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Mick Jagger feierte am Wochenende in Berlins berühmtesten Fetisch-Club

Wir haben mit dem Mann gesprochen, der den Rolling Stone durch verwinkelte Räume an nackten Tanzenden und Gynäkologie-Stühlen im KitKat vorbeigeführt hat.
Mick Jagger tanzt bei einem Konzert der Rolling-Stones-Welttournee | Foto: imago | E-PRESS-PHOTO

Dieser Artikel stammt von unseren Kollegen der Berliner VICE-Redaktion.

Die Subwoofer vibrieren, der Rhythmus ist 4-to-the-floor. Nackte Penisse und Brüste wippen schweißnass. Ein typischer Samstagmorgen im Berliner KitKatClub schwappt vor sich hin. Hunderte nackte und halbnackte Menschen schieben sich zu Acid-Techno, Trance und Disco-Musik zwischen Keller-Klinik, Stahlgittern und Neonlichtern hin und her. Clubs wie das KitKat stehen im Ruf, egalitär zu sein, offen für alle, die sich richtig gehen lassen möchten. Das gilt selbst für Multimillionäre, Pop-Stars und Senioren. Oder eben für Mick Jagger, den 74-jährigen Frontmann der Rolling Stones, der laut The Sunday Times ein Vermögen von fast 300 Millionen Euro besitzt. Und seinen Berlin-Besuch nutzte, um das KitKat zu besuchen.

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Am Freitag hatte Jaggers Band das Berliner Olympiastadion ausverkauft. Bei einem Berlin-Konzert vor 48 Jahren ritt Jagger mal auf einem aufgeblasenen Riesenpenis. Der blieb dieses Mal in der Tasche. Obwohl Jagger am Freitag gut zwei Stunden über die Bühne getanzt ist, hatten er und seine Freundin einen Tag später noch Bewegungsdrang.

Dem Musiker sei es wichtig gewesen, in keinen "rein elektronischen" Club zu gehen, erklärt Lutz Leichsenring im Gespräch mit unseren Kollegen von VICE. Er hatte Jagger am Samstagmorgen für anderthalb Stunden begleitet. Leichsenring sitzt im Vorstand der Clubcommission, deren Pressesprecher er auch ist. Mehrere Berliner Clubs haben sich in der Organisation zusammengeschlossen, um in der Politik genauso laut sein zu können wie in der Nacht.

Am Samstagnachmittag habe der Name Sascha Disselkamp auf Leichsenrings Smartphone-Display aufgeleuchtet. Disselkamp ist Betreiber des Sage-Club. In dem residiert wiederum das KitKat. Ob Leichsenring Lust habe, mit ihm zusammen Mick Jagger in der Nacht zu empfangen, wollte Disselkamp wissen. Wenige Stunden später laufen die beiden mit Jaggers Management durch den noch leeren Club, um zu klären, wie die Sicherheit Jaggers und seiner Freundin gewährleistet werden kann.

Zunächst war Jagger bei der Party "Beasts & Beauties" im The Grand in Berlin-Mitte unterwegs. Der Guide Michelin nennt die Küche des dazugehörigen Restaurants "ambitioniert", die Bild-Zeitung den Nachtbetrieb einen "In-Club". Wer hier abends abhängt, arbeitet eher in einer Personality-Agentur als in einer Eisengießerei oder an der Café-Theke. Jagger wollte wohl noch etwas mehr vom eigentlichen Berliner Nachtleben sehen und schlug gegen 3 Uhr morgens mit mehreren Bodyguards am Seiteneingang des KitKats auf, sagt Leichsenring.

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Jagger – als hätte er einen How-to-get-into-Berghain-Guide gelesen –, ganz in Schwarz, habe sich mit seiner Entourage zunächst auf der Balustrade des Clubs aufgehalten. In der Hand eine Wasser- statt einer Wodkaflasche. Irgendwann haben ihn die Bässe und Dämpfe aber nach unten gezogen, Leichsenring bot Jagger an, ihm eine Tour durch jeden Raum des verwinkelten und mehrstöckigen Clubs zu geben. Die Bodyguards blieben zurück, Disselkamp und Jaggers Freundin kamen mit.

Jagger habe keine Allüren gezeigt, keine besonderen Wünsche geäußert. Überall sei man stehen geblieben und habe ein bisschen getanzt. "Cool, dass Jagger nicht nur in irgendwelchen Champagner-Bars abhängt – sehr sympathisch", sagt Leichsenring. Unter den anderen Partygästen habe sich "gar niemand" um Mittänzer Jagger gekümmert. Das belegt zumindest, dass auch zwei Tage später auf Instagram und Facebook kein einziges Foto von Jaggers Besuch im Club zu finden ist.

Auch Kristian Kaltenbach hat keines gepostet. Der DJ legte an diesem frühen Morgen auf einem der Floors im Keller des KitKats auf. Dass er Jagger irgendwann um kurz vor 4 Uhr mit einem Disco-Edit von The Clashs "Rock the Casbah" augenscheinlich den schönsten Moment der Nacht bereitete, erfuhr Kaltenbach einen Tag später in einem Facebook-Post von Lutz Leichsenring.

Es blieb sogar Zeit, um über die Verdrängung der Berliner Clubs zu reden

Kurze Zeit später habe Jagger das KitKat dann wieder verlassen, sagt Leichsenring. Die Zeit davor habe er allerdings genutzt, Jagger zu erklären, wie ein Club in Berlin funktioniert, warum es möglich sei, dass Menschen hier bis zum Mittag des nächsten Tages zu einem derart umfangreichen Line-up in Lederharnischen und Latexkostümen eng umschlungen tanzen und sich zwischendurch gegenseitig die Körperöffnungen abtasten. Solche Orte müsse man schützen, sagt Leichsenring, der Jagger auch davon erzählt habe, dass viele Clubs in Berlin von Verdrängung bedroht sind. Jetzt weiß also auch ein Rolling Stone um die Feinheiten der Berliner Gentrifizierungsdebatte.

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Die beschäftigt Lutz Leichsenring und den Rest der Clubcommission auch, wenn kein Promi-Besuch ansteht. Gerade versucht die Organisation, zusammen mit den Berliner Bezirksverwaltungen Orte zu finden, an denen legale Open Airs stattfinden können. Im Mai besichtigten Leichsenring und andere Vertreter den Flughafen Tegel, um das aller Wahrscheinlichkeit nach bald in Ruhestand gehende Gelände auf Club- und Open-Air-Tauglichkeit zu prüfen. Das nötige Verständnis innerhalb der Politik versucht Leichsenring ähnlich wie bei Jagger aufzubauen: Regelmäßig nimmt er Politiker und Politikerinnen mit in die Berliner Clubs, "aber nur in kleinen Gruppen und ohne VIP-Behandlung", wie er sagt.

Jaggers anderthalbstündiger Abstecher ins KitKat sei "ein ganz normaler Clubbesuch" gewesen, sagt Leichsenring – "und kein Spektakel".

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