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Interview

Wir haben Baze nach seinen wichtigsten Inspirationsquellen gefragt – auch wenn er uns dafür hasst

Wir haben Baze getroffen und wollten von ihm wissen, welche MCs er mag, welche Filme er schaut und welche Comics er einem Laien empfehlen würde.
Foto: Pressebild

Baze war schon immer eine Ausnahmeerscheinung in der schweizerischen Musikszene. Unbiegsam, kompromisslos und ein wenig auch Einzelgänger. Auch wenn er einer der meist gefeatureten Rapper des Landes, Teil verschiedener Crews und Combos ist, geht Baze einen eigenwilligen Weg und bevorzugt dabei immer mal wieder die Seitenstrassen und Umwege. Baze gilt als launisch, direkt und unbequem und passt somit unter keinen Umständen in die Schablonen der Musikindustrie und populären Hitfabriken. Trotzdem ist er einfach zu talentiert, um in den Versenkungen des Untergrunds ein Schattendasein zu fristen. Baze hat eine solide Fanbase und jede seiner Veröffentlichungen einen festen Platz in der Sammlung von Liebhabern des schweizerischen Mundartraps.

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Erst kürzlich hat Baze sein neustem Album Bruchstück veröffentlicht. Ein Album, das nicht mal eben so nebenbei beim Bügeln gehört werden kann. Ein Album, für das man sich Zeit nehmen muss. Ein Album, das nicht nur konsumiert werden kann, sondern dem man auf Augenhöhe begegnen muss, um es begreifen und verstehen zu können. Dieses Baze-Album ist nicht mehr einfach nur ein überdurchschnittlich gutes Rapalbum, wie man es sich von Baze gewohnt ist, sondern könnte rückblickend eine Schlüsselposition in seiner Diskographie einnehmen. Auf Bruchstück bricht Baze nicht mit seinen vorhergehenden Releases, aber auf eine sehr erfreuliche Art und Weise erfindet er sich doch ganz neu. Baze ist nach diesem Album kein Rapper mehr, sondern Blueser, Lyriker, Musiker und vor allem eins: Künstler.

Wir haben Baze getroffen und wollten von ihm wissen, welche MCs er mag, welche Filme er schaut und welche Comics er einem Laien empfehlen würde.

Noisey: Welche Alben und MCs waren für dich persönlich am prägendsten in deiner Entwicklung als Rapper?
Baze: Ach, wie ich solche Fragen hasse. Nicht weil ich sie doof finde, sondern weil es mir sehr schwer fällt, mich auf eine bestimmte Anzahl festzulegen. Obwohl: Eigentlich find ich solche Fragen auch ein wenig doof. Item. Ich bin beeinflusst von ganz verschiedenen MCs aus verschiedenen Epochen. Und ausserdem höre ich auch extrem viel andere Musik als Rap. Das war schon immer so und wird es auch bleiben. Ich wurde durch verschiedene Musikrichtungen beeinflusst und darum ist eine solche Frage für mich praktisch unmöglich zu beantworten. Bleiben wir deshalb einfach mal beim Genre HipHop. Ich bin im Bezug auf Rap sehr flow- und beatfixiert. Mir ist ganz grundsätzlich gesprochen die Form wichtiger als der Inhalt. Vor allem wenn der Rapper, der mir Geschichten erzählt, in anderen Realitäten lebt als ich. Was ja im Ami-Rap ganz oft der Fall ist. Ich bin von etlichen Rap-Acts geprägt: Von Poor Righteous Teachers und Beastie Boys über Mobb Deep und Onyx zu Wu-Tang und Jay-Z bis zu Juelz Santana, Kanye West, Drake oder Schoolboy Q.

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Welche Schweizer Künstler findest du aussergewöhnlich oder bewunderst du gar?
Da kommen mir spontan drei Künstler in den Sinn: Zum einen ist das sicher Endo Anaconda und seine Gruppe Stiller Has. Wobei ich bei Endo die Musik und Texte grandios finde, weil er einfach einzigartig und eigenwillig ist. Er erzählt von den alltäglichsten Dingen und schafft es dennoch, dass du nie gelangweilt bist. Er fängt die Stimmungen der Schweiz sehr präzise ein und braucht dafür nicht mal explizit politisch zu sein. Und ich mag seine Kompromisslosigkeit und Gradlinigkeit. Der lässt sich keinen Millimeter verbiegen. Mir gefällt aber auch das Werk von Züri West sehr gut. Es ist im Vergleich zu Stiller Has ein wenig zugänglicher. Vor allem die ersten Alben sind Mundartklassiker. Das ist rotzige Musik, mit einer gehörigen Portion Post-Punk-Attitüde und treffenden, poetischen Texten. Und dann will ich auf jeden Fall noch Chlöisu Friedli erwähnen. Er ist wohl einer der ganz wenigen wahren Mundartblueser der Schweiz. Er erzählt die skurrilsten Geschichten und in seiner Musik steckt ganz viel Schmerz.

