FYI.

This story is over 5 years old.

You Need to Hear This

Captain Capa auf großer Amerika-Tour—Das Tagebuch, Teil 1

Eine Million Euro Gage verloren, für zwei Millionen Euro Flüge umgebucht—Captain Capa sind etwas verspätet in die legendäre Warped Tour durch die US of A gestartet.

Captain Capa: Maik (links) und Hannes in AMERICUH — alle Fotos: © Captain Capa

HINFLUG // DAY 1

Heute ist der 20. Juni, wir sitzen im Flugzeug nach New York. Maik schmunzelt gelegentlich über Anchorman 2, auf meinem Bildschirm flimmert traurig: Der Lego Film. Ich gucke kurz nach links und hebe meinen Rum-Cola-Becher in Richtung Jesse Hughes. „Cheers!“ Der Sänger der Eagles of Death Metal hat sich in unseren Flieger verirrt, Maiks Gitarre entdeckt und uns zu sofortiger Freundschaft gezwungen. „Put me on that guestlist on Wednesday!“ Geiler Typ! Noch nicht mal in Amerika gelandet und schon sitzt der erste Rockstar neben uns. Das muss ein Zeichen sein. Aber die gute Stimmung wird noch kippen: „Hey, I just downloaded your album, guys! I'll tell you what I think!“

Ich gucke noch mal aufs Handy, Ankunftszeiten checken und sehe die letzten SMS von unserem Booker Hendrik, die arme Sau, die das bevorstehende Spektakel für uns organisiert hat: „Seid ihr endlich weg?“ „Sitzen im Flieger.“ „Gut. Dann knallen jetzt hier die Sektkorken.“

Anzeige

„Endlich“ ist gut. Die Warped Tour hat vor 7 Tagen begonnen und wir Penner sind noch nicht mal los geflogen. Die Mühlen der Bürokratie haben sich für uns in Slow-Mo gedreht und unsere Reisepässe nicht rechtzeitig rausgerückt. Eine Million Euro Gage verloren, für zwei Millionen Euro Flüge umgebucht. $WAG. Jetzt sind wir doch wieder die Nachzügler, wenn wir morgen in San Francisco endlich in den Tourbus steigen. Immerhin: Unser Botschafter ist schon dort. Norman ist für die ersten Wochen in Amerika unser Tontechniker. Seine eigene Band Bratze steht kurz vor ihrer feierlichen Beerdigung und sonst schwitzt er im Tonstudio und rückt die kruden Aufnahmen von aufstrebenden Bandlümmeln gerade. Für ein hirnrissiges Abenteuer wie dieses ist er der perfekte Mann. Norman war vor tausend Jahren schon mal mit seiner Hardcoreband in den Staaten unterwegs und hat uns auch 2012 auf der Warped Tour begleitet. Dass er die erste Tourwoche jetzt ohne Band auskommen musste, scheint ihm ganz gut bekommen zu sein. Seine täglichen Nachrichten lesen sich so: „Geil, die haben immernoch nicht mitgekriegt, dass ich hier nur zum Spaß abhäng. Wenn das so weitergeht, bin ich bald ihr König.“ Oder: „Habe neue Taktik entwickelt, um mich vor Volunteer-Aufgaben zu drücken: Stehe am frühesten auf, tue total geschäftig und fahr dann mit'm ersten Bus inne Kneipe. Mal sehen wann die merken, dass ich jeden Abend besoffen ins Bett geh.“

Anzeige

Hannes von Captain Capa (links) mit Tonmann und Ex-Bratze Norman

Noch trennen uns neun Stunden Flug und eine Nacht in San Francisco von dem Wahnsinn, der uns morgen erwartet. Neun Bühnen, 80 Live-Acts und 120 Pavillons aus denen Emobands, gewiefte Werbepartner und VANS herausschreien um verschwitzten, amerikanischen Teenagern CDs, Turnschuhe, Kaltgetränke oder Schrott zu verkaufen. Irgendwo dazwischen spielen wir. Sechs Songs, jeden Tag, ab jetzt 35 mal. Ab geht's!

VENTURA, CALIFORNIA // DAY 3

Der Sommer meint es gut mit uns. Nach einem höchst amüsanten zweiten Flug, in dem wir uns zufrieden von den Stewardessen haben abfüllen lassen, weil Maik ein olles Handy aufgehoben hat („OHMYGOD you're my hero! Drink's on us!“) sind wir tatsächlich im Kreuzzug der Warped Tour angekommen. Hier sieht alles genau so aus wie 2012, als wir schon ein mal ein paar Wochen in den Irrsinn rein schnuppern durften. Wir verbringen unseren Ankunftstag also damit, alte Freunde zu begrüßen und neue Freunde kennenzulernen. Nach wenigen Stunden fühlt sich das alles schon wieder ein bisschen an wie Ferienlager oder, Obacht, Familie. Norman ist hier scheinbar schon eine totale Celebrity. „EVERYBODY LOOOVES NORMAN!“ Er stellt uns die wichtigsten Leute vor („Die Jungs von Monster Energy sind megacool, die lassen hin und wieder mal Getränke springen. Da vorne kriegt ihr noch gratis Schuhe. Bei der da kriegt ihr manchmal Eistee und so Shit.“) und zeigt uns gleich, was wir uns auf keinen Fall geben dürfen („Totaler Mist, auf keinen Fall auch nur ein Konzert von denen anschauen!“)

Anzeige

Unser erster Auftritt auf der Beatport-Stage in Mountain View, California, wird kein Debakel, aber immerhin ein ziemliches Chaos. Acht Minuten Umbauzeit, Soundcheck ist nicht. Wer überzieht, wird angemault. Wir reißen Kabel raus, das Mikrofon übersteuert, uns fällt ein Keyboard vom Stativ. Ein bisschen wie ganz, ganz früher. Trotzdem titelt ein kalifornischer Musikblog am nächsten Tag von einer „outstanding show“ und „energetic performance“. Wir fragen uns, wer die bezahlt hat und wie viel Four Loco wir uns dafür hätten kaufen können.

