls Yeah Right!, Osiris' Subject to Change, Toy Machines Good and Evil, Alien Workshops Photosynthesis oder Almost: Round 3 – wurden immer und immer wieder abgespielt. Wir waren halt gelangweilte 13-Jährige. Aber die Fisheye-Aufnahmen von über Beton schleifenden Rollen, fiesen Stürzen und krassen Tricks zu persönlich ausgewählten Liedern hatten eine beruhigende Wirkung auf mich. Und ähnlich wie Videospiele oder Mixtapes brachten mich all diese Videos mit Bands in Berührung, von denen ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Sie formten meinen Musikgeschmack, der sich weit über mein Teenagerdasein hinaus halten sollte.

Die Macher von Skatevideos haben sich nie auf ein bestimmtes Musikgenre festgelegt. Und auch irgendwelche Trends werden nur selten beachtet. Man kann also nicht sagen, dass bestimmte Sachen immer passen. Stattdessen gibt es häufig Überraschungen (Robbie Williams im Intro von Plan Bs Live After Death) und Songs, die eben genau zu einem Part passen und ihm so das i-Tüpfelchen aufsetzen. Nehmen wir mal Jerry Hsu und Louie Barletta in Subject to Change als Beispiel: Die beiden spielen im sonnengetränkten Barcelona mit der Architektur und das im Hintergrund zu hörende "Age of Consent" von New Order verleiht dem Part eine gehörige Portion Optimismus und wohlige Nostalgie.

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Gerade dieses treibende, aber gleichzeitig auch etwas traurige Lied für eine Freizeitbeschäftigung auszusuchen, die man vor allem mit warmen Sommertagen und jugendlicher Sorgenfreiheit in Verbindung bringt, ist genial. Vielleicht hat sich Marc Johnson aus dem gleichen Grund für Joy Divisions "Love Will Tear Us Apart" für seinen Part in Yeah Right! entschieden. Vor Subject to Change hatte ich noch nie etwas von New Order gehört, aber das Video brachte mich dazu, direkt noch mehr Lieder von der Band anzuhören. Und so erging es mir nach vielen Skatefilmen.

Weil Videoparts so speziell auf den Geschmack und den Style des Skateboarders zugeschnitten sind, findet man darin oft Musik von Bands, die einem bisher unbekannt waren. Ohne Ed Templetons Part in Toy Machines Good and Evil wäre ich zum Beispiel niemals auf die brillante Band Spell gestoßen. Gleiches gilt für Mellow (Danke, Heath Kirchart!) und die 80er Psych-Pop-Gruppe The Church. Zweitgenannte kenne ich nur dank Matt Bennetts Part in Suffer the Joy (siehe unten), in dem jede Bewegung perfekt zu den melodischen und bittersüßen Klängen von "The Reptile" passt. Skatevideos haben sowieso eine ganz andere Beziehung zum Soundtrack als normale Filme. Die Lieder sind nicht nur leises Beiwerk. Nein, sie bilden eher eine Art Einheit mit den zu sehenden Tricks. Damit erinnert das Ganze mehr an ein Musikvideo als an irgendetwas anderes.

Manchmal muss man einen Song nur ein einziges Mal hören und er hat sich direkt ins Gehirn gefräst. Manchmal geht das Ganze aber auch nicht so schnell, das Lied schleicht sich quasi in den Kopf, ohne dass man es bewusst mitbekommt. Genau so haben Skatevideos meinen Musikgeschmack geprägt. Indem ich die ganzen Parts immer und immer wieder geschaut habe, wurden auch die dazugehörigen Lieder immer vertrauter. Oftmals handelte es sich dabei um Songs, die ich nicht sofort gut fand. Mit der Zeit lernte ich sie jedoch zu schätzen und wie einzelne Ziegelsteine formten sie irgendwann meine musikalischen Vorlieben.

Ich weiß nicht, wie Skatevideos heutzutage aussehen. Seit damals sind über zehn Jahre vergangen und ich habe schon lange nicht mehr wirklich den Drang verspürt, Skateboardern dabei zuzusehen, wie sie sich lange Treppengeländer hinunterschmeißen. Wenn ich jedoch nicht einschlafen kann, dann klicke ich mich schon noch manchmal durch YouTube und ziehe mir ein paar Skateclips rein. So stieß ich erst letztens wieder auf die zuckersüßen Melodien von Saint Etiennes "Only Your Love Can Break My Heart", weil das Lied bei Johnny Wilsons Part in einem Ausschnitt von Nike SB ertönte. Einer Sache bin ich mir sicher: So lange die alte Kunst der Skatevideos nicht ausstirbt, können wir uns auch weiterhin über geniale Soundtracks freuen. Soundtracks, ohne die meine Musiksammlung heute nicht so vielfältig wäre.

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