Welche Musikalben hörst du aktuell? Warum, was gefällt Dir daran?

Busi Mhlongo -  Urbanzulu
Das Album Urbanzulu der südafrikanischen Sängerin Busi Mhlongo hör ich im Moment rauf und runter. Es verbindet die traditionelle Maskanda-Musik der Zulu mit westlichem Pop und strotzt vor Lebensfreude und Heiterkeit, hat enorm viel Energie und ist zum Teil auch kraftvoll melancholisch. Diese Mischung mag ich sehr.

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Bon Iver -  Bon Iver
Dieses Album ist ein absolutes Meisterwerk, das ich mir von Anfang bis zum Schluss durchhören kann. Mir gefällt es sehr, wenn ein Album als Ganzes funktioniert und in sich stimmig ist. Bon Iver ist auch extrem melancholisch, sehr eigenwillig und episch.

Kollegah - Hoodtape 2
Zu Kollegah pflege ich eine leidenschaftliche Hassliebe. Einerseit gefällt mir sein Style, die Aufmachung und vom musikalischen her eigentlich überhaupt nicht. Andererseit haben aber seine Alben unglaublichen Unterhaltungswert. Der Typ ist einfach verdammt witzig und hat die krassesten Wortspiele und Vergleiche. Kollegah eignet sich bestens zum Wäsche waschen oder wenn ich meine Wohnung aufräume.

Welche Musikgenres bevorzugst du, abgesehen von Rap und warum?
Da gibt es einige Genres, die mir sehr gefallen und ich hab je nach Lebensphase meine Favoriten. Ich fahre ja auch nicht jedes Jahr an den gleichen Ort in die Ferien. Genauso ist es mit der Musik. Es gibt zu viel gute Musik in fast jedem Genre, als dass du deine Ohren davor verschliessen solltest. Darum höre ich alles mögliche. Bluegrass, Country, Blues, Folk oder Reggae. Was ich auch mag, ist zeitgenössische afrikanische Musik, besonders aus Mali und Südafrika. Ich habe aber auch eine Vorliebe für Metal und Rock.

Welches sind deine drei Lieblings-Rock-Bands?
Ach, du immer mit deinen "Lieblingsfragen". Mich im Genre Rock auf drei Acts zu beschränken ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Mit drei Bands verbinde ich aber jeweils eine Erinnerung, die ich erzählen möchte: Guns n' Roses waren meine Jugendhelden. Ich war mit zwölf Jahren an einem Konzert der Band und kann darum behaupten, dass ich die letzten Superstars der Rockszene mit eigenen Augen gesehen habe. Ich habe in meiner Jugend aber auch oft Primus gehört. Eine sehr eigenartige, ziemlich verrückte Rockband aus San Francisco, mit Nonsense-Texten und einem Stil, den sie selbst als "psychedelischen Polka" bezeichnen. Sollte man sich unbedingt mal geben. Und dann natürlich noch Rage Against The Machine. Halt keine klassische Rock-Band, sondern ein Crossover Mix aus verschiedenen Genres, der mir ganz gut gefällt. Das Debütalbum höre ich mir sogar heute noch immer mal wieder an. Ich mag die Energie und die Wut des Albums. Und Tom Orello ist einer meiner Lieblingsgitarristen. Abgesehen davon und vielleicht schon ein wenig zu nerdig: Dieses Album ist wahnsinnig gut abgemischt.

