Aus dem Leben eines Festival-Securitys
Foto: Raymond van Mil

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Festival Guide

Aus dem Leben eines Festival-Securitys

"Ich wurde schon mit einer Pistole und einer Axt bedroht, und mir wurde ein Bierglas im Gesicht zerschlagen – zweimal."

Dieser Artikel ist Teil des VICE Guides für Festivals, alle Texte findet ihr hier.

Wenn du das nächste Mal auf einem Festival im Zelt liegst und versuchst, die Welt daran zu hindern, sich um dich zu drehen, denk ruhig mal an die Leute, die die ganze Zeit nüchtern bleiben müssen, damit du in Sicherheit feiern kannst. Security-Mitarbeiter auf Festivals wirken zwar manchmal, als wollten sie dir bloß den Spaß verderben, in Wahrheit machen sie aber einen wichtigen Job.

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Herman van Horsen arbeitet schon seit 35 Jahren als Türsteher in den Niederlanden und hat sich in dieser Zeit bei unzähligen Festivals und Nachtclubs um die Sicherheit der Gäste gekümmert.

Noisey: Was waren die verrücktesten Dinge, die du Leuten je abnehmen musstest, wenn du sie durchsucht hast?
Herman van Horsen: Einmal hab ich eine Schlange gefunden, aber sie war zum Glück nicht besonders groß – und ich denke nicht, dass sie giftig war. Der Besitzer musste die Schlange nach Hause bringen, bevor er zurück aufs Festivalgelände durfte. Früher haben die Leute auch diese riesigen Afro-Kämme mitgebracht, die man als Waffe verwenden konnte. Aber davon abgesehen, waren es eigentlich meistens einfach Pistolen oder Messer. Und es ist immer merkwürdig, wenn man Leute sieht, die riesige Taschen zu einem Ein-Tages-Festival schleppen, als würden sie drei Wochen in den Urlaub fahren.


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Was war das Ekelerregendste, das du je auf einem Festival gesehen hast?
Auf einem Festival in Ruigoord – einem kleinen Dorf in der Nähe von Amsterdam – hat jemand mitten auf den Veranstaltungsplatz gekackt. Ich habe auch Leute gesehen, die vor aller Augen an sich rumgespielt haben, oder Leute, die in ein Glas gekotzt haben, um es dann wieder zu trinken. Menschen können ziemlich ekelerregend sein.

Was hat dich am meisten deprimiert?
Ich glaube, das Schlimmste ist, wenn Leute GHB in ihre Getränke geschüttet kriegen – und die Männer danach ausgeraubt und die Frauen belästigt werden. Einmal habe ich einen Kerl vom Festivalgelände geworfen, der einem Mädchen etwas ins Getränk getan hatte. Ich hatte sie reglos in ihrem Zelt gefunden – mit dem Kerl auf ihr drauf. Das werde ich nie vergessen, es war schrecklich.

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Fühlst du dich auf der Arbeit manchmal nicht sicher?
Ich wurde schon mit einer Pistole und einer Axt bedroht und mir wurde ein Bierglas im Gesicht zerschlagen – zweimal. Zum Glück wurde ich nie ernsthaft verletzt, beide Male ist das Glas direkt neben meinem Auge gelandet. Und jedes Mal wenn ich von jemandem mit einer Waffe bedroht wurde, hatte ich aus irgendeinem Grund überhaupt keine Angst, wenn ich diese Kerle konfrontiert habe. Das brachte sie so aus der Fassung, dass sie nicht wussten, was sie machen sollten. Ich arbeite seit 35 Jahren in dieser Branche, aber generell passieren solche Vorfälle sehr selten.

Fühlst du dich manchmal schlecht, wenn du jemanden wegen Drogenbesitzes anzeigen musst?
Manchmal, natürlich. Wenn die Organisation, für die ich arbeite, eine sehr strenge Anti-Drogen-Politik hat, muss ich mich daran halten. Aber wenn es nach mir ginge, würde ich gegenüber jemandem, der eine winzige Menge für Eigenbedarf dabei hat, nicht so streng sein. Und wenn ich sehr junge Leute sehe, die total neben sich stehen, tun sie mir eher leid, als dass ich sie bestrafen will.

Was ist der kreativste Ort, an dem du je Drogen gefunden hast?
Ich finde es immer lustig, wenn sich Leute Tütchen in die Haare stecken. Dort sieht man sie nicht, aber manchmal fallen sie einfach raus.

Wie denkst du darüber, dass die meisten Festivalgänger es schaffen, trotz Sicherheitsmaßnahmen Drogen auf das Festivalgelände zu schmuggeln?
Die meisten Organisatoren verstehen, dass viele ihrer Gäste nur auf Festivals gehen, um zu trinken und Drogen zu konsumieren – also profitieren auch sie vom Drogenkonsum. Ich denke, es ist besser, gewisse Mengen zu legalisieren, solange man ihre Qualität auf dem Festival testen lassen kann. Man kann die Leute nicht davon abhalten, Drogen zu nehmen, und die eigentliche Gefahr geht von dem Müll aus, mit dem die Drogen verschnitten sind. Aber natürlich hatte ich auch einige schlechte Erfahrungen mit Leuten, die Alkohol und Kokain oder Ketamin mixen, weil das manche sehr aggressiv macht. Aber das passiert auch mit Leuten, die einfach nur besoffen sind.

Wie bist du Security-Guard geworden?
Als ich mit der Schule fertig war, fing ich an, sehr oft ins Fitnessstudio zu gehen, und wurde schnell recht stark und muskulös. Wenn man damals groß war und gut kämpfen konnte, wurde man zwangsläufig früher oder später gefragt, ob man nicht als Türsteher arbeiten wollte. In den frühen 80ern gab es noch ein paar von diesen richtig großen Türstehern, die den Leuten gesagt haben, dass sie Trinkgeld bezahlen müssten, um den Club wieder verlassen zu dürfen. Es hat danach noch einige Zeit gedauert, bis alles reguliert wurde und ich eine Lizenz brauchte, um als Türsteher zu arbeiten.

Bekommst du viel Aufmerksamkeit von Frauen?
Das passiert. Wir neigen dazu, ja – die meisten Security-Mitarbeiter sind recht groß und stark, und das finden viele Frauen interessant. Als ich jünger war, haben mich Frauen auf Festivals explizit gefragt, ob ich sie durchsuchen wolle. Aber sogar jetzt überrascht es mich noch, wie viele Frauen in ihren Zwanzigern mit mir flirten. Ich habe schon Frauen gedatet, die ich während der Arbeit getroffen habe, aber ich bin immer sehr vorsichtig und wählerisch. Ich will kein Drama bei der Arbeit.

Wie lange willst du noch weitermachen?
Die meisten Türsteher gehen in Rente, wenn sie mein Alter erreicht haben, aber ich hoffe, dass ich noch wenigstens ein Jahr weitermachen kann – vielleicht sogar zwei oder drei. Ich trainiere immer noch fünfmal die Woche und ich bekomme viele Kommentare im Fitnessstudio dazu, dass ich immer noch sehr stark bin, vor allem von viel jüngeren Leuten. Aber ich muss natürlich meine Autorität ausüben können; ich muss dazwischen gehen, wenn Leute aggressiv oder lästig werden. Realistisch gesehen wird das natürlich mit dem Alter schwieriger, und irgendwann werde ich in Rente gehen müssen.

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