Mit Four Loco feiern wir nämlich unseren Einstand im Beatport-Bus. Mit der legendären, einst lebensgefährlichen Ghetto-Plörre (Wein, Schnaps, Limonade, Energydrink) erschleichen wir uns die Freundschaft unserer Bus-Buddies: Crizzly, NitGrit, Antiserum, MC Chris und wie sie alle heißen. Allesamt geile Typen. Lieblingscrewmitglied bisher: Spence, der den Tag im American Flag Speedo verbringt und 9:30 Uhr morgens mit Saufen anfängt. Die Crew schleppt uns in einen Taco Bell und macht uns damit zu halben Amerikanern. Geil. Crizzly, ein winziger, spindeldürrer Dubstep-DJ, bei dem die Girls halbnackt auf der Bühne tanzen, während sein Kollege Cool (kein Scheiß) vom Feiern rappt, zeigt uns was ein Suicide ist: „Just pour a bit of every single lemonade into the fucking cup. Go crazy man. Get that sugar.“ Jo, go crazy.

Am nächsten Morgen wachen alle mit einem Hammerschädel in ihren rollenden Bunkbed-Särgen in Ventura auf. Vor der Tür gibt's Palmen und Meer. Und zwei schlimme Botschaften: 1. Wir spielen als erste Band, sofort nach dem Aufstehen. 2. Linkin Park sind heute Stargast und geben eine Secretshow auf ihrer eigenen Bühne. Im Gegensatz zum Chaos des Vortags reißen wir ein ordentliches Set ohne technische Querelen runter und ziehen ein paar Kids mit beknackten Frisuren und bunten T-Shirts auf unsere Seite. „We came all the way from Germany…“ scheint zu ziehen. Und „We're Linkin Park, honestly.“

Anzeige

Bei den echten Linkin Park läuft's anders. Während des Konzerts schleichen wir uns hinter die Bühne um mal einen Hauch von Rockstarglamour zu schnuppern. Ausnahmsweise wird die Stage abgeriegelt, da hilft auch der Access All Areas Pass nicht. Als wir uns zwischen überschminkten Fangirls in schmierigen Bikinis drängeln und "One Step Closer" von der Bühne dröhnt, stürzen sich zwei Meter neben uns vier schwerbepackte Polizisten mit Hund und Taser auf zwei arme Vögel, die wohl über den Bühnenrand wollten, zu derb gemosht haben oder in der ersten Reihe Cräck verkauft haben. Der Linkin Park Backstage Fanmob hält den Atem an und zieht die Handykameras fix auf die Polizeiknüppel. Das Gerangel bleibt nicht spannend genug und auch der Taser-Guy erholt sich nach einigen Minuten von seinem Stromschock. Zurück zu Linkin Park. „BUT IN THEEE END IT DOESN'T EVEN MAAAATTER…“ Und weg hier!

Nach den Shows findet in Ventura das große Kickoff Barbecue statt. Es ist eine 20 jahre alte Tradition, die man hier hegt und pflegt. Irgendeine Schrabbelpunkband in Amerika zieht das große Los des Sommers: 42 mal Warped spielen für 42 BBQs. Jeden Abend schmeißt dann jene unterbezahlte (weil gar nicht bezahlte) Rockband aus Arizona ein gigantisches Barbecue für alle Crewmitglieder und Musiker der Tour. Es legen DJs auf und die Typen von Vans schenken Alkohol in rauhen Mengen aus. Gezahlt wird in mickrigen Tips, gesüppelt wird aus den altbekannten Red Cups. Kennt man von Lil Wayne.

Anzeige

DJ Khaled und T-Paine hämmern abwechselnd mit Journey und Aerosmith aus den Boxen und 800 Warped-Abkömmlinge, Roadies und Stagehands sowieso gestandene Rockstars, geben sich die Kante, twerken um die Wette und buhlen um Geschlechtspartner. Danach verschwinden alle in ihren Bussen. Wer Glück hat findet noch einen sauberen Platz zum Kacken (selten) oder gar Duschen (unmöglich.) Lattenstramm trifft man sich im Bus, erzählt sich weit hergeholt und ausgeschmückt von den Abenteuern der Nacht („MAAAN DID YOU SEE HOW SHE WAS TWERKING AT ME MAN UUUH I WUZ KILLING IT ON THE DANCEFLOOR TONIGHT“) und fällt letztlich besoffen ins viel zu kleine Bunkbed.

Zum Vergrößern Klicken

Aufgewacht sind wir vor einem gigantischen Hotel in San Diego. Zwei Tage OFF. Zwei Tage am Pool rum hängen, Internetzen und echte Hygieneeinrichtungen besuchen. Unfassbar, aber es geht wohl grad erst los.

**

Folgt YNTHT bei Facebook und Twitter.


MEHR VON YOU NEED TO HEAR THIS

Exklusive Videopremiere: Shaban—„Fenster“

Falls ihr einen nervösen Magen habt, solltet ihr dieses Video lieber nicht anschauen.

Wir weigern uns, ein ernsthaftes Interview mit Jessie Ware zu führen

Also haben wir sie stattdessen gefragt, wie sie ihren ersten Freund verlassen hat.

How To Dress Well findet seine Texte selber schwer verständlich

Tom Krell ist so durchdacht wie emotional impulsiv, was ihn zu einem der interessantesten Künstler der Zeit macht.