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Was ist das schlimmste Musikgenre und geht wirklich gar nicht? Was stört dich daran?
Ich zähle jetzt mal einige meiner Hassbands auf, keine Ahnung wie man solche Musik nennen soll: Lärm vielleicht? Bands wie Black Eyed Peas, Nickelback, Pitbull, Oeschs die Dritten, Florian Ast, 77 Bombaystreet, Trauffer, und so weiter. Das geht bei mir gar nicht. Die Bands berühren mich einfach nicht und lösen ganz einfach nichts in mir aus. Die Musik ist konstruiert und ganz bewusst auf ein gewisses Publikum zugeschnitten, das man zu erreichen versucht. Sie hat keine Ecken und Kanten und ist aalglatt. Nichts deutet auf eine Persönlichkeit hin. Es will gefallen und darum gefällt es mir nicht.

Gibt es Zeitschriften oder Magazine, die du regelmässig liest?
Ja klar, gibt es die. Gala, InTouch, Friday – da geht es noch um die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Das sind alles auch renommierte Blätter, die nicht voll sind von all den Fake-News, mit denen wir zugemüllt werden. Nebenbei lese ich zur Entspannung ab und zu mal Das Magazin aus dem Tages Anzeiger und die NZZ am Sonntag oder die Sonntagszeitung. Manchmal lese ich auch mal den Spiegel oder den Stern. Die sind aber zum Teil schon auf Gala-, InTouch- und Friday-Niveau. Ja, das am Anfang war natürlich Spass. Der Rest nicht.

OK, stimmt: Du bist ja mehr so der intellektuelle Typ.
Ich bin eher visuell. Von daher würden ja die Boulevard-Blätter passen. Aber da bevorzuge ich dann eher Comics. Darf ich meine Lieblingscomics auflisten? Aber bitte nicht nur drei.

Natürlich. Welche drei Comics würdest du einem Laien empfehlen? Wovon handeln sie?
Ach, du machst mich fertig. Drei sind viel zu wenig, aber ich versuche es trotzdem mal. Es gäbe auf jeden Fall noch ganz viel andere. In Barfuss durch Hiroshima zeichnet Keiji Nakazawa in kräftigen Schwarzweiss-Bildern seine Jugend vor und nach dem Bombenabwurf auf Hiroshima nach. Diese vier Bänder nehmen dich auf eine eindrückliche Weise mit nach Hiroshima und haben mich persönlich zum Weinen gebracht. Auch sehr empfehlenswerts sind alle Comics von Robert Crumb. Dieser Mann ist kult. Er ist der bissigste Zeichner amerikanischer Comics. Schonungslos, unangepasst und entlarvend. Und als dritten würde ich Osamu Tezuka empfehlen. In seinem Comic Kirihito verwandelt eine unheilbare Krankheit einige Menschen in hundeähnliche Wesen, die von der Gesellschaft ausgestossen werden. Es ist selbstverständlich eine Metapher und hochaktuell.

Und wie siehts aus mit Filmen. Gibt es drei, die du als deine Lieblingsfilme bezeichnen würdest?
Drei sind viel zu wenig, weil: Ich mag nur schon ziemlich alle Filme der Coen Brüder. Die sprechen mich nicht nur inhaltlich an, sondern sind immer auch in eine jeweils sehr einzigartige Ästhetik verpackt. Big Lebowsky und O Brother Where Art Thou stechen in ihrer Filmografie heraus. In beiden Filmen gibt es unglaublich lustige Dialoge, die inzwischen Kultstatus erlangt haben. Ich bin aber auch ein riesengrosser Simpsons-Fan. Das ist meiner Meinung nach die beste Serie aller Zeiten. Darum muss ich hier The Simpsons Movie zweifelsohne auch reinnehmen. An den Simpsons gefällt mir, dass es verschiedene Erzählebenen hat, auf die du dich einlassen kannst. Wenn ich einfach Bock habe, mich über die Dummheit von Homer zu amüsieren, kann ich das tun. Aber ich kann mich auf eine andere Ebene einlassen, auf welcher der amerikanischen Gesellschaft ein Spiegel vors Gesicht gehalten wird. Ich mag es, wenn Sozialkritik in der Kunst nicht allzu offensichtlich daherkommt, sondern halt auch zum Denken anregt. Oder wenn du beim Lachen merkst, dass das alles eigentlich gar nicht mal so lustig ist. Genau dieses Gefühl löst in mir auch alles von Monthy Python aus. Life of Brian zum Beispiel ist eine grossartige Persiflage auf Religionen. Ich finde es einerseits wichtig, dass Unterhaltung auch das Denken anregt, aber trotzdem nicht immer todernst sein muss